2.1 Schwere des Dienstvergehens
Zunächst muss die Disziplinarbehörde klären, ob ein leichtes, ein mittelschweres oder ein schweres Dienstvergehen vorliegt.
Dabei sind folgende Faktoren zu berücksichtigen:
2.1.1 Das Persönlichkeitsbild des Beamten
Das Persönlichkeitskriterium ist das übergreifende Bemessungskriterium (§ 26 Abs. 1 Satz 2 LDG BW).
Beispielsfall: Unsorgfältige Prüfung eines Vertrages
Kreisbeamter K leitet das Liegenschaftsamt und ist dort für das "Vertragsmanagement" zuständig. Wie er weiß, benötigt der Kreis ein derzeit angemietetes Gebäude ab Ende 2010 nicht mehr. Den zugrundeliegenden Mietvertrag prüft er aber so unsorgfältig, dass er zu dem Ergebnis kommt, der Vertrag laufe automatisch zum Ende des Jahres 2010 aus, weil es im Vertrag heißt, das Mietverhältnis ende zum Ablauf des Jahres 2010. K übersieht, dass der Vertrag im darauffolgenden Satz eine Verlängerung des Mietverhältnisses um ein Jahr vorsieht, wenn nicht schriftlich zum Ende des Jahres 2010 gekündigt wird. K unterlässt die demnach notwendige Kündigung, so dass sich der Vertrag um ein Jahr verlängert ohne dass der Kreis für das angemietete Gebäude noch Verwendung hätte.
Für die Frage, ob hier ein leichtes, mittelschweres oder schweres Dienstvergehen vorliegt, muss auch auf das Persönlichkeitsbild des Beamten abgestellt werden – also insbesondere darauf, ob es sich bei dem Beamten "an sich" um einen gewissenhaften Staatsdiener handelt (also ein erstmaliger, exeptioneller "Ausrutscher" vorliegt) oder ob er generell als eher pflichtvergessener Beamter einzustufen ist.
2.1.2 Objektive Handlungsmerkmale
Hier spielt insbesondere die Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung eine Rolle (namentlich, ob es sich um die Verletzung einer Kern- oder einer Nebenpflicht handelt) sowie die besonderen Umstände der Pflichtverletzung (wie z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens).
Im vorgenannten Beispiel ist das Vertragsmanagement eine der Kernpflichten des Beamten, nämlich seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm übertragenen Aufgaben.
2.1.3 Subjektive Handlungsmerkmale
Hier ist vor allem auf Form und Gewicht des Verschuldens sowie auf die Beweggründe für das Verhalten des Beamten abzustellen.
Im vorgenannten Beispiel ist also bedeutsam, ob leichte, mittlere oder grobe Fahrlässigkeit gegeben ist. Dabei spielt auch eine Rolle, ob der Beamte absehen konnte, dass ein Fehlverhalten seinerseits zu einem großen Schaden führen kann: Je größer der (erkennbar) drohende Schaden, desto sorgfältiger muss der Beamte arbeiten.
2.1.4 Die unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens
Hier spielt eine Rolle, ob die Pflichtverletzung zu einem materiellen Schaden geführt hat (und ggf. in welcher Höhe).
Im vorgenannten Beispiel ist also bedeutsam, wie hoch der einjährige Mietzins ist, den der Kreis nunmehr nutzlos an den Vermieter zu zahlen hat – und ob ein Teil des Schadens von der Eigenschadensversicherung des Kreises getragen wird.
2.1.5 Grad des Vertrauensverlustes
Für den Verweis genügt es, wenn das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die künftige pflichtgemäße Amtsführung "nur geringfügig beeinträchtigt" ist. Für eine Geldbuße muss das Vertrauen "nicht nur geringfügig beeinträchtigt" sein. Für eine Kürzung der Bezüge muss das Vertrauen "erheblich beeinträchtigt" sein. Für eine Zurückstufung muss das Vertrauen "nachhaltig erschüttert" sein. Und für eine Entfernung aus dem Dienst muss der Beamte das Vertrauen in seine künftige pflichtgemäße Amtsführung "endgültig verloren" haben.
Die Frage, wie stark das Vertrauen beeinträchtigt ist und ob erwartet werden kann, dass der Beamte sich künftig wieder berufserforderlich verhalten wird, ist prognostisch zu beurteilen: Ist (angesichts der vorliegenden Dienstpflichtverletzung) zu erwarten, dass der Beamte sich künftig wieder so verhalten wird, wie es von ihm als berufserforderlich erwartet wird? Oder gibt es Anzeichen dafür, dass er eine solche (oder eine ähnliche) Dienstpflichtverletzung in der Zukunft erneut begehen wird?
Dabei kommt es aber nicht auf eine rein subjektive Einschätzung des Dienstherrn an, sondern auf objektive Gesichtspunkte. Abzustellen ist dabei insbesondere auf:
das Persönlichkeitsbild des Beamten
Denn § 26 Abs. 1 Satz 2 LDG BW nennt dieses Merkmal als übergreifendes Bemessungskriterium.
auf alle be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls.
Dabei darf auch das Nachtatverhalten des Beamten gewürdigt werden – also, ob der Beamte sich reuig zeigt. Bekundet der Beamte, seinen Fehler einzusehen, kann dies das Vertrauen des Dienstherrn in die künftig korrekte Amtsführung bestärken.
Die Rechtsprechung hat, speziell für sogenannte Zugriffsdelikte anerkannte Milderungsgründe (sowie Erschwerungsgründe) entwickelt, die aber entsprechend auch bei allen anderen Dienstvergehen herangezogen werden können, um eine Indizwirkung, die von der Schwere des Dienstvergehens ausgeht und die grds. Rückschlüsse auf das Vertrauen in die künftige pflichtgemäße Amtsführung zulässt, wieder zu entkräften. Vgl. hierzu die obigen Ausführu...