Tz. 332
Stand: EL 99 – ET: 06/2020
Zu der Frage, wann das Stammrecht mit dem Dividendenschein mitveräußert ist und § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG daher keine Anwendung findet, bestehen unterschiedliche Auff. Die weitestgehende Auff dazu findet sich wohl in dem Grünen Brief Nr 235 des Instituts FSt (Abschn II 1, 2). Dort vertritt Voß die Meinung, die Vorschrift des § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG könne selbst dann Anwendung finden, wenn das Stammrecht und das Gewinnbezugsrecht an eine Person veräußert werden. Er will eine Mitveräußerung iSd § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG nur dann annehmen, wenn Stammrecht und Gewinnbezugsrecht in einem Vertrag zusammen veräußert werden und über den Gewinnanspruch keine besondere Vereinbarung getroffen ist (dazu im einzelnen s Tz 262). Wenn der Vertrag jedoch für das Stammrecht und das Gewinnbezugsrecht besondere Kaufpreise vorsieht, hat sich nach Auff von Voß das Gewinnbezugsrecht verselbständigt; der Veräußerungserlös dafür soll nach § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG zu versteuern sein.
Auch der I. Senat des BFH hatte es urspr (s Urt des BFH v 30.10.1973, BStBl II 1974, 234; s Tz 259), in einem Fall, in dem das Stammrecht zusammen mit dem (noch nicht entstandenen) Gewinnanspruch veräußert wurde, zugelassen, dass der Anteilserwerber den Anschaffungspreis in AK für das Stammrecht und den erworbenen Gewinnanspruch aufteilt. So auch s Urt des FG HH v 24.08.1984 (EFG 1985, 231). In den späteren Urt (s Urt des BFH v 21.05.1986, BStBl II 1986, 815 und v 21.05.1986, BStBl II 1986, 794) hat der I. Senat seine frühere Rspr (s Urt des BFH v 30.10.1973, BStBl II 1974, 234) allerdings aufgegeben (s Tz 263).
Tz. 333
Stand: EL 99 – ET: 06/2020
UE darf § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG nach seiner Zielsetzung nur dann zur Anwendung kommen, wenn sich das Stammrecht und der Dividendenschein in unterschiedlichen Händen befinden, obwohl der Gesetzeswortlaut das nicht zwingend hergibt (dazu auch s Tz 263ff). Sommer (GmbHR 1985, 224) weist zutr darauf hin, dass § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG nur anzuwenden ist, wenn zwischen der Veräußerung des Geschäftsanteils und des Gewinnanspruchs ein zeitlicher und wirtsch Zusammenhang nicht besteht.
Fraglich ist die rechtliche Beurteilung des folgenden Beispiels.
Beispiel:
Die V GmbH (V) veräußert am 30.11.01 die Dividendenscheine an der X-AG für das Geschäftsjahr 01 (= Kj) an den Erwerber E; die Aktien behält sie zurück. Im Mai 02 entschließt sich V, auch ihre Aktien an E zu verkaufen. GA-Beschl und Dividendenauszahlung erfolgen im August 02.
Stliche Beurteilung:
Wenn für die zeitlich auseinanderfallende Veräußerung von Dividendenschein und Stammrecht wirtsch vernünftige Gründe vorliegen, wird die Fin-Verw nicht nach § 42 AO ein einheitliches Veräußerungsgeschäft unterstellen können.
Unzweifelhaft muss dann V in 01 ihren Erlös aus dem Verkauf der Dividendenscheine gem § 20 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst a S 1 EStG versteuern.
Im Zeitpunkt des Zufließens der Dividende sind aber Stammrecht und Dividendenschein in der Hand von E vereinigt, so dass er AE iSd § 20 Abs 5 EStG ist. Er verwirklicht als AE den St-Tatbestand des § 20 Abs 1 Nr 1 EStG. In den Fällen nämlich, in denen der BFH einen stlich unbeachtlichen Forderungseinzug angenommen hat (s Tz 351), war der Erwerber des Dividendenscheins nicht gleichzeitig der AE. Andererseits kann aber eine zweite Besteuerung der Dividende nicht in Betracht kommen (s § 174 AO). UE muss deshalb die Besteuerung des Dividendeneinzugs bei E unterbleiben.