(1) 1Für das Steuerordnungswidrigkeitenverfahren gelten grundsätzlich die verfahrensrechtlichen Vorschriften des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (§§ 35 ff. OWiG). 2Diese allgemeinen Verfahrensvorschriften treten jedoch zurück, soweit die AO etwas anderes bestimmt (vgl. §§ 409 bis 412 AO). 3Besonders bedeutsam ist der Katalog der entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Steuerstrafrechts (§ 410 Abs. 1 AO). 4Bezüglich der im Bußgeldverfahren anzuwendenden Vorschriften wird im Übrigen auf Nr. 100 bis 103 AStBV (St) 2023 verwiesen; bezüglich des Abschlusses des Verfahrens auf Nr. 113 und 116 AStBV (St) 2023 sowie auf Vordruck KGStB 13.
(2) 1Im Unterschied zum strafrechtlichen Ermittlungsverfahren herrscht nicht das Legalitäts-, sondern das Opportunitätsprinzip. 2Dies bedeutet, dass hier die Einleitung des Verfahrens im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde steht und sie es nach pflichtgemäßem Ermessen auch wieder einstellen kann (§ 47 Abs. 1 OWiG). 3Beachtliche Gesichtspunkte für die Ermessensausübung sind u.a.
- Wiederholungsgefahr,
- Häufigkeit derartiger Taten,
- Verschulden und Verhalten des Betroffenen sowie
- Zweck der Ahndung.
4Stehen solche Gesichtspunkte nicht entgegen, so kann nach Nr. 104 Abs. 3 AStBV (St) 2023 von der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit abgesehen werden, wenn der zu Unrecht bezogene Betrag insgesamt weniger als 5.000 Euro beträgt. 5Handelt es sich um einen Wiederholungsfall, so kann nur unter den Voraussetzungen von einer Verfolgung abgesehen werden, unter denen ein Strafverfahren nach § 153 StPO eingestellt werden könnte, also wenn die Summe des überzahlten Kindergeldes den Betrag von 1.500 Euro nicht überschreitet, vgl. S 8.1.7.2 Abs. 2. 6Zu Mitteilungspflichten gegenüber der Ausländerbehörde vgl. S 8.1.10.
(3) 1Sachlich zuständige Verwaltungsbehörde i.S.d. § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sind die BuStra-Stellen (§§ 409 Satz 1, 387 Abs. 1, 386 Abs. 1 Satz 2 AO). 2Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts (etwa für Einsprüche gegen Bußgeldbescheide) folgt aus § 410 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 391 AO. 3Danach ist – abweichend von § 68 OWiG – das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat (§ 391 Abs. 1 Satz 1 AO).
(4) 1Aus § 410 Abs. 1 Nr. 11 i.V.m. § 407 AO ergeben sich für die Familienkasse stärkere Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte als im allgemeinen Verfahrensrecht. 2Abweichend von § 76 Abs. 2 OWiG ist z.B. das Gericht nicht befugt, die Familienkasse von einer Hauptverhandlung oder einem Vernehmungstermin auszunehmen.
(5) 1Nach § 67 OWiG kann gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch bei der Familienkasse eingelegt werden. 2Der Einspruch muss nicht begründet werden. 3Auf einen Einspruch hin überprüft die BuStra-Stelle ihre Entscheidung (§ 69 OWiG). 4Sie kann den Bescheid zurücknehmen und das Verfahren einstellen oder einen neuen Bescheid erlassen, der auch eine Verschlechterung darstellen darf. 5Will sie an dem Bescheid festhalten, so muss sie die Sache der Staatsanwaltschaft vorlegen. 6Unterstützt diese die Auffassung der BuStra-Stelle, so legt sie die Akten dem zuständigen Amtsgericht vor (§ 69 Abs. 4 OWiG).