(1) 1Neben verspäteten Änderungsmitteilungen (Verletzung der Mitteilungspflicht) können Mitteilungen, die eine Person im Rahmen einer Anhörung (außerhalb des Ermittlungsverfahrens im Rahmen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenverfahrens) macht, zum Verdacht einer Steuerstraftat führen. 2Die fehlende Mitwirkung bei einer nachträglichen Überprüfung des Kindergeldanspruchs begründet keinen Anfangsverdacht, es sei denn, es liegen weitere tatsächliche Anhaltspunkte vor, die einen Anfangsverdacht rechtfertigen.
(2) Für die Frage, ob der Verdacht einer Steuerstraftat vorliegt, sind die Fallgestaltungen "Mitteilung des Betroffenen", "Mitteilung von dritter Seite" und "Sonstige Ermittlungsgründe" zu unterscheiden.
S 5.1 Mitteilung des Betroffenen
(1) 1Geht bei einer Familienkasse eine verspätete Mitteilung über den Wegfall der Anspruchsgrundlage ein, so ist zu prüfen, ob der Verdacht einer Steuerstraftat vorliegt. 2Die Festsetzungsstelle hebt die Kindergeldfestsetzung auf und fordert das überzahlte Kindergeld für die noch nicht verjährten Zeiträume zurück (vgl. V 12).
(2) 1Nach Fälligkeit des Rückforderungsbetrags ist zu prüfen, ob Zinsen gem. § 235 AO (Hinterziehungszinsen) der Höhe nach festzusetzen sind (vgl. V 30.4). 2Sind Zinsen gem. § 235 AO der Höhe nach festzusetzen, ist – sofern noch nicht erfolgt – durch die BuStra-Stelle zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerstraftat vorliegen, und ggf. unter Verwendung des Vordrucks KGStB 3 ein Strafverfahren einzuleiten. 3Der Betroffene ist strafrechtlich zu belehren. 4Die Zinsen gem. § 235 AO sind von der Festsetzungsstelle festzusetzen (vgl. V 30).
(3) Wurden sowohl der Rückforderungsbetrag als auch festgesetzte Zinsen fristgerecht gezahlt und liegen die übrigen Voraussetzungen für eine wirksame Selbstanzeige vor (vgl. S 6), ist der Fall mit einem entsprechenden Aktenvermerk abzuschließen.
(4) 1Bei nicht fristgerechter oder unvollständiger Zahlung der Rückforderung bzw. der Zinsen gem. § 235 AO hat die BuStra-Stelle die Einleitung bzw. Fortführung des Strafverfahrens zu prüfen und eine Frist gem. § 371 Abs. 3 AO zu setzen. 2Grundsätzlich genügt eine Frist von ein bis zwei Wochen, da dem Täter seine Zahlungsverpflichtung bereits bekannt ist.
(5) 1Wird gegen den Rückforderungsbescheid bzw. gegen den Bescheid über die Festsetzung der Zinsen gem. § 235 AO Einspruch bzw. Klage erhoben, ist die BuStra-Stelle hiervon unverzüglich zu unterrichten. 2Gleiches gilt, wenn nach Abgabe an die BuStra-Stelle Zahlungen des Betroffenen bzw. Beschuldigten erfolgen.
S 5.2 Mitteilung von dritter Seite
(1) 1Geben Mitteilungen von dritter Seite Anlass, das Vorliegen einer Straftat in Betracht zu ziehen, so hängt es von der Werthaltigkeit und Belastbarkeit dieser Mitteilungen ab, ob die Familienkasse zunächst den Sachverhalt weiter aufklärt oder die Einleitung eines Strafverfahrens prüft. 2Daher ist insbesondere von Bedeutung,
- ob die vorliegenden Erkenntnisse auf zuverlässigen Quellen basieren,
- ob die äußeren Umstände erfahrungsgemäß den Schluss zulassen, dass zu Unrecht Kindergeld gezahlt worden ist.
(2) 1Ergibt die Prüfung, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Tatbestand einer Steuerstraftat nach § 370 Abs. 1 AO erfüllt (Anfangsverdacht) und der Sachverhalt für die Rückforderung des Kindergeldes hinreichend bekannt ist, ist ein Strafverfahren einzuleiten (vgl. S 8.1.5). 2Der Betroffene ist im Fall der Einleitung eines Strafverfahrens durch die BuStra-Stelle strafrechtlich zu belehren. 3Äußerungen des Beschuldigten in der nach Einleitung des Strafverfahrens von der Familienkasse vor dem Erlass des Aufhebungsbescheids durchzuführenden Anhörung nach § 91 AO können nicht mehr als Selbstanzeige gewertet werden. 4Die Familienkasse hebt die Kindergeldfestsetzung nach Anhörung gem. § 91 AO auf und fordert das überzahlte Kindergeld unverzüglich unter Setzung einer Frist von maximal einem Monat zurück. 5Ab dem Zeitpunkt des Vorliegens eines Ausschlussgrundes nach § 371 Abs. 2 AO ist eine Selbstanzeige nicht mehr möglich (vgl. S 6.3).
(3) 1Ist der Sachverhalt aufgrund der Mitteilung von dritter Seite noch nicht hinreichend bekannt, ist er aufzuklären, vgl. V 6. 2Ergibt die Sachverhaltsermittlung, dass Kindergeld nicht ungerechtfertigt bezogen wurde, ist nichts weiter zu veranlassen. 3Ergibt die Sachverhaltsermittlung hingegen, dass Kindergeld ungerechtfertigt bezogen wurde, ist zu unterscheiden, ob die Sachverhaltsaufklärung durch den Betroffenen oder einen Dritten erfolgte. 4Auf S 6 und S 5.1 wird verwiesen.
S 5.3 Sonstige Ermittlungsgründe
1Erlangt der Bedienstete einer Familienkasse oder einer anderen Dienststelle im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit Kenntnis von Tatsachen, die den Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit begründen, so hat er, sofern der Sachverhalt nicht bereits aktenkundig ist, hierüber einen Aktenvermerk zu fertigen. 2Nr. 130 bis 133 AStBV (St) 2023 gelten bezüglich der Unterrichtungspflicht gegenüber BuStra-Stellen mit der Maßgabe, dass eine Weitergabe an die BuStra-Stelle unterbleibt, wenn der Entscheidun...