Tz. 228
Stand: EL 88 – ET: 01/2017
Wie eine "normale" vGA so ist auch eine vGA wegen Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot bei allen Arten von Kö denkbar. Dies gilt dann grds auch für eine Kap-Ges in der Rechtsform der AG.
Nach der älteren Rspr des BFH können jedoch die zur GmbH entwickelten Grundsätze nicht ohne Weiteres auf die AG übertragen werden (s Urt des BFH v 15.12.1971, BStBl II 1972, 436). Eine vGA liege nur dann vor, wenn bei der Festsetzung von Bezügen eines Vorstandsmitgliedes, der Kraft seines Aktienbesitzes die AG beherrscht, Tatsachen vorliegen, die den Schluss rechtfertigen, dass diese Maßnahmen weniger Ausfluss eines Interessenausgleiches iRd ges vorgeschriebenen Grundsätze für die Bezüge des Vorstandsmitgliedes darstellen, als vielmehr durch die Interessen des die AG beherrschenden Aktionärs motiviert sind (s Urt des BFH v 15.12.1971, BStBl II 1972, 438). Nach dem s Urt des BFH v 30.07.1975 (BStBl II 1976, 75) gelten nicht nur die Grundsätze des materiellen Fremdvergleichs, sondern auch des formellen Fremdvergleichs bei den Rechtsbeziehungen einer AG zu ihren Aktionären.
Tz. 229
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Bei der Anwendung dieser Rspr ist zu beachten, dass sich die Rechtswirklichkeit seit den siebziger Jahren stark verändert hat. Mit dem Gesetz für kleine AG und zur Deregulierung des AktG v 02.08.1994, BGBl I 1994, 1961 wurde den mittelständischen Unternehmen der Weg in die Rechtsform der AG geebnet. Dabei hat der Gesetzgeber mit der sog kleinen AG nicht etwa eine neue Rechtsform geschaffen, sondern gezielte Erleichterungen vorgenommen, die in erster Linie für die nicht börsennotierten AG gelten. Hierzu gehören die Zulassung der Einpersonengründung, Vereinfachungen bei der Einberufung und Durchführung der HV, die Stärkung der Satzungsautonomie hinsichtlich der Gewinnverwendung sowie die Freistellung von Mitbestimmung (s Bösert, DStR 1994, 1423). Zur vGA-Abgrenzung bei "kleinen" AG auch s Bierenstiel (StBp 2014, 168).
Wie empirische Untersuchungen zeigen, ist die Zahl der AG in den letzten Jahren stark gestiegen. Dieser Anstieg ist auch auf die veränderten Rahmenbedingungen zurückzuführen (s Meyer, GmbHR 2002, 177).
Tz. 230
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Zutr ist, dass zwischen den beiden Kap-Ges GmbH und AG strukturelle Unterschiede bestehen. So wird die AG, anders als die GmbH, gegenüber dem Vorstand durch den Aufsichtsrat vertreten (s § 112 AktG), der vom Vorstand personenverschieden sein muss (s § 105 AktG). Hierbei ist der Aufsichtsrat nicht an die Weisungen der HV gebunden. Im Gegensatz zur GmbH kann deshalb das Vorstandsmitglied einer AG, das zugleich Allein- oder Mehrheitsaktionär ist, nicht selbst bei seiner Bestellung oder Abberufung oder beim Abschluss seines Anstellungsvertrages mitwirken. Zur Strukturverschiedenheit des Beirats einer GmbH zum Aufsichtsrat einer AG auch s Urt des BFH v 22.10.2015 (BStBl II 2016, 219). Zur Beherrschung einer AG im Unterschied zu einer GmbH auch s Böhmer (FR 2012, 862).
Tz. 231
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Andererseits hat es ein als Vorstand bestellter Allein- oder Mehrheitsaktionär über die HV, die gem § 119 AktG den Aufsichtsrat bestellt, in der Hand dafür zu sorgen, dass ihm und seinen Eigeninteressen gewogene Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden. Damit ergibt sich zwar nicht unmittelbar, aber mittelbar ein ganz erheblicher Einfluss auf die Ausgestaltung der Rechtsverhältnisse zwischen ihm und der AG. Dies ist gerade bei kleinen AG der Fall. Nach Auff des BFH kann zB bei einem Mehrheitsaktionär, der gleichzeitig Mitglied oder Vorsitzender des Aufsichtsrats ist, eine beherrschende Stellung vorliegen. Er kann in dieser Eigenschaft die Entsch des Aufsichtsrats beeinflussen; s Urt des BFH v 18.12.2002, BFH/NV 2003, 946.
Je personalistischer eine AG ausgestaltet ist, umso mehr indiziert dies eine Interessengleichheit der verschiedenen Organe der AG. Desto weniger besteht dann aber uE ein Anlass, andere Maßstäbe als bei einer GmbH anzulegen (einschränkend s Binz/Sorg, DStR 2001, 1457, mit Hinw auf die unabhängige Stellung des Aufsichtsrates).
Tz. 232
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Wegen der Strukturverschiedenheit zwischen AG und GmbH kann im Einzelfall eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis aber dann fehlen, wenn dem Begünstigten kein maßgeblicher Einfluss auf die Entsch des Vorstandes zukommt. Dies ist jeweils nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden. Dazu auch s Urt des FG Bl-Brdbg v 09.11.2011 (EFG 2012, 873).
Tz. 233
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Dieselben Grundsätze gelten auch für die Frage, ob ein Mehrheitsaktionär einer KGaA über die Beherrschung der Aktionärsversammlung als beherrschender Gesellschafter anzusehen ist. Die Stellung des persönlich haftenden Gesellschafters der KGaA ist dabei außer Betracht zu lassen. Dies soll selbst dann gelten, wenn der persönlich haftende Gesellschafter unentziehbar die GF-Position innehat und die Einflussmöglichkeiten des Kommanditaktionärs daher beschränkt sind; s Frotscher in F/D, Anh zu § 8 KStG, Rn 131.