Joachim Patt, Fabian Bernhagen
2.2.2.4.1 Allgemeines
Tz. 43
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Das einer Veräußerung in § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG gleichgestellte und damit "sperrfritschädliche" Ereignis enthält drei Sachverhalte. Die rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns wird ausgelöst durch Fälle der Liquidation mit Abwicklung, der Auskehrung iRd Kap-Herabsetzung oder der Rückzahlungen aus dem Einlagekto bei der Kap-Ges/Gen, an der die sperrfristverhafeten Anteile bestehen (vergleichbar der Vorgängerregelung in § 21 Abs 2 Nr 3 UmwStG aF). Die Regelung korrespondiert mit einer entspr Bestimmung in § 17 Abs 4 EStG, bei der hinsichtlich der nach § 17 Abs 1 EStG st-verstrickten Anteile die in § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG aufgezählten Vorgänge ebenfalls einer Veräußerung der Anteile gleichgestellt werden.
Die der Realisationsvorschrift von § 21 Abs 2 S 1 Nr 3 UmwStG aF entlehnten Ersatztatbestände in § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG werden im Schrifttum deutlich kritisiert. Anders als bei der Anteilsveräußerung nach § 21 UmwStG aF, die die Sicherstellung der Besteuerung stiller Reserven der Anteile im Zeitpunkt der Ersatztatbestände zum Ziel haben, dienen die Ersatztatbestände für Zwecke des § 22 Abs 1 UmwStG nur als "Auslöser" der nachträglichen Neubeurteilung der Einbringung unter Missbrauchsverhinderungsgedanken (s Tz 1a) ohne Ansehen des stlichen Ergebnisses aus den Ersatztatbeständen selbst. Nach dem neuen System ergibt sich bei Durchführung einer Kap-Rückzahlung/Einlagerückgewähr ein Anteilsveräußerungsgewinn oder Dividendeneinkünfte aus allg einzel-st-ges Vorschriften (s §§ 17 Abs 4, 21 Abs 1 Nr 1 EStG). Daher sei die Vorschrift des § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG im Kontext von § 22 UmwStG unsystematisch, unsachlich und führe zu einer überschießenden Wirkung; tw wird eine ersatzlose Streichung des § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG gefordert (zB s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 171 mwNachw; s Widmann, in W/M, § 22 UmwStG Rn 65; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 353; s Rödder/Stangl, Ubg 2008, 39).
2.2.2.4.2 Liquidation
Tz. 44
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Die Auflösung und Abwicklung der Kap-Ges oder Gen, an der die erhaltenen Anteile bestehen, führt zum Untergang der Anteile. Dieser Vorgang wird der Veräußerung iSd § 22 Abs 1 S 1 UmwStG gleichgestellt. Nach der Begründung des Ges-Gebers wird durch die Regelung auch sichergestellt, dass bei erhaltenen Anteilen an einer ausl Kap-Ges mit inl BetrSt im Zeitpunkt der Liquidation "eine systemkonforme Besteuerung erfolgt" (s BT-Drs 16/3369, 29). Die Auflöung alleine ist (noch) sperrfristunschädlich (ebenso s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 65; s Stangl, in R/H/vL, 3. Aufl, § 22 UmwStG Rn 354). Zu den Auflösungsgründen s § 11 KStG Tz 13–20.
Die Abwicklung folgt regelmäßig der Auflösung und beendet die normale Geschäftstätigkeit; das BV wird verwertet und Schulden werden getilgt (s § 11 KStG Tz 21ff). Die Auflösung mit anschließender Abwicklung der Gesellschaft, führt zur Versteuerung eines Einbringungsgewinns I, wenn die Liquidation innerhalb der Sieben-Jahres-Frist (s Tz 19) erfolgt. Es muss im Hinblick auf die anderen Ersatztatbestände des § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG, die alle eine Auskehrung an den AE fordern, die Liquidation innerhalb der Sperrfrist so weit abgeschlossen sein, dass ein Schlussverteilungsanspruch besteht (ebenso s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 87). Dies gilt unabhängig davon, wer bei Schlussverteilung Gesellschafter der Kap-Ges ist (s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.24). Der Einbringungsgewinn entsteht in voller Höhe (ebenso s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 65; s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.24).
Ob (und ggf in welcher Höhe) durch die Auflösung und Abwicklung selbst beim AE ein Gewinn entsteht, ist für die Anwendung des § 22 Abs 1 S 1 UmwStG irrelevant (s Tz 39a). Wie auch bei der Veräußerung als sperrfristverletzender Vorgang nach § 22 Abs 1 S 1 UmwStG dies gilt auch, wenn die vorhandenen Mittel nicht zur Rückzahlung des vollen Stamm-/Grundkap ausreichen und somit stlich ein Verlust erzielt wird (ebenso s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 172; s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.24 unter Abs 1).
Tz. 44a
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer inl Kap-Ges/Gen erfüllt nur dann den Tatbestand des § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG, wenn diese als Auflösung gilt (s § 11 KStG Tz 20) und zudem mit einer Abwicklung verbunden ist (s Bilitewski, in H/M/B, 5. Aufl, § 22 UmwStG Rn 172; s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 85; ebenso Hinw auf § 12 Abs 3 KStG; aufgehoben ab VZ 2022). Zur Anwendnung von § 22 Abs 1 S 6 Nr 6 UmwStG in den Fällen der Sitzverlegung der Übernehmerin s Tz 49c.
Das Insolvenzverfahren erfüllt mangels Abwicklung (s § 11 Abs 7 KStG) nicht den Tatbestand des § 22 Abs 1 S 6 Nr 3 UmwStG (s UmwSt-Erl 2011 Rn 22.24; ebenso die allg Meinung, zB s Schmitt, in S/H, 9. Aufl, § 22 UmwStG Rn 87 mwNachw; s Nitzschke, in Brandis/Heuermann, § 22 UmwStG 2006 Rn 65).
Tz. 45
Stand: EL 110 – ET: 06/2023
Wird die übernehmende Gesellschaft, an der die Anteile b...