Die Bestimmungen des Selbstbestimmungsgesetzes eröffnen Betroffenen zunächst ganz persönliche Handlungsmöglichkeiten und erleichtern die Zugänge zu einem selbstbestimmteren Leben mit für sie richtigen Vornamen und Eintrag im Personenstandsregister. Neben diesen persönlichen Auswirkungen auf die Lebensgestaltung und -qualität ergeben sich mithin auch unmittelbare arbeitsrechtliche und organisatorische Konsequenzen. Neben den Bestimmungen des neuen SBGG müssen Arbeitgebende aber vor allem weiterhin den bisherigen Vorgaben des AGG gerecht werden und sicherstellen, dass Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund der Geschlechtsidentität unterbunden wird. Im Folgenden soll auf die wichtigsten Praxisaspekte eingegangen werden, um HR-Verantwortliche und Arbeitgebende optimal auf die Änderungen vorzubereiten.
2.3.1 Änderungen in Arbeitsverträgen und Personalakten
Für Arbeitgebende bedeutet das neue Gesetz vor allem eine Pflicht zur schnellen und unbürokratischen Anpassung der Arbeitsverträge, der Personalakten und internen Systeme, wie z. B. Intranet und Reise-Abrechnungsportale, sowie in Zusammenarbeit mit externen Dienstleistenden, sobald Mitarbeitende ihren Namen und Geschlechtseintrag ändern und die Berichtigung verlangen. Arbeitgebende und die Belegschaft sind verpflichtet, den neuen Namen und das geänderte Geschlecht in allen künftig auszustellenden rechtlich relevanten Dokumenten, wie Arbeitsverträgen, Zeugnissen und Personalakten, zu verwenden. Die bisherigen Einträge und eingereichten Dokumente bleiben indes erhalten. Dabei müssen die Daten in der Art entsprechend angepasst werden, dass Informationen über den vorherigen Namen oder das vorherige Geschlecht nicht zugänglich sind.
2.3.2 Datenschutz und Privatsphäre
Informationen über die vorherige Geschlechtszuordnung oder den alten Vornamen müssen streng vertraulich behandelt werden. Arbeitgebende dürfen diese Daten nicht ohne die ausdrückliche Zustimmung der betroffenen Person offenlegen, dies gilt auch intern im Unternehmen. Der Schutz von personenbezogenen Daten, insbesondere von Informationen über frühere Geschlechtseinträge und Vornamen, ist auch eine zwingende rechtliche Verpflichtung gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Arbeitgebende müssen sicherstellen, dass diese Informationen streng vertraulich behandelt werden und nur von den betroffenen Personen selbst offenbart werden dürfen. Unternehmen sind dementsprechend verpflichtet, ihre Datenschutzrichtlinien gemäß der DSGVO anzupassen.
2.3.3 Anerkennung des geänderten Vornamens und Geschlechts in der individuellen Anrede und Kommunikation
Mitarbeitende haben das Recht, mit ihrem Vornamen und entsprechend ihrem neuen Geschlecht angesprochen zu werden. Ein generelles Verbot des sogenannten "Misgenderns" oder "Dead-Namings", sofern es nicht den Begriff des "Offenbarens" erfüllt und keine beweisbare Schädigungsabsicht vorliegt, ist im SBGG nicht ausdrücklich normiert. Der Anspruch auf eine korrekte Anrede ergibt sich aber bereits aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht i. V. m. dem Gleichbehandlungsgrundsatz und dem Benachteiligungsverbot des § 19 AGG. Arbeitgebende sollten daher auch in der schriftlichen und mündlichen Kommunikation auf eine inklusive individuelle Ansprache achten.
Information einholen
Im Zweifel immer direkt nach der eigenen Selbstbestimmung fragen: "Wie möchtest du angesprochen werden? Wie darf/soll ich dich ansprechen?" Das gilt am besten für alle Mitarbeitenden.
Offenbarungsverbot auch im Team
Arbeitgebende sollten ihr Team für das Offenbarungsverbot sensibilisieren und darauf achten, dass diese nicht ohne Zustimmung der betroffenen Personen beispielsweise neuen Teammitgliedern gegenüber von dem abgelegten Namen und Geschlechtseintrags berichten.
2.3.4 Verhinderung von Diskriminierung im Arbeitsumfeld
Arbeitgebende müssen sicherstellen, dass transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und non-binäre Mitarbeitende nicht aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert werden. Dies umfasst auch den Schutz vor Mobbing oder unangebrachten Fragen zur Geschlechtsidentität. Dieses Erfordernis erfolgt auch bereits aus § 12 AGG.
2.3.5 Schutz bei der Personalgewinnung
Bewerbende dürfen nicht aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität benachteiligt werden. Es muss sichergestellt werden, dass dies im ganzen Bewerbungsprozess (durch inklusive Stellenausschreibungen, Bewerbungsportale, Assessmentprozesse, Interviews sowie ein inklusives Zusage-/Absagemanagement) gewährleistet wird.
2.3.6 Umgang mit geschlechtergetrennten Räumen
Unternehmen sind verpflichtet, allen Mitarbeitenden Zugang zu für sie notwendigen Räumen, wie Toiletten und Umkleideräumen, zu gewährleisten. Eine rechtliche Pflicht zur Einrichtung von geschlechterneutralen Optionen gibt es bisher nicht explizit. Eine grundrechtskonforme Auslegung beispielsweise der Arbeitsstättenverordnung gebietet aber jedenfalls, dass Unternehmen sicherstellen müssen, dass es für die gesamte Belegschaft angemessene Optionen hierfür gibt.
2.3.7 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und Krankenkassen
Arbeitgebende sind rechtlich verpflichtet, Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu akzeptieren und zu verarbeiten, unabhängig vom Geschlechtseintrag der Mitarbeitenden. Dies schließt auch Fälle ein, in denen geschlechtsspezifische Gesundheitsfragen auftreten, wie z. B. Schwangerschaft oder hormonelle Behandlungen. Die Gewährleistung zum ...