§ 312 b BGB schützt den Verbraucher umfassender als früher. Die Rechtsprechung zum früheren Haustürgeschäft gilt insoweit weiterhin entsprechend.
Verträge, die durch mündliche Verhandlung am Arbeitsplatz des Kunden oder in einer Privatwohnung zustande kommen, sind also immer Direktvertriebsverträge i. S. des § 312 b Abs. 1 Nr. 1 BGB. Dabei muss es sich nicht um die Wohnung des Kunden handeln, sondern es kann irgendeine Privatwohnung (auch Hotelzimmer) sein. Damit sind z. B. alle Vertragsabschlüsse auf "Verkaufspartys" für Töpfe und Kosmetika, Modeschauen u. Ä. Direktvertriebsverträge.
Nicht relevant ist, ob der Vertragsabschluss auf einen bestellten oder unbestellten Besuch des Unternehmers beruht. Unangekündigte Haustürbesuche zu Werbezwecken stellen nicht ohne weiteres eine unzumutbare Belästigung i. S. v. von § 7 Abs. 1 Satz 1 UWG dar.
1.2.1 Angebot zum Vertragsabschluss außerhalb der Geschäftsräume
Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge sind auch die Verträge, für die der Verbraucher bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort ein bindendes Angebot abgegeben hat, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist.
1.2.2 Werbemäßiges Ansprechen in der Öffentlichkeit
Verträge, die im Anschluss an ein persönliches und individuelles Ansprechen in öffentlichen Verkehrsmitteln, z. B. Bus, Bahn etc., oder auf öffentlichen Flächen, z. B. Straßen oder die Passage eines Einkaufszentrums, zustande kommen, sind i. d. R. "Haustürgeschäfte". Dies gilt auch, wenn der Vertrag selbst dann später innerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers oder durch Fernkommunikationsmittel abgeschlossen wird.
Verbraucher rechnet nicht mit einem Verkaufsangebot
Das persönliche Ansprechen muss vom Unternehmer bzw. dessen Angestellten ausgehen. Hierbei kommt es wohl wie bisher auch auf das Überraschungsmoment an. Muss der Verbraucher von vornherein damit rechnen, auf Geschäfte angesprochen zu werden (allgemeine Werbemaßnahmen), hat er kein Widerrufsrecht, z. B. bei Verkaufsausstellungen, Märkten, Festplätzen. So hat das AG München entschieden, dass die internationale Handwerksmesse nicht mit Freizeitveranstaltungen gleichzusetzen ist und so ein Widerrufsrecht des Verbrauchers nicht besteht.
Nicht eingeschlossen ist der Fall, dass der Unternehmer zunächst in die Wohnung des Verbrauchers kommt, um ohne jede Verpflichtung des Verbrauchers lediglich Maße aufzunehmen oder eine Schätzung vorzunehmen, und der Vertrag erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Geschäftsräumen des Unternehmers auf der Grundlage der Schätzung des Unternehmers abgeschlossen wird.
1.2.3 Abschluss auf organisierten Ausflügen
Um Direktvertriebsverträge handelt es sich, wenn diese Verträge anlässlich eines vom Unternehmer organisierten Ausflugs geschlossen werden. Dabei muss der Ausflug den Zweck haben, beim Verbraucher für den Verkauf von Waren oder der Erbringung von Dienstleistungen zu werben und entsprechende Verträge abzuschließen. Typisch sind z. B. Kaffeefahrten, Filmvorführungen, Modenschauen oder Unterhaltungsshows mit Werbeeinlagen und anschließendem Verkauf. Obiges gilt auch, wenn der Ausflug zu einem Geschäftsraum des Unternehmers führt, in dem die Verträge geschlossen werden, oder ein anderer Unternehmer den Ausflug organisiert als der Unternehmer, der die Waren oder Dienstleistungen anbietet. Eine Verbrauchermesse ist keine Freizeitveranstaltung i. S. des § 312 Abs. 1 Nr. 2 BGB a. F. Ein Vertrag, der mit einem Fitness-Studio nach Absolvierung eines Probetrainings geschlossen wird, ist keine Freizeitveranstaltung.
Die "Kaffeefahrt" ist unter den sog. "Wanderlagern" in § 56a GewO eingeordnet. § 56a GewO wurde durch das "Gesetz zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht" ab dem 28.5.2022 verschärft. Zum Schutz der Verbraucher ist nun grundsätzlich der Verkauf folgender Produkte bei "Kaffeefahrten" verboten:
- Verkauf von Finanzanlagen,
- Versicherungen,
- Bausparverträgen,
- Immobiliar-Verbraucherdarlehensverträge sowie entsprechende entgeltliche Finanzierungshilfen,
- Vertrieb von Medizinprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln.