Tz. 100
Stand: EL 56 – ET: 04/2006
Die Regelung in § 23 Abs 4 UmwStG ist gem § 26 Abs 2 S 1 UmwStG nicht anzuwenden, wenn die eingebrachten Anteile innerhalb eines Zeitraums von sieben Jahren nach der Einbringung
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unmittelbar oder mittelbar veräußert werden (dies ist der Fall, wenn die Übernehmerin die eingebrachten Anteile veräußert oder wenn der Einbringende die erworbenen Anteile an der Übernehmerin veräußert) oder |
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auf einen Dritten übertragen werden (zB verdeckte Einlage in Kap-Ges oder Pers-Ges oder Verschmelzung der Übernehmerin) und die Übertragung nicht auf Rechtsvorschriften basiert, die einer Bw-Einbringung iSd § 23 Abs 4 UmwStG entspr (was der StPfl nachzuweisen hat, s § 26 UmwStG Tz 30f). |
Diese für Zwecke der Anwendung des § 23 Abs 4 UmwStG bestehende ›Veräußerungssperre‹ der Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 26 Abs 2 S 1 UmwStG ist zwingend anzuwenden. Auf die tats Beweggründe der Veräußerung innerhalb der Sperrfrist kommt es nicht an (s W/M, § 26 UmwStG Rn 134). Es handelt sich um einen typisierten Missbrauchstatbestand (ähnlich § 18 Abs 4 S 1 UmwStG; aber s Tz 101). Rechtsfolge des § 26 Abs 2 S 1 UmwStG ist die Beurteilung des Anteilstauschs nach allgemeinen Grundsätzen, da die spezielle St-Vergünstigungsvorschrift des § 23 Abs 4 UmwStG nicht zur Anwendung kommt. Es gilt – insbes für die Stpfl eines VG – die Rechtslage im Zeitpunkt des Anteilstauschs durch Einbringung. Dies führt regelmäßig zur Aufdeckung aller stiller Reserven (s §§ 6 Abs 6 S 1, 17 Abs 1 EStG; s Tz 79ff); einbringungsgeborene Anteile iSd § 21 Abs 1 S 1 UmwStG entstehen infolgedessen nicht. Ist Einbringender eine Kö, ergibt sich in den meisten Fällen eine St-Freiheit des VG aus dem (gewinnrealisierenden) Anteilstausch gem § 8b Abs 2 KStG nF (fällt die Einbringung in eine Zeit vor In-Kraft-Treten des § 8b Abs 2 KStG nF s Borschel/Kotyrba, IStR 2003, 37). Eine andere Beurteilung kann sich jedoch im Fall der Einbringung einer Beteiligung iSd § 21 Abs 1 S 1 UmwStG innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist des § 8b Abs 4 S 2 Nr 1 KStG nF ergeben (s Beinert/v Lishaut, FR 2001, 1137 (1152f) unter 3.; zu Spezialproblemen, insbes der Konkurrenz von § 8b Abs 4 KStG und § 26 Abs 2 S 1 UmwStG und der Veräußerung nach Ketteneinbringungen, s Borschel/Kotyrba, IStR 2003, 37 und s Schr des BMF v 16.12.2003, BStBl I 2003, 786 Rn 22). Ist bei Verwirklichung des Tatbestands des § 26 Abs 2 S 1 UmwStG die St-Festsetzung oder St-Veranlagung des Einbringenden bereits erfolgt, kommt eine Änderung des nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (s § 164 AO) stehenden Bescheids nach § 175 Abs 1 S 1 Nr 2 AO (rückwirkendes Ereignis) in Betracht (s Schr des BMF v 25.03.1998, BStBl I 1998, 268, Rn 23.14).
Tz. 101
Stand: EL 56 – ET: 04/2006
Die Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 26 Abs 2 S 1 UmwStG leitet sich aus Art 11 Abs 1 Buchst a der EG-Fusionsrichtlinie ab (Art 11 Abs 1 ist zwar durch die Richtlinie 2005/19/EG (v 17.02.2005, ABL EG Nr L 58 v 04.03.2005, 19) neu gefasst, aber inhaltlich nicht verändert worden). Danach können die Mitgliedstaaten die Anwendung des stneutralen Anteilstauschs versagen, wenn der Austausch von Anteilen nicht auf vernünftigen wirtsch Gründen (insbes der Umstrukturierung oder Rationalisierung der beteiligten Gesellschaften) beruht. Es wird kritisiert, dass § 26 Abs 2 S 1 UmwStG nicht mit dem EU-Recht vereinbar sei (s Merkert in Bordewin/Brandt, § 23 UmwStG Rn 32 mwNachw; Schmitt/Hörtnagl/Stratz, 3. Aufl, § 26 UmwStG Rn 38; Scherer/Welte, IStR 2005, 629; aA s W/M, § 26 UmwStG Rn 140), weil die Sieben-Jahresfrist zu lang bemessen sei und eine pauschale Missbrauchsvermutung (unter Berufung auf das Urt des EuGH v 17.07.1997, ›Leur-Bloem‹, IStR 197, 539) nicht zulässig sei, da auf die Verhältnisse des Einzelfalls abgestellt werden müsse. Es ist fraglich, ob die durch den Gesetzgeber gefundene typisierte Missbrauchsfrist von sieben Jahren, die im Übrigen mit der Frist in anderen Rechtsgebieten übereinstimmt (zB s § 8b Abs 3 KStG 1999; s Tz 73; § 8b Abs 4 S 2 KStG nF; § 3 Nr 40 S 4 EStG), die die Übertragung von Kap-Anteilen zum Gegenstand haben, eine nicht mit der EG-Fusionsrichtlinie konforme Umsetzung darstellt. Schließlich enthält Art 11 Abs 1 Buchst a der EG-Fusionsrichtlinie keine ausdrückliche Aussage (und auch keinen Hinweis) auf eine zeitliche Komponente zur Beurteilung der Frage, ob der Anteilstausch als (einen) hauptsächlichen Beweggrund eine St-Hinterziehung oder St-Umgehung hat (glA s W/M, § 26 UmwStG Rn 140, der Hinweise auf eine zeitliche Frist in unveröffentlichten Ratsprotokollen, die keinen Niederschlag in der EG-Fusionsrichtlinie gefunden haben, als nicht beachtlich ansieht). Im Hinblick auf die in § 26 Abs 2 S 1 UmwStG zum Ausdruck kommenden unwiderlegbare Vermutung eines Missbrauchs ist wohl in besonderen Fällen (zB einer wirtsch oder rechtlich unvermeidbaren oder erzwungenen Veräußerung innerhalb der Missbrauchsfrist) eine Billigkeitsregelung zu prüfen (s Förster/Dautzenberg, DB 1993, 645 (649)). Dies gi...