Tz. 78
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Den Begriff "verhinderte Vermögensmehrung" hat der BFH im Jahre 1989 im Zusammenhang mit der Neudefinition der vGA eingeführt (s Urt des BFH v 01.02.1989, BStBl II 1989, 471). Er wird seitdem in ständiger Rspr innerhalb der Definition der vGA verwendet. Zuvor bezeichnete der BFH die verhinderte Vermögensmehrung schlicht als den "entgangenen Gewinn" (Döllerer, vGA und verdeckte Einlagen bei Kap-Ges, 2. Aufl 1990, 30).
Negatives Kennzeichen der verhinderten Vermögensmehrung und Unterscheidungsmerkmal gegenüber anderen Formen der vGA ist, dass weder ihr "Zugang" (= "Solleinnahme" bzw Gewinnerhöhung) noch ihr Abfluss bilanziell erfassbar ist. Verkauft eine Gesellschaft Waren an ihren Gesellschafter zum Bw, obwohl sie am Markt einen höheren Preis (= Fremdvergleichspreis) hätte erzielen können, dann können zwar der tats gezahlte Kaufpreis und der buchmäßige Abgang der Ware bilanziell erfasst werden. VGA ist jedoch weder das Entstehen der vereinbarten Kaufpreisforderung noch die Übertragung der Ware auf den Gesellschafter zu Eigentum. VGA ist vielmehr die Nichtentstehung einer angemessenen Kaufpreisforderung (= Fremdvergleichspreis). Sie wird in dem Augenblick realisiert, in dem eine in angemessener Höhe vereinbarte Kaufpreisforderung hätte aktiviert werden müssen. Da eine nicht entstandene Forderung nicht aktiviert werden kann, können verhinderte Vermögensmehrungen nicht innerhalb der H-Bil und/oder St-Bil dargestellt werden. Sie müssen außerhalb der St-Bil dem Unterschiedsbetrag iSd § 4 Abs 1 S 1 EStG hinzugerechnet werden (s Urt des BFH v 29.06.1994, BStBl II 2002, 366).
Tz. 79
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Eine verhinderte Vermögensmehrung hat sich tats also nicht auf die St-Bil ausgewirkt ("negative Größe des Gewinnverzichts"; s Gosch, § 8 KStG Rn 253). Die bilanzielle Auswirkung einer verhinderten Vermögensmehrung besteht nur in ihrer "Nicht-Auswirkung". Man könnte deshalb Zweifel haben, ob die verhinderte Vermögensmehrung als Grundlage einer vGA eine Rechtsgrundlage hat. Es könnte sich nämlich um die (eigentlich unzulässige) Besteuerung eines "Soll-Gewinns" handeln. Der verhinderten Vermögensmehrung liegt – anders als bei der Vermögensminderung – kein tats Ausschüttungsvolumen zugrunde. Dieses Volumen wird erst durch die (außerbilanzielle) Hinzurechnung auf der 2. Stufe geschaffen. Die Hinzurechnung ist damit gleichzeitig Tatbestandsvoraussetzung und Rechtsfolge des § 8 Abs 3 S 2 KStG. In der Lit wird deshalb eine gelegentliche Schließung dieser Gesetzeslücke angeregt; s Gosch, § 8 KStG Rn 254; auch s Fleischer, DStR 1999, 1249; demgegenüber Wassermeyer in FS Welf Müller, 2001, 397, 402ff, und s DB 2003, 1616, s Kohlhepp in Schn/F, KStG, § 8 Rn 336, und s Frotscher, Anh zu § 8 KStG Rn 70, die keine Gesetzeslücke sehen. UE ist Wassermeyer zu folgen; die Hinzurechnung kann nicht als Tatbestandsvoraussetzung angesehen werden. Das Merkmal der verhinderten Vermögensmehrung setzt keine Ausschüttung voraus; es geht bei diesem Merkmal nur darum, dass das Vermögen der Kö niedriger ist als bei Vereinbarung eines angemessenen Entgelts für eine Leistung der Kö. Im Übrigen ist auch das Merkmal der Vorteilsgeneigtheit gegeben (dazu s Tz 153ff); beim Gesellschafter wird dadurch ein sonstiger Bezug ausgelöst, dass er eine Leistung zu einem verbilligten Entgelt erhält. Dadurch ist der "Ausschüttungskomponente" der vGA Genüge getan. Sie sollte nicht zusätzlich in das Merkmal der verhinderten Vermögensmehrung hineininterpretiert werden. Gegenüber einem fremden Vertragspartner hätte der Gesellschafter ein angemessenes (und damit höheres) Entgelt entrichten müssen (was wohl Wilk in s HHR, § 8 KStG Rn 110, dazu veranlasst, die Fiktionstheorie als "Denkhilfe" für die Beurteilung verhinderter Vermögensmehrungen zu sehen; uE ist dies aber weder zutr noch notwendig). Der Vorteil auf AE-Ebene besteht also in ersparten Aufwendungen. Jedenfalls hat auch der BFH in seiner neueren ständigen Rspr die Begriffe Vermögensminderung und verhinderte Vermögensmehrung jeweils gleichwertig nebeneinander verwandt; zB s Urt des BFH v 29.04.2008, DB 2008, 1777.
Tz. 80
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Eine verhinderte Vermögensmehrung besteht in ihrem Kern in einem "Verzicht" der Gesellschaft auf Erzielung bestimmter BE. Der Verzicht wirkt dabei in dem Sinne zu Gunsten eines Gesellschafters wirkt, dass dieser entweder eigene Aufwendungen erspart, die er ohne die vGA an die Gesellschaft hätte entrichten müssen, oder aber selbst die Einnahmen erzielt. Beim Gesellschafter tritt die Vermögensmehrung also entweder in der Form tats erzielter Einnahmen oder in der Form ersparter Aufwendungen in Erscheinung. Sie ist bilanziell fassbar, wenn und soweit der Gesellschafter seine Eink durch Bilanzierung ermittelt. Bei der Gesellschaft stellt sie sich dagegen als eine "nicht realisierte Geschäftschance" dar, die in der Bil nicht unmittelbar in Erscheinung tritt. Sie ergibt sich nur aus dem Vergleich zwischen dem St-Bil-Gewinn lt tats verwirklicht...