Tz. 96
Stand: EL 73 – ET: 12/2011
Die Entwicklungen im nationalen – insbes aber im europäischen – Gesellschafts- und St-Recht veranlassten den Gesetzgeber zu einer grundlegenden Überarbeitung des UmwSt-Rechts durch das Gesetz über stliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer stlicher Vorschriften v 07.12.2006 (sog SEStEG, BGBl I 2006, 2782). Neben der stlichen Einführung der SE dient das Gesetz in erster Linie der Umsetzung der FRL in nationales Recht. Ferner beabsichtigte der Gesetzgeber lt Ges-Begr neben einer Erhöhung der Attraktivität des Standorts D eine konsequente Sicherung dt Besteuerungsrechte und eine Vereinfachung des StR (s BR-Drs 542/06, 1).
Tz. 97
Stand: EL 85 – ET: 12/2015
Vor der Neuregelung durch das SEStEG hatte der Gesetzgeber die Vorgaben der FRL nur hinsichtlich der Einbringung von Unternehmensteilen und des Austauschs von Anteilen in nationales Recht umgesetzt (s § 23 UmwStG aF). Mit der SE-VO und der Verschmelzungs-R (R 2005/56/EG v 26.10.2005, ABl EG NrL 310, 1) wurden die Möglichkeit zu grenzüberschreitenden Umwandlungen innerhalb der EU und des EWR dann erweitert. Die Verschmelzungs-R wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG (Gesetz v 19.04.2007, BGBl 2007, 542) in das dt Recht übernommen (s § 122a UmwG). Hinzu kamen Entsch des EuGH (SEVIC Systems: s Urt v 13.12.2005, GmbHR 2006, 140; Centros: s Urt v 09.03.1999, NJW 1999, 2027; Überseering: s Urt v 05.11.2002, NJW 2002, 3614; Inspire Art: s Urt v 30.09.2003, ZIP 2003, 1885 und Cartesio: s Urt v 16.12.2008, NJW 2009, 569; Vale: s Urt v 12.07.2012, NJW 2012, 2715), die ebenfalls zu einer Erweiterung der gesellschaftsrechtlichen Möglichkeiten grenzüberschreitender Umwandlungen führten. Seither sind neben den sich unmittelbar aus europäischen Rechtsquellen ergebenden Maßnahmen zur Gründung einer SE oder SCE nunmehr innerhalb bestimmter Grenzen auch aus den nationalen Rechtsordnungen heraus grenzüberschreitende Umwandlungen denkbar. Zu den gesellschaftsrechtlichen Entwicklungen im Übrigen als Ausgangspunkt des SEStEG s Tz 9 ff.
Tz. 98
Stand: EL 85 – ET: 12/2015
Die stliche Grundlage für das SEStEG bildet – wie bereits erwähnt – die FRL. Die für die Änderung des UmwStG maßgeblichen Vorgaben enthielt allerdings bereits die R 90/434/EWG v 23.07.1990 (ABl EG NrL 225, 1). Diese Fassung der FRL wurde durch die R 2005/19/EG v 17.02.2005 nur erweitert (ABl EG Nr L 058, 19 jetzt R 2009/133/EG v 19.10.2009, ABl EG L 310, 34). Neben der Aufnahme weiterer Gesellschaften in den Anh wurde die R auf transparente Gesellschaften ausgedehnt. Hinzu kamen insbes weitere nationale (zB Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften) sowie supranationale Rechtsformen (zB SE und SCE) und sonstige Kö-Subjekte (zB BgA). Zusätzlich geschützt werden die Sitzverlegung einer SE bzw einer SCE, die Abspaltung und die Umwandlung einer Zweigniederlassung in eine TG. Der Vorgang des Austauschs von Anteilen wurde um den Hinzuerwerb von Anteilen bei bereits bestehender Mehrheitsbeteiligung ergänzt. Klarstellend wurden der Anwendungsbereich der R für die Umwandlung einer Zweigniederlassung in eine TG geöffnet sowie die Anwendung der R in Bezug zu Drittstaatsgesellschaftern beim Anteilstausch geklärt.
Tz. 99
Stand: EL 85 – ET: 12/2015
Dieser gesetzgeberische Anlass für das SEStEG hat insbes für dessen Auslegung Bedeutung. In seiner inzwischen gefestigten Rspr nimmt der EuGH für sich eine zentrale Auslegungskompetenz für Normen des nationalen Rechts in Anspruch, die der Umsetzung von EU-Recht – und damit auch von Rechtsvorschriften des Sekundärrechts – dienen. Diese zentrale Auslegungskompetenz erstreckt er in bestimmten Fällen auch auf Normen, die nicht unmittelbar der Umsetzung von R dienen (etwa weil das nationale Recht auf eine Vorschrift des Gemeinschaftsrechts verweist, um eine entsprechende Regelung auch für interne Vorgänge zu schaffen). Der EuGH beruft sich dabei auf ein gemeinschaftsrechtliches Interesse an einer einheitlichen Auslegung von EU-Recht (str; s Hahn, in Lademann, § 1 UmwStG Rn 12; s Hahn, in Reform des UmwSt-Rechts, Rn 760 mwNachw zum Streitstand).
Diese Grundsätze der EuGH-Rspr gelten innerhalb bestimmter Grenzen auch für das SEStEG, da dieses Gesetz auch der Umsetzung von EU-Recht diente. Allerdings hat sich der Gesetzgeber in bestimmten Bereichen auch von den EU-rechtlichen Vorgaben distanziert. Dies tat er im UmwStG etwa dadurch, dass er im Zuge der Bestimmung des Anwendungsbereichs in § 1 UmwStG bewusst nicht auf die Begriffsbestimmungen des Art 2 FRL zurückgriff, sondern sich der Begriffe des nationalen Umwandlungsrechts bediente. Allein auf diese erstreckt sich auch die Vergleichbarkeitsprüfung des § 1 UmwStG; s § 1 UmwStG Tz 86ff. Zu einer zentralen Auslegungskompetenz des EuGH kann es an dieser Stelle daher nur mittelbar über das Gesellschaftsrecht kommen, sofern dieses ebenfalls der Umsetzung unionsrechtlichen R-Rechts dient; das UmwStG idF des SEStEG vermag die Auslegungskompetenz des EuGH insowei...