Neue Technologien und die rasante Entwicklung erfordern neue Methoden und Werkzeuge. Doch für Strategie-Einsteiger können auch bewährte Methoden und Denkansätze hilfreich sein. Zur Klarstellung: Die Entwicklung einer Kanzleistrategie hat schon immer mehr bedeutet, als 5 oder 10 % mehr auf den Kanzleiumsatz zu planen und dann zu hoffen, dass das eintritt.
5.1 Klassisch mit der Balanced-Scorecard von Kaplan/Norton
Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen und Methoden für die strategische Planung. Eine bewährte Methode ist z. B. das Balanced-Score-Card-Modell. Ausgehend von der Unternehmensvision und Mission werden die 4 Perspektiven des Kanzleierfolgs abgeleitet und messbare Kennzahlen zur Zielerreichung festgelegt.
Wie funktioniert das konkret?
Die Vision beschreibt das "Warum". Also warum gibt es die Kanzlei, was treibt uns an, warum lieben wir das, was wir tun? Wenn Sie ein sinnvolles Warum formuliert haben, werden Sie dieses vermutlich gar nicht ändern, z. B. "Wir sorgen für die finanzielle Sicherheit unserer Mandanten und zeigen ihnen Wege für Werteerhalt und Werteaufbau, um langfristig ihre Ziele zu erreichen". Die Mittel zur Umsetzung ändern sich allerdings, denn die Zukunftsperspektive ändert sich ja auch für den Mandanten durch die Digitalisierung.
Die Mission für die digitale Kanzlei könnte z. B. lauten:
"Wir helfen Unternehmern dabei, erfolgreicher zu sein, indem sie sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Das gelingt, weil wir sämtliche Verwaltungsprozesse für den Mandanten optimieren, von A wie Angebot schreiben bis Z wie Zahlungsverkehr. Dazu nutzen wir die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung wie Cloud-Lösungen, Schnittstellen und andere innovative Angebote."
Nachdem Vision und Leitbild erarbeitet wurden, geht es um die konkreten Fragestellungen unter diesem Gesichtspunkt:
Erfolgsperspektive Kanzleiführung
- Welche Werte sind heute und morgen die Grundlage unseres Erfolges?
- Welche Auswirkungen haben mobile, Cloud, BigData, Künstliche Intelligenz und Internet of Things auf unsere Kanzlei?
- Womit verdienen wir in Zukunft unser Geld?
- Wie sieht die Umsatzverteilung in der BWA zukünftig aus?
- Wie sieht unsere Honorarpolitik dazu aus?
- Wie bringen wir persönliche und berufliche Interessen in Einklang?
- Sind wir digital regional oder überregional tätig?
Erfolgsperspektive Mandant
- Wie treten wir unseren Mandanten gegenüber auf, um unsere Vision zu erreichen?
- Wie macht sich unsere Mission im Umgang mit den Mandanten bemerkbar?
- Wie sieht die digitale Kompetenz unserer Mandanten aus und wie können wir diese fördern?
- Welche Dienstleistungen brauchen wir, um in der digitalen Welt erfolgreich zu bestehen?
- Mit welchen Dienstleistungen unterstützen wir unsere Mandanten dabei, in der digitalen Welt erfolgreich zu sein?
- Woher wissen wir, dass wir die Interessen unserer Mandanten in den Vordergrund stellen?
- Wie erhalten und verstärken wir die persönliche Beziehung zu unseren Mandanten?
- Auf welchen Kommunikationskanälen sind wir mit welchen Themen präsent?
Erfolgsperspektive Mitarbeiter
- Welche Mitarbeiter passen zu uns?
- Welche Mitarbeiter brauchen wir?
- Wie fördern wir die Mitarbeiter, damit sie unsere Vision mit tragen können?
- Wie erhalten unsere Mitarbeiter die Anerkennung, die sie verdienen?
- Welche digitale Kompetenz brauchen unsere Mitarbeiter und wie bekommen sie diese?
- Wo und wie werden die Mitarbeiter arbeiten? Home Office und Arbeitszeitflexibilität
- Welches Vergütungsmodell passt in die neue Arbeitswelt?
- Wie gewinnen wir neue Mitarbeiter und sind attraktiv für die Generation Y und kommende Generationen?
Erfolgsperspektive Organisation
- In welchen Geschäftsprozessen wollen wir die Besten sein, um die Kundenerwartungen zu erfüllen (Kunden einer Kanzlei sind Mandanten, die Inhaber, die Mitarbeiter und Geschäftspartner)?
- Wie gestalten wir unsere Prozesse so, dass wir flexibel auf die Veränderungen am Markt reagieren können?
- Welche Prozesse und Schnittstellen sind erfolgskritisch und bedürfen deshalb besonderer Aufmerksamkeit?
- Wer ist unser "Chief Digital Officer", der die technologische Entwicklung vorantreibt und beobachtet?
- Welcher Investitionsaufwand ist erforderlich, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein?
Zu diesen Fragestellungen werden dann in der Diskussion Maßnahmen und messbare Kennzahlen festgelegt, die quartalsweise im Soll-Ist-Vergleich überprüft und angepasst werden.
Hier einige Praxis-Beispiele, die verschiedene Kanzleien für sich definiert haben:
- Ab dem 1.1. werden sämtliche Buchhaltungen digitalisiert erfasst und in der Kanzlei papierlos bearbeitet.
- Wir wissen von allen Mandanten, welche Software für Angebots- und Rechnungsschreibung und Zahlungsverkehr im Einsatz ist und nutzen bzw. programmieren die Schnittstellen zur Kanzleisoftware.
- Am 31.3. sind 100 % der Jahresabschlüsse des Vorjahres mit betrieblichen Steuererklärungen fertig.
- Neben den fachlichen Themen erhält jeder Mitarbeiter 2 Tage Schulungen zu Programmnutzung, Cloudlösungen, papierloses Arbeiten.
- Ab dem nächsten Jahr stellen wir 30 % unserer Mandanten auf digitale Mediennut...