Tz. 92
Stand: EL 103 – ET: 09/2021
Die Fin-Verw stand bislang auf dem Standpunkt, dass die Beteiligung einer gemeinnützigen Kö an einer gemeinnützigen Kap-Ges zur Vermögensverwaltung gehört (AEAO Tz 3 S 7 zu § 64 Abs 1 AO). In der Konsequenz durfte eine gemeinnützige Kö den Kaufpreis für den Erwerb einer Beteiligung oder bei Fremdfinanzierung die Tilgungs- und Zinsleistungen nicht aus zeitnah zu verwendenden Mitteln finanzieren (AEAO Nr 3 S 4 zu § 58 Nr 3 AO).
Mit dem JStG 2020 v 21.12.2020 hat der Ges-Geber einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Demnach verfolgt eine Kö ihre st-begünstigten Zwecke auch dann "unmittelbar" gemeinnützig, wenn sie ausschl Anteile an gemeinnützigen Kap-Ges hält und verwaltet (§ 57 Abs 4 AO). Damit können reine Holding-Kö an der Spitze eines gemeinnützigen Konzerns auch ohne eigene operative oder fördernde gemeinnützige Aktivitäten gemeinnützig sein (s BT-Drs 19/25160, 224). S auch den geänderten AEAO Nr 12–15 zu § 57 Abs 4 (s BMF-Schr v 06.08.2021).
Wichtig:
Eine Mindestbeteiligungsquote sieht § 57 Abs 4 AO aber ebenso wenig vor wie eine Mindestanzahl an Beteiligungen. Die Beteiligungen müssen jedoch dem ideellen Berich bzw dem ZwB zugeordnet werden können. Dies ist dann der Fall, wenn der st-begünstigte Zweck der Kap-Ges in den eigenen verfolgten Zwecken enthalten ist. Die Einnahmen aus dieser Beteiligung sind dann Einnahmen im ideellen Bereich.
5.3.5.1 Gemeinnützigkeitsrechtliche Folgen
- § 57 Ab. 4 AO lässt die Schlussfolgerung zu, dass Beteiligungen an gemeinnützigen Kap-Ges nutzungsgebundenes Vermögen darstellen (§ 55 Abs 1 Nr 5 S 2 AO).
- Dies hat uE zur Folge, dass für den Erwerb solcher Beteiligungen zeitnah zu verwendende Mittel verwendet werden dürfen (§ 55 Abs 1 Nr 5 S 2 AO).
- Aus Sicht eines gemeinnützigen Erwerbers mach es keinen Unterschied mehr, ob er das Vermögen der Zielgesellschaft als nutzungsgebundenes Kapital (Asset Deal) oder die Beteiligung an dieser Gesellschaft (Share Deal) erwirbt.
- Nach § 57 Abs 4 AO ist die "Umittelbarkeit" auch bei ausschl Beteiligungsverw gegeben.
- Erbringt eine gemeinnützige Holding-Kö Leistungen an eine gemeinnützige Tochter-Kap-Ges, wird die "Unmittelbarkeit" der Zweckverfolgung unter den Voraussetzungen des § 57 Abs 3 S 1 AO ("Zusammenwirken") "verstärkt".
Etwaige Ausschüttungen einer gemeinnützigen Kap-Ges können bei der Ermittlung der BMG für die Bildung der freien Rücklage (§ 62 Abs 1 Nr 3 AO) nur zu 10 %, bei Endowments (§ 58 Nr 3 S 1 AO) nur zu 15 % berücksichtigt werden. Die Fin-Verw hat nämlich im September 2020 zur Rücklagenbildung aufgr offener GA einer st-begünstigten Kö an eine andere st-begünstigte Kö auf Bundesebene folgenden Beschl gefasst:
Zitat
"Erhält eine st-begünstigte Kö durch eine Ausschüttung Mittel von einer st-begünstigten Kö, an der sie beteiligt ist, dann kann, unabhängig davon, aus welcher gemeinnützigkeitsrechtlichen Sphäre die ausgeschütteten Mittel stammen, für diese Mittel eine freie Rücklage iSd § 62 Abs 1 Nr 3 AO iHv einem Drittel der erhaltenen Mittel gebildet werden, falls die Beteiligung der Vermögensverwaltung zugeordnet werden kann."
5.3.5.2 Ertragsteuerliche Folgen
Bislang gehört die Beteiligung an einer gemeinnützigen KapGes zur stfreien Vermögensverwaltung, auch bei Vorliegen einer Betriebsaufspaltung oder bei Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft (vgl AEAO Tz 3 S 7ff zu § 64 Abs 1 AO).
Zum Sonderfall Servicegesellschaften ergibt sich Folgendes:
5.3.5.3 Ausgliederung von nutzungsgebundenem Vermögen
Gliedert eine gemeinnützige Kö nutzungsgebundenes, zB zu einem ZwB gehörendes Vermögen auf eine gemeinnützige TG aus und überlässt sie ihr wes Betriebsgrundlagen zur Nutzung, kam es bislang zu einem Wechsel der überlassenen WG von der originär gemeinnützigen Sphäre (ideeller Bereich, ZwB) in den Mittelbeschaffungsbereich (Vermögensverwaltung oder stpfl wG).
Dieser Sphärenwechsel führte nach bisheriger Verw-Auff dazu, dass das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung iHd aktuellen Verkehrswerts des sphärenwechselnden WG wiederauflebt (vgl AEAO Nr 30 S 4 zu § 55 Abs 1 Nr 5 AO).
UE hat sich das Problem durch die Neuregelungen in § 57 Abs 3 und 4 AO "von selbst" gelöst: Die Ausgliederung nutzungsgebundenen Vermögens auf eine gemeinnützige Kap-Ges gegen Anteilsgewährung löst, weil die erworbene Beteiligung nunmehr ihrerseits nutzungsgebundenes Vermögen ist, begrifflich keinen gemeinnützigkeitsrechtlichen Sphärenwechsel mehr aus. Es kommt nur zum Aktivtausch: Beteiligung an WG ZwB. Dies gilt gleichfalls für die Zurückbehaltung und (entgeltliche) Nutzungsüberlassung zurückbehaltener WG, wenn die Überlassung ein "planmäßiges Zusammenwirken" iSd § 57 Abs 3 S 1 AO darstellt und die überlassenen WG nutzungsgebundenes Vermögen darstellen. S auch den geänderten AEAO Nr 14 zu § 57 Abs 4 (s BMF-Schr v 06.08.2021).