6.2.1 Fiktive Betriebsaufgabe nach § 16 Abs 3a EStG

 

Tz. 639

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Mit Urt des BFH v 17.07.2008, BStBl II 2009, 464 (Nichtanwendungserl s BMF-Schr v 20.05.2009, BStBl I 2009, 671), hat der I. Senat seine bisherige langjährige Rspr zur sog finalen Entnahmetheorie "aufgegeben" (s Tz 226ff). Die dort aufgestellten Grundsätze hat er anschließend auf die finale Entnahmetheorie bei Betriebsverlegung übertragen (s BFH v 28.10.2009, IStR 2010, 98 und v 28.10.2009, IStR 2010, 103, mit Anm Gosch, BFH/PR 2010, 116). Mit der Einführung des § 16 Abs 3a EStG durch das JStG 2010 vom 08.12.2009 (BGBl I S. 1768) hat der Ges-Geber auf diese Änderung der Rspr zur finalen Entnahmetheorie bei Betriebsverlegung reagiert. Der Wortlaut der Norm sowie die Tatbestandsvoraussetzungen orientieren sich an den allg Normen zur Entstrickungsbesteuerung (s § 4 Abs 1 S 3 EStG, § 12 Abs 1 KStG). Es wird die Aufgabe des Gew fingiert, wenn das Besteuerungsrecht an den WG des Betriebs oder Teilbetriebs "ausgeschlossen" oder "beschr" wird. Tatbestandsvoraussetzung der Entstrickung ist damit nicht das einzelne WG, sondern der Betrieb oder Teilbetrieb als Sachgesamtheit. Da es bei auch bei einer Kö zur Entstrickung eines gesamten Betriebs oder Teilbetriebs kommen kann, findet die Vorschrift des § 16 Abs 3a EStG über § 8 Abs 1 KStG auch auf das KStR Anwendung (aA s Pfirrmann, in Brandis/Heuermann, § 12 KStG Rn 24; s Lampert, in Gosch, 4. Aufl, § 12 KStG Rn 36).

 

Tz. 640

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

Aufgr der Anknüpfung an die Voraussetzungen der allg Entstrickungstatbestände gelten die Ausführungen hierzu weitgehend entspr (s Tz 330ff). Bei wortlautgetreuer Auslegung der Norm dürfte es aber nur sehr wenige Anwendungsfälle geben, da es nicht nur auf den Ausschluss oder die Beschränkung des dt Besteuerungsrechts hinsichtlich der quantitativ und funktional wes Betriebsgrundlagen ankommt, sondern auf den Ausschluss oder die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich sämtlicher WG des Betriebs. Sofern diese Voraussetzungen des § 16 Abs 3a EStG nicht erfüllt sind, bleibt es bei der Anwendung des § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw des § 12 Abs 1 KStG. Insges dürfte die Regelung des § 16 Abs 3a EStG im Grundsatz entbehrlich sein, da auch die Änderung der Zuordnung von Sachgesamtheiten unter § 4 Abs 1 S 3 EStG fällt (s BT-Drs. 16/2710, 28, 30). Ihre Bedeutung erlangt sie in KSt-Fällen insoweit insbes dadurch, dass in EU- bzw. hier sogar EWR-Sachverhalten § 36 Abs 5 EStG die Wirkungen der Entstrickung abmildert. § 4g EStG wird insoweit verdrängt. Die Einfügung des § 16 Abs 3a EStG erfolgte im Übrigen offensichtlich mit dem Ziel, die §§ 16 Abs 4, 34 EStG in diesen Fällen wieder zur Anwendung kommen zu lassen; aus kstlicher Sicht ist die Anwendung der §§ 16 Abs 4, 34 EStG jedoch irrelevant. Für natürliche Pers ist zusätzlich zu beachten, dass – infolge der Anwendung des § 16 Abs 3a EStG – ein solcher Aufgabegewinn nicht mehr der GewSt unterliegt.

 

Tz. 641

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Die Aufgabe eines MU-Anteils bleibt in § 16 Abs 3a EStG ungeregelt. Insoweit würden § 4 Abs 1 S 3 EStG bzw § 12 Abs 1 KStG weiterhin Anwendung finden.

6.2.2 § 36 Abs 5 EStG

6.2.2.1 Bedeutung; Überblick über die Regelung

 

Tz. 642

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

§ 36 Abs 5 EStG setzt Art 5 Abs 2 bis 4 ATAD-RL als Grundregelung für WG des BV für die zeitliche Streckung der Besteuerung betreffend die Voraussetzungen, Widerrufsgründe und Sicherheitsleistung um (s BT-Drs 19/28652, 42).

Sie steht zum einen in engem Zusammenhang mit § 16 Abs 3a EStG (Tz 639ff). In den Fällen des § 16 Abs 3a EStG kann gem § 36 Abs 5 EStG die St auf den Aufgabegewinn bei Verlegung des Betriebs oder Teilbetriebs in einen EU- oder EWR-Staat auf Antrag des Stpfl gestundet werden, sofern durch diese Staaten Amtshilfe entspr oder iSd Amtshilfe-RL iSd § 2 Abs 11 EUAHiG erfolgt und gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung iSd Beitreibungs-RL sowie entspr Durchführungsbestimmungen geleistet werden. Die Stundung umfasst auch einen etwaigen Gewinn infolge des Wechsels der Gewinnermittlungsart.

Über § 31 Abs 1 KStG gilt die Stundungsmöglichkeit auch für die KSt. Eine Stundungsmöglichkeit für die GewSt ist jedoch nicht vorgesehen.

Als Grundregelung für die zeitliche Streckung der Besteuerung hat § 36 Abs 5 EStG zum anderen aber auch Bedeutung für die vorzeitige Auflösung des AP nach § 4g EStG bei Eintritt eines Ereignisses iSd § 36 Abs 5 S 4 EStG; hierauf wird in § 4g Abs 2 S 2 erste Alt EStG als vorzeitiger Auflösungsgrund verwiesen (s Tz 620ff).

6.2.2.2 Rechtsentwicklung; zeitlicher Anwendungsbereich

 

Tz. 642a

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

JStG 2010 v 08.12.2009 (BGBl I 2009, 1768; BStBl I 2009, 218): !!! Bitte Fundstellen prüfen

§ 36 Abs 5 wurde durch das durch das JStG 2010 v 08.12.2009 (BGBl I 2009, 1768) zusammen mit § 16 Abs 3a EStG (s Tz 639ff) eingeführt.

 

Tz. 642b

Stand: EL 105 – ET: 03/2022

ATADUmsG v 25.06.2021 (BGBl I 2021, 2035; BStBl I 2021, 874):

Durch das ATADUmsG wurde § 36 Abs 5 EStG vollständig neu gefasst und damit Art 5 Abs 2 bis 4 ATAD-RL umgesetzt. Die Neufassung erfolgte mit Wirkung zum VZ 2021 (Art 7 Abs 1 ATADUmsG, § 52 Abs 1 EStG; Hagemann/Link, IWB 2021, 471, 474).

6.2.2.3 Vereinbarkeit mit Unionsrecht

 

Tz. ...

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