Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
Leitsatz
Erbringt eine Organgesellschaft Leistungen für den hoheitlichen Bereich des Organträgers, liegen reine Innenumsätze vor, die nicht als unentgeltliche Wertabgabe des Organträgers zu besteuern sind.
Sachverhalt
Die Klägerin betreibt als Stiftung öffentlichen Rechts eine Universität. Die universitären Aufgaben erstrecken sich von der Lehre in Hörsälen und Laboren bis hin zur Krankenversorgung. Daneben ist die Klägerin zu 100 % an einer GmbH beteiligt, die u. a. Reinigungsdienstleistungen erbringt (Reinigungs-GmbH). Gemäß einer verbindlichen Auskunft des Finanzamts liegt insoweit eine Organschaft mit der Stiftung als Organträger vor. Im Streitjahr erhielt die Reinigungs-GmbH für ihre Dienstleistungen gegenüber der Klägerin eine Vergütung von rund 76.000 EUR. Der Anteil des hoheitlichen Bereichs der zu reinigenden Fläche beträgt 7,6 % der Gesamtfläche. Das Finanzamt vertrat im Laufe des Verfahrens die Auffassung, dass die Reinigungsleistungen, soweit sie für den hoheitlichen Bereich erbracht wurden, unternehmensfremde Tätigkeiten seien und eine unentgeltliche Wertabgabe gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG bei der Klägerin auslösen. Mit der Klage vertritt die Organträgerin die Auffassung, dass die "Reinigungs-GmbH" sämtliche Reinigungsleistungen innerhalb der bestehenden umsatzsteuerlichen Organschaft erbringe, weshalb es sich um nicht steuerbare Innenumsätze handeln würde. Eine Besteuerung als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG käme nicht in Betracht, denn weder würden Leistungen unentgeltlich erbracht noch würden Leistungen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen, durchgeführt.
Entscheidung
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht hat zunächst bestätigt, dass zwischen der Klägerin und der Reinigungs-GmbH eine Organschaft vorliegt. Sodann hat es klargestellt, dass sich die Organschaft auch nicht gegenständlich auf den unternehmerischen Bereich der Klägerin beschränkt. Für die Nichtsteuerbarkeit von Innenleistungen einer Organschaft kommt es nicht darauf an, ob der Organträger die von der Organgesellschaft bezogene Leistung für unternehmerische oder nicht-unternehmerische Zwecke verwendet. Ansonsten käme es nämlich bei einer Verwendung der von der Organgesellschaft erbrachten Leistung für unternehmerische und nicht-unternehmerische Zwecke zu einer partiellen Selbständigkeit, die mit der Behandlung als ein Unternehmen und als Steuerpflichtiger nicht zu vereinbaren wäre. Entgegen der Rechtsauffassung des Finanzamts liegt auch keine unentgeltliche Wertabgabe vor, soweit die Reinigungs-GmbH ihre Reinigungsleistungen für den hoheitlichen Bereich der Klägerin erbringt. Zu beachten ist hierbei, dass der hoheitliche Tätigkeitsbereich eines Unternehmers zu den nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne zählt, nicht aber zu den unternehmensfremden Zwecken. Erbringt – wie im Streitfall – der Betrieb gewerblicher Art einer juristischer Person öffentlichen Rechts eine Leistung an den hoheitlichen, nichtwirtschaftlichen Bereich, liegt keine Leistung für Zwecke vor, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die Regelung des § 3 Abs. 9a UStG passt in derartigen Fällen nicht, da es nicht um eine unternehmensfremde Verwendung geht.
Im Übrigen weist das Finanzgericht darauf hin, dass sich die Problematik des Streitfalles auch auf anderem Weg lösen lässt: Soweit eine Organgesellschaft Leistungen an den nichtunternehmerischen Bereich des Organträgers erbringt, besteht entsprechend § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG kein Vorsteuerabzug. Die Frage der Vorsteueraufteilung gemäß § 15 Abs. 4 UStG stellt sich im konkreten Fall nur deshalb nicht, weil die Klägerin ohnehin nur steuerfreie Ausgangsleistungen erbringt, die den Vorsteuerabzug ausschließen.
Hinweis
Mit der Entscheidung weitet das Finanzgericht den umsatzsteuerlichen Organkreis faktisch auf die nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten im engeren Sinne aus. Dabei stellt es fest, dass die Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe nach § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG nur für unternehmensfremde Tätigkeiten greift, also u. a. nicht für hoheitliche Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts und unentgeltliche Tätigkeiten eines Vereins aus ideellen Vereinszwecken.
Der BFH muss im nun anhängigen Revisionsverfahren, Az beim BFH V R 40/19, damit im Ergebnis darüber entscheiden, ob Dienstleistungen einer Organgesellschaft an den nichtwirtschaftlichen Bereich des Organträgers der Besteuerung unterliegen. Dies ist für betroffene "Einrichtungen" von wesentlicher Bedeutung. Sollte er sich dem Ergebnis des Finanzgerichts anschließen, dürfte für den Fiskus unter dem Strich allerdings kein Nachteil erwachsen: Beim Leistungsbezug der Organgesellschaft für eine entgeltliche Tätigkeit an den nichtwirtschaftlichen Bereich des Organträgers ist der Vorsteuerabzug nämlich bereits grundsätzlich ausgeschlossen. Für andere Kosten, ohne Vorsteuerbelastung (insbesondere Personalkosten), erscheint eine Korrektur durch die Annahme einer Umsatzsteuerpflicht ohnehin nicht sachgerecht.
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