Ewald Dötsch, Alexandra Pung
18.2.2.1 Allgemeines; das EuGH-Urteil in der Rs Marks & Spencer
Tz. 1630
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
In den letzten Jahren sind, angestoßen durch das gegen GB gerichtete EuGH-Verfahren Marks & Spencer (s Urt des EuGH v 13.12.2005, DB 2005, 2788, mit Anm Kleinert/Nagler), die Forderungen nach einer grenzüberschreitenden Berücksichtigung von Verlusten EU-/EWR-ausl TG bei der inl MG lauter geworden. Obwohl der EuGH im Grundsatz eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit wegen überwiegender Gemeinwohlinteressen (Aufteilung der Besteuerungsrechte nach den DBA) akzeptiert hat (s Tz 1620ff), sieht er bei definitiven Verlusten einer EU-/EWR-ausl TG die vollständige Versagung des Verlustabzugs als unangemessen an.
Der EuGH hat entschieden, dass GB als Ansässigkeitsstaat der MG gegen Art 43 EGV (jetzt: Art 49 AEUV) verstoßen hat, weil das britische StR zwar im nationalen Bereich die Saldierung der Gewinne und Verluste innerhalb eines Konsolidierungskreises zulässt, Verluste EU-ausl TG jedoch nicht zur Verrechnung mit Gewinnen der MG zulässt. Nach den Ausführungen des EuGH ist der Staat der MG nicht gezwungen, alle Verluste der EU/EWR-ausl TG bereits in deren Entstehungsjahr zur Verrechnung mit Gewinnen der MG zuzulassen. Wohl aber muss der Staat der MG, wenn entspr Regelungen für Inl-Verluste bestehen, solche Verluste EU-ausl TG zum Abzug zulassen, bei denen feststeht, dass sie im ausl Staat der TG definitiv weder als Verlustrücktrag, Verlustausgleich und Verlustvortrag noch durch Übertragung auf ein anderes ausl St-Subjekt genutzt werden können. Nach der EuGH-Entsch muss es damit wie bei inl Organschaftsverhältnissen zur einmaligen Verlustnutzung kommen. Der EuGH betont aber auch ausdrücklich, dass grenzüberschreitende Konzernsachverhalte nicht durch eine doppelte Verlustnutzung in zwei Staaten privilegiert werden dürfen.
Tz. 1631
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
In einem späteren Urt (s Urt des EuGH v 03.02.2015, DStR 2015, 337, sog Marks & Spencer II; dazu auch s Urt-Anm Müller, ISR 2015, 139, 140) musste sich der EuGH infolge einer gegen GB gerichteten Klage der EU-Kommission nochmals mit den (zwischenzeitlich geänderten) britischen Regeln zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung bei Konzernen befassen. Mit dem Finance Act 2006 sind die britischen Regelungen zum sog Group Relief wie folgt an das Urt des EuGH v 13.12.2005 angepasst worden: Ein grenzüberschreitender Verlustabzug ist möglich, wenn die Gesellschaft im anderen Vertragsstaat alle Verlustnutzungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat und zukünftig keine Möglichkeit mehr besteht, die Verluste in diesem Vertragsstaat zu nutzen. Die Feststellung, ob eine Verlustnutzung in der Zukunft möglich ist, muss allerdings bereits unmittelbar am Ende des Besteuerungszeitraums erfolgen, in dem die Verluste entstanden sind. Der Antrag auf Konzernabzug ist dann innerhalb von zwei Jahren ab Ende des Besteuerungszeitraums zu stellen.
In einer Vertragsverletzungsklage bemängelt die EU-Kommission, dass die britische Neuregelung zu restriktiv sei. Das geänderte britische Recht erlaubt nämlich die grenzüberschreitende Berücksichtigung definitiver Verluste ausl TG iRd Besteuerung der britischen MG nur unter derart engen Voraussetzungen, dass ein grenzüberschreitender Verlustabzug praktisch unmöglich bzw nur sehr eingeschr möglich ist (so auch s Linn/Oumar, IWB 2015, 259). Insbes muss das Unternehmen bereits unmittelbar nach Ablauf des Wj der Verlustentstehung den Nachw erbringen, dass es sich um einen finalen Verlust handelt.
Nach Auff des EuGH verstößt eine solche nationale Regelung nicht gegen EU-Recht. Nicht gefolgt ist der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott, die die Aufgabe der Marks & Spencer-Ausnahme vorgeschlagen hat (s IStR 2014, 855, mit Anm Benecke/Staats).
Tz. 1632
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Im Schrifttum mehren sich die Stimmen derer, die unter Berufung auf das Urt des EuGH in der Rs Marks & Spencer (s Urt des EuGH v 13.12.2005, DB 2005, 2788, sog Marks & Spencer II) sowie auf die EuGH- und BFH-Urt zu Verlusten ausl BetrSt (dazu s Tz 1646ff) eine stliche Gleichbehandlung von Verlusten ausl BetrSt und ausl TG fordern, und zwar idS, dass Verluste, die in dem Staat der BetrSt bzw der TG definitiv nicht mehr nutzbar sind, beim inl Stammhaus bzw bei der inl MG abgezogen werden können (s Graw, DB 2010, 2469; s Witt, Ubg 2010, 737 und s Panzer/Gebert, IStR 2010, 781 und s Schönfeld, IStR 2012, 368). Hierzu jedoch s Urt des EuGH v 25.02.2010 (IStR 2010, 213) in der Rs X-Holding BV. Danach befinden sich ausl TG und ausl BetrSt hinsichtlich des Rechtfertigungsanspruchs der Aufteilung von Besteuerungsrechten nicht in der gleichen Situation.
Tz. 1633–1635
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
vorläufig frei
18.2.2.2 Zurechnung laufender Verluste einer EU-/EWR-ausländischen Tochtergesellschaft vom EuGH abgelehnt
Tz. 1636
Stand: EL 114 – ET: 06/2024
Klarheit dürfte inzwischen in der Frage bestehen, dass es nicht gegen EU-Recht verstößt, wenn der Ansässigkeitsstaat der Konzernobergesellschaft es ablehnt, lfd Verluste EU-ausl TG zum Abzug zuzulassen. Dies hat der EuGH in zwei Urt entschieden (dazu auch s Schwenke, Ubg 2010, 325).
Das erste Verfahren betrifft di...