Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 207
Stand: EL 76 – ET: 12/2012
Für die hier interessierenden Fälle der St-Entstrickung kommt dem Verständnis vom Umfang des in § 4 Abs 1 S 2 EStG verwandten Betriebsbegriffs eine entscheidende Bedeutung zu. Bedeutung hat der Betriebsbegriff nicht nur für die Beurteilung des Vorliegens eines Gewinnrealisationstatbestands als solches, sondern auch für die Beantwortung der Frage, ob bei einem KStpfl Entnahmen iSd § 4 Abs 1 S 2 EStG gegeben sein können. Für die Beurteilung des Begriffs Betrieb iSd finalen Entnahmetheorie soll im Folgenden zwischen inl und ausl Stammhäusern (dh zwischen unbeschr und beschr StPflicht) differenziert werden.
2.2.1.1 Unbeschränkte Steuerpflicht
Tz. 208
Stand: EL 76 – ET: 12/2012
Der BFH hat – da der Gesetzeszweck der Entnahme die Gewährleistung der Erfassung der stillen Reserven sei (s Tz 206) – uE den sog weiten Betriebsbegriff für maßgeblich erklärt (zB s Urt des BFH v 17.08.1972, BStBl II 1972, 903, und v 14.06.1988, BStBl II 1989, 187). Nach diesem Verständnis des Betriebsbegriffs bilden mehrere Betriebe eines Stpfl für die Frage des Vorliegens einer Entnahme eine Einheit mit der Folge, dass durch die Überführung eines WG aus dem einen in den anderen Betrieb desselben Stpfl keine Verwendung für "betriebsfremde Zwecke" vorliegen würde.
Eine andere Auff geht von einer variablen Interpretation des Betriebsbegriffs durch den BFH in Abhängigkeit des Schicksals der stillen Reserven aus – sog variabler Betriebsbegriff (s Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von WG zwischen Stammhaus und BetrSt, 66). Diese Auff berücksichtigt uE jedoch nicht ausreichend den Stand der damaligen Diskussion zur Wirkung der (eingeschränkten) Selbständigkeitsfiktion in Art 7 Abs 2 OECD-MA 2008 auf den BV-Vergleich (s Tz 210; s Salditt, Verlagerung von WG in die ausl BetrSt eines einheitlichen Unternehmens, 36ff; s Hemmelrath, Die Ermittlung des BetrSt-Gewinns im internationalen StR, 165ff).
Tz. 209
Stand: EL 76 – ET: 12/2012
Der Gesetzgeber scheint, wie die Einfügung des § 6 Abs 5 EStG idF des StEntlG 1999/2000/2002 (BGBl I 1999, 402; BStBl I 1999, 304) zeigte, von dem sog engen Betriebsbegriff auszugehen (s Meurer, in Lademann, EStG, § 4 Rn 343). Die Fin-Verw ging (s Uelner, IDW-Fachtagung 1980, 131, 139) und geht anscheinend ebenfalls von dem engen Betriebsbegriff in § 4 Abs 1 EStG aus (s Rn 3 des Schr des BMF v 04.07.2008, BStBl I 2008, 718). Nach dieser Auff ist jeder Betrieb des Stpfl als selbständiger Betrieb anzusehen, unabhängig davon, ob die einzelnen Betriebe zu derselben oder zu verschiedenen Eink-Arten gehören.
Dieses Verständnis des Betriebsbegriffs ist uE überzeugend, denn in § 4 Abs 1 EStG geht es nicht um die Ermittlung des Gesamtbetrags der Eink aus Gew iSd § 15 EStG eines Stpfl, sondern um die Gewinnermittlung für einen konkreten Bereich, abgegrenzt durch das zu diesem Bereich gehörende BV (s Knobbe-Keuk, Bil- und Unternehmens-StR, 273; s Liebchen, Beteiligungen an ausl Pers-Ges, 299 mwN). Unterhält ein Stpfl mehrere Betriebe, dann ist die Überführung von WG aus einem Betrieb für Zwecke eines anderen Betriebs desselben Stpfl grds als Verwendung für "betriebsfremde Zwecke" zu beurteilen.
Ist danach der Entnahmetatbestand des § 4 Abs 1 S 2 EStG erfüllt, hat im Grundsatz eine Besteuerung stiller Reserven zu erfolgen, es sei denn, von dieser Rechtsfolge kann abgesehen werden, weil die spätere stliche Erfassung der stillen Reserven gewährleistet ist (zB s § 6 Abs 5 EStG).
Tz. 210
Stand: EL 76 – ET: 12/2012
Für die Überführung eines WG eines inl Stammhauses in dessen ausl BetrSt stellt sich – ungeachtet, ob § 4 Abs 1 S 2 EStG ein weiter oder enger Betriebsbegriff zugrunde gelegt wird – zunächst die bedeutsame Frage, inwieweit hier eine Überführung in einen anderen Betrieb desselben Stpfl stattfindet. Nur in diesem Fall kann eine gewinnrealisierende Entnahme vorliegen bzw nur für diesen Fall kann das Erfordernis der Sicherstellung der stlichen Erfassung stiller Reserven überhaupt von Relevanz sein.
Soweit ersichtlich, hat der BFH unter Berücksichtigung des Urt des RFH v 21.10.1936 (RStBl 1937, 424; s Urt des BFH v 16.07.1969, BStBl II 1970, 175, und v 30.05.1972, BStBl II 1972, 780) eine Entnahme in den Fällen der Überführung in eine ausl BetrSt bejaht, wenn die Gewinne der BetrSt nach einem DBA von der inl St-Bemessungsgrundlage auszunehmen sind. Nach der Rspr des RFH wird bei Überführung eines WG in eine ausl DBA-BetrSt "ein bestimmtes WG samt seinen Erträgen von der Besteuerung ausgenommen. Dann bleiben nicht nur die Früchte dieses WG stfrei, sondern das WG scheidet auch selbst aus dem Vermögensvergleich aus; es gilt stlich als nicht vorhanden" (s Urt des RFH v 14.12.1937, RStBl 1938, 67; zur Rspr des RFH s Vogel, DB 1961, 685, 688). Der BFH ging in seiner bisherigen Rspr zur finalen Entnahmetheorie offensichtlich davon aus, dass es sich bei der Überführung eines WG eines inl Stammhauses in dessen ausl DBA-Freistellungs-BetrSt – also bei Übergang in die "nicht stpfl Sphäre" – um die Überführung in einen anderen Betrieb desselbe...