Tz. 169
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Während in der Zeit vor der KSt-Reform 1977 idR noch nicht strikt zwischen der Erfassung von vGA bei der Einkommensermittlung (s § 8 KStG) und dem Abfluss der Vorteilszuwendung (Einkommensverwendung) unterschieden wurde (im Einzelnen s Urt des BFH v 09.08.1989, BStBl II 1990, 237), führten die Regelungen zum KSt-Anrechnungsverfahren (s §§ 27, 41 KStG 1999) zu dieser Unterscheidung (s Abschn 31 Abs 1 KStR 1995). Seitdem bedurfte es für die Anwendung der Anrechnungsvorschriften eines Vermögensabflusses an die AE iS einer oGA oder einer sog anderen Ausschüttung (s § 27 KStG 1999), um den Mechanismus der KSt-Anrechnung in Gang zu setzen, dh um auf der Kö-Seite zur Änderung der KSt sowie auf der AE-Seite zur Erfassung der Ausschüttung und zur KSt-Anrechnung zu führen (s § 20 Abs 1 Nr 1, Abs 3, § 36 Abs 2 Nr 3 EStG 1999).
Nach dem Übergang zum Halbeinkünfteverfahren mit dem Wegfall der KSt-Anrechnung muss entscheidend zwischen Erfassung der vGA bei der Einkommensermittlung (s § 7, § 8, § 8 Abs 3 S 2 KStG) und dem Abfluss bei der Kö (mit möglicher Auswirkung auf eine KSt-Erhöhung nach § 38 KStG, idR nur noch bis zum 31.12.2006) sowie dem Zufluss bzw der Erfassung beim AE unterschieden werden. Zur Frage einer gewissen korrespondierenden Besteuerung bzw Erfassung einer vGA bei der Kö und den AE auch s Urt des BFH v 07.08.2002, BStBl II 2004, 131.
Tz. 170
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Die Einkommensermittlungsvorschrift des § 8 Abs 3 S 2 KStG setzt ihrem Wortlaut nach zwar ebenfalls eine "Ausschüttung" voraus; nach wie vor kommt sie jedoch auch bei Vorgängen mit gewinn-/einkommensmindernder Wirkung zur Anwendung, bei denen es (noch) nicht zu Ausschüttungen iS tats Vermögensminderungen durch Abfluss von Vermögenswerten an AE kommt. Der Vorgang muss lediglich geeignet sein, beim AE einen sonstigen Bezug iSv § 20 Abs 1 Nr 1 S 2 EStG auszulösen; dazu s Tz 153ff.
Bei beiden Regelungsbereichen handelt es sich mithin um verschiedene Rechtsinstitute mit unterschiedlichen Funktionen, die nicht als notwendige Einheit zusammengehören (s Wassermeyer, Stbg 1996, 481). In vielen Fällen wird zwar der Abfluss auf der Kö-Seite mit der Anwendung des § 20 EStG (Zufluss) auf der AE-Seite zeitlich zusammenfallen, auf der Kö-Seite gibt es jedoch Fälle der Vorteilszuwendung,
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die zwar unter § 8 Abs 3 KStG fallen, jedoch nicht oder allenfalls zeitversetzt bei ihr abfließen, |
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die zwar bei ihr abfließen, jedoch nicht unter § 8 KStG fallen. |
Umgekehrt kann beim AE eine vGA "ankommen", obwohl sich bei der Kö (aus rechtl oder tats Gründen) keine Einkommenskorrektur ergibt.
Tz. 171
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Beispielsfälle: Anwendung § 8 Abs 3 S 2 KStG, jedoch (noch) kein Abfluss
Beispiel 1:
Eine Kap-Ges hat zugunsten ihres beherrschenden AE aus nicht betrieblichem Anlass eine Bürgschaft übernommen und die daraus drohende Last bilanziert.
Lösung:
Die Gewinnauswirkung der als Aufwand gebuchten drohenden Last ist nach § 8 Abs 3 S 2 KStG zu korrigieren. Ein Abfluss bei der Kö (also eine Leistung iSv § 27 KStG) sowie ein Zufluss beim AE ist dagegen zumindest vorerst nicht anzuwenden. Selbst die Inanspruchnahme der Kap-Ges führt nicht unmittelbar zur Annahme eines Abflusses, da zunächst ein Ausgleich durch Entstehen eines Regressanspruchs – dh keine Vermögensminderung – der Kap-Ges eintritt; erst wenn dieser "abgeschrieben" werden muss, kann von einem Abfluss/Zufluss ausgegangen werden.
Beispiel 2:
Eine Kap-Ges hat ihrem Ges-GF eine Pensionszusage erteilt und entspr Rückstellungen gebildet. Zusage- und Rückstellungsbetrag sind jedoch überhöht.
Lösung:
Der überhöhte Rückstellungsbetrag ist nach § 8 Abs 3 KStG zu neutralisieren (im Einzelnen s Schr des BMF v 28.05.2002, BStBl I 2002, 603, Rn 23). Tritt der Pensionsfall wegen vorzeitigen Ausscheidens oder Ablebens des Ges-GF nicht ein, so liegt kein Abfluss vor. Tritt der Pensionsfall dagegen ein, so ist – zeitversetzt – ein Abfluss bei der Kö und ein Zufluss beim AE anzunehmen. UU ist das erst mehrere Jahre nach Erfassung der vGA bei der Einkommensermittlung nach § 8 KStG der Fall; s Urt des BFH v 09.08.1989, BStBl II 1990, 237, 240.
Beispiel 3:
Eine GmbH hat eine unzureichend gesicherte Darlehensforderung gegen ihren Gesellschafter, auf die sie eine Tw-Abschr vornimmt.
Lösung:
Es liegt zwar eine vGA iSd § 8 Abs 3 KStG vor (s Beschl des BFH v 26.10.1993, BFH/NV 1994, 415). Der BFH hat es jedoch abgelehnt, im Jahr der Tw-Abschr gleichzeitig auch einen Abfluss iSv § 27 KStG 1999 anzunehmen (der Fall spielte noch im Anrechnungsverfahren); s Urt des BFH v 14.07.2004, BStBl II 2004, 1010. Entspr wird man auch noch keinen Zufluss beim AE annehmen können. Dazu kommt es idR erst, wenn die Kö auf ihre Forderung endgültig verzichtet.
UU kann aber auch bereits bei der Darlehenshingabe ein endgültiger Rückzahlungsverzicht und damit eine effektive Bereicherung des AE vorliegen (= sofortiger Ab- bzw Zufluss); dazu s rkr Urt des FG BB v 23.10.2002 (EFG 2003, 261, mit Anm Neu). Zu vGA bei Gesellschafter...