6.12.1.1 Die frühere Linie des BFH und der Finanzverwaltung
Tz. 668
Stand: EL 93 – ET: 06/2018
In der Vergangenheit (vgl noch s R 18 Abs 7 ErbStR 2003) konnten Leistungen einer Gesellschaft an ihre Gesellschafter, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, keine stbaren Zuwendungen iSd ErbStG auslösen. Solche Leistungen waren entweder als Rückzahlung des gezeichneten Kap oder als – uU verdeckte – GA zu qualifizieren. Sowohl offene GA als auch vGA von einer Kap-Ges an ihren AE führten also nicht zu einem schenkstpfl Tatbestand. Auch bei inkongruenten vGA wurde keine freigebige Zuwendung unter Lebenden iSv § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG angenommen. Allerdings sollte eine vom Beteiligungsverhältnis abweichende oGA zu einer (stpfl) Bereicherung des begünstigten Gesellschafters auf Kosten der übrigen Gesellschafter führen; s H 18 "Inkongruente GA" ErbStH 2003. Die dabei vorgenommene Unterscheidung zwischen inkongruenten offenen und verdeckten GA war allerdings widersprüchlich. Der Rechtsauff war aber zugute zu halten, dass sie der ertragstlichen Betrachtung folgte, die im Ergebnis ebenfalls nur offene GA sanktioniert, wenn sie ohne beachtliche wirtsch vernünftige außerstliche Gründe erfolgen; s Schr des BMF v 17.12.2013 (BStBl I 2014, 63), zuvor eingeschr auf Fälle mit besonderen Gesellschafterleistungen, s Schr des BMF v 07.12.2000 (BStBl I 2001, 47). Jedenfalls war eine vGA grds keine Schenkung der Kap-Ges an ihre/n Gesellschafter.
Die Auff, dass eine vGA nicht zu einer Schenkung unter Lebenden iSv § 7 ErbStG führt, galt nach dieser früheren Rechtsauff auch für Leistungen einer Kap-Ges an eine einem Gesellschafter nahe stehende Person (s R 18 Abs 8 S 1 ErbStR 2003; allgemein zu vGA an nahe stehende Personen s Tz 500ff). In Betracht kam jedoch eine stbare Zuwendung des Gesellschafters oder der Gesellschaft an die dem Gesellschafter nahe stehende Person. Außerdem waren Zuwendungen zwischen den Gesellschaftern denkbar. Eine Schenkung der Kap-Ges an den Gesellschafter wurde jedoch in der Vergangenheit nicht angenommen. Die Fin-Verw ging vielmehr – entspr der ertragstlichen Zuordnung der vGA – zunächst von einer nicht erbstpfl GA an den Gesellschafter selbst und anschließend von einer Zuwendung durch diesen Gesellschafter an die nahe stehende Person aus. Diese "Weiterleitung" wurde schon früher als erbstpfl Tatbestand angesehen; dazu auch s Götz (INF 2005, 741).
6.12.1.2 Rechtsprechung des BFH im Jahr 2007
Tz. 669
Stand: EL 93 – ET: 06/2018
Ein gewisser Paradigmenwechsel bei diesen Fragen trat dann durch das Urt des BFH v 07.11.2007 (BStBl II 2008, 258) ein. Mit diesem Urt hat der BFH zwar zunächst entschieden, dass bei einer vGA an eine dem Gesellschafter nahe stehende Person regelmäßig keine freigebige Zuwendung iSv § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG des Gesellschafters an die nahe stehende Person anzunehmen ist. Der BFH folgt damit seiner früheren Rspr zu (mittelbaren) verdeckten Einlagen durch nahe stehende Personen; s Urt des BFH v 25.10.1995 (BStBl II 1996, 160): "Die als Folge einer Zuwendung an eine GmbH eintretende Erhöhung des Werts der Geschäftsanteile stellt keine Zuwendung an die Gesellschafter dar"; s Urt des BFH v 30.05.2001 (BFH/NV 2002, 1030). Im Urt-Fall v 07.11.2007 hatte eine GmbH überhöhte Vergütungen an die Ehefrau eines Ges-GF gezahlt. Darin sah der BFH keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahe stehende Person. Aber: Der BFH führte gleichzeitig in einem obiter dictum aus, dass eine gemischte freigebige Zuwendung im Verhältnis der GmbH zur nahe stehenden Person gegeben sein könne. Er wies darauf hin, dass der ertragstlichen Beurteilung von vGA an nahe stehende Personen, die auf einer wirtsch Betrachtungsweise beruhen, schenkstlich nicht gefolgt werden könne. Für eine freigebige Zuwendung iSv § 7 Abs 1 Nr 1 ErbStG komme es ausschl auf die Zivilrechtslage an. Der BFH legte also das Merkmal in § 7 Abs 1 Nr. 1 ErbStG "auf Kosten des Zuwendenden" iS eines strengen Unmittelbarkeitserfordernisses aus. Die schenkstlich relevante Vermögenszuwendung sollte nach Auff des BFH also unmittelbar zwischen der Kap-Ges als Rechtsträgerin und der nahe stehenden Pers stattfinden. Diese Pers habe nämlich die Zuwendung unmittelbar aus dem Vermögen der Kap-Ges erhalten.
In der Fach-Lit wurde die Rspr des BFH tw heftig kritisiert. Da die Kap-Ges nicht über eine Privatsphäre verfüge, könne eine privat veranlasste Schenkung nicht gegeben sein, s Crezelius (ZEV 2008, 268). Ihr fehle auch ein eigenständiger Wille zur Unentgeltlichkeit, s Viskorf (DStR 2011, 607).
6.12.1.3 Reaktion der Finanzverwaltung
Tz. 670
Stand: EL 93 – ET: 06/2018
Die Fin-Verw hat das Urt des BFH v 07.11.2007 (BStBl II 2008, 258) zunächst ohne begleitende Anwendungsregelung im BStBl veröffentlicht; es war also allgemein und ohne Übergangsregelung anzuwenden. Man ging dabei offenbar davon aus, dass hinsichtlich von vGA in der Vergangenheit kein Vertrauensschutztatbestand geschaffen worden sei. Schließlich sei bereits in R 18 Abs 8 ErbStR 2003 darauf hingewiesen worden, dass eine stbare Zuwendung der Gesellschaft an die dem Gesellschafter nahe stehende Pers in Betracht kommen könne.
Im Jahr 20...