Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 502
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Von § 12 Abs 3 S 1 KStG sind sämtliche Kö, Pers-Vereinigungen und Vermögensmassen erfasst, die aufgrund eines oder beider genannter Merkmale (statutarischer Sitz oder Ort der Geschäftsleitung) in einem Mitgliedstaat der EU oder in einem Staat, auf den das EWR-Abkommen (Island, Liechtenstein, Norwegen) Anwendung findet, unbeschr stpfl sind. § 12 Abs 3 KStG gilt daher gleichermaßen für im Inl unbeschr stpfl Kö, Pers-Vereinigungen und Vermögensmassen iSd § 1 Abs 1 Nr 1 bis 6 KStG als auch im EU/EWR-Ausl ansässige Kö, Pers-Vereinigungen und Vermögensmassen, die dort in einem der unbeschr KSt-Pflicht vergleichbaren Umfang der Besteuerung unterliegen.
Tz. 502a
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Nach dem durch das Brexit-StBG neu eingefügten § 12 Abs 3 S 4 KStG führt allein der Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland nicht zu einem Ausscheiden einer Kö, Pers-Vereinigung oder Vermögensmasse aus der unbeschr StPflicht in einem Mitgliedstaat der EU. Damit wird der Anwendungsbereich des § 12 Abs 3 S 1 KStG um Kö, Pers-Vereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz iSd § 11 AO oder Ort der Geschäftsleitung iSd 10 AO im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland erweitert. Diese sind – sofern sie es im Zeitpunkt des Brexits auch tatsachlich waren – für Zwecke des § 12 Abs 3 KStG weiterhin als der unbeschr StPflicht in einem Mitgliedstaat der EU unterfallend zu behandeln (s BT 19/7377, 21). Die Neuregelung zielt zwar vordergründig auf nach britischem Recht gegründete bzw errichtete Kö (insbes Limited), Pers-Vereinigungen oder Vermögensmassen ab, sie ist aber – anders als zB § 12 Abs 4 KStG – nicht hierauf begrenzt. Dh auch Kö, Pers-Vereinigungen oder Vermögensmassen, die nach dem Recht anderer Staaten gegründet bzw errichten worden sind, die ihren Ort der Geschäftsleitung iSd 10 AO aber im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland haben, werden hiervon ebenso erfasst (zB Kö deutscher oder us-amerikanischer Rechtsform mit Ort der Geschäftsleitung iSd § 10 AO im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland).
Tz. 502b
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
§ 12 Abs 3 S 4 KStG hat Bedeutung für den Fall eines Brexits ohne Austrittsabkommen mit der EU ("No-deal-Scenario") sowie für den Zeitraum nach Ablauf einer in einem Austrittsabkommen vereinbarten Übergangsfrist (s Tz 26a) und setzt uE voraus, dass eine unbeschr StPflicht in zeitlicher Hinsicht im Zeitpunkt des Brexits bzw im Fall eines Austrittsabkommens im Zeitpunkt des Ablaufs der Übergangsfrist und in räumlicher Hinsicht im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland bestanden haben muss (idS auch Kudert/Kahlenberg, FR 2019, 250, 251). Dh auf eine Kö, die erst nach dem Brexit ex nihilo gegründet wird oder die nicht im Vereinigten Königreich der unbeschr StPflicht unterlag, findet § 12 Abs 3 S 4 KStG grds keine Anwendung, da es sich insoweit auch nicht um die vom Brexit-StBG bezweckte "Wahrung des Status quo" (s BT-Drs 19/7377, 15) handeln kann.
Beispiel:
Die X-Limited mit Sitz und Ort der Geschäftsleitung in London wird erst nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland ex nihilo gegründet. Sie verfügt über eine BetrSt in Berlin. Sie verlegt ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in einen anderen Drittstaat.
Lösung:
Da die X-Limited nicht bereits im Zeitpunkt des Brexits über die in § 12 Abs 3 S 1 KStG genannten Merkmale (unbeschr StPflicht infolge Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Vereinigten Königreich) verfügte, ist § 12 Abs 3 S 4 KStG nicht anwendbar. Dh die Verlegung des Sitzes und des Orts der Geschäftsleitung führt nicht zur Anwendung des § 12 Abs 3 KStG. Es stellt sich dann die Frage der Anwendung des § 12 Abs 1 KStG in Abhängigkeit davon, ob die Sitzverlegung als identitätswahrend (kein Rechtsträgerwechsel) anzusehen ist oder nicht.
Beispiel:
Die X-Limited mit Sitz in London und Ort der Geschäftsleitung in Berlin wird erst nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland ex nihilo gegründet. Sie verlegt ihren Ort der Geschäftsleitung nach London.
Lösung:
Die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung stellt einen Anwendungsfall des § 12 Abs 3 S 1 KStG dar, § 12 Abs 3 S 4 KStG findet keine Anwendung, da die X-Limited nicht im Zeitpunkt des Brexit über die in § 12 Abs 3 S 1 KStG genannten Merkmale (unbeschr StPflicht infolge Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Vereinigten Königreich) verfügte.
Beispiel:
Die X-Limited hat im Zeitpunkt des Austritts des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland ihren Sitz in London und ihren Ort der Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU. Sie unterliegt in dem Mitgliedstaat der unbeschr StPflicht. Aufgrund einer tie-breaker Regelung im DBA ist die X-Limited nach section 14 CTA 2009 nicht im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland unbeschr stpfl (not resident), sondern nur in dem EU-Mitgliedstaat des Orts der Geschäftsleitung. Sie verlegt nach dem Brexit ihren Ort der Ges...