Tz. 71
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Zu Abs 6 S 2 Nr 1 (Subsidiarität) s schon Tz 61. S 2 Nr 2 begründet zusätzliche (negative) Tatbestandsmerkmale dergestalt, dass die Erstattung bei entspr Anwendung der §§ 50d Abs 3, 50j EStG nicht ausgeschlossen "wäre". Der Wortlaut "entspr" und "wäre" macht deutlich, dass die Voraussetzungen der §§ 50d Abs 3, 50j EStG nur insoweit vorliegen müssen, als die dortige Situation der des Abs 6 gleicht. Der § 50d Abs 3 EStG richtet sich als "anti-treaty-shopping"-Regel gegen die Zwischenschaltung von Ges zur Erlangung eines DBA-Schutzes. "Entspr" bedeutet dies hier, dass die antragstellende Gläubigerin deswegen zwischengeschaltet sein müsste, um die Anwendbarkeit der Abkommen iSd S 1 Nr. 1 Buchst b und c zu erlangen (sei es in Form eines DBA oder anderen Abkommens). Nach Ges-Begr (s BT-Drs 20/8628, 196) hat die Gläubigerin deswegen nachzuweisen, dass es (sinngem) kein "Hauptzweck" ihrer "Einschaltung" ist, dass die Erstattung insbes zu einem St-Vorteil führt, der "im Eigeninteresse einer an ihr beteiligten oder begünstigten Pers liegt". Dies nimmt Bezug auf das Verständnis des Ges-Gebers zum Inhalt des § 50d Abs 3 EStG im Zeitpunkt der Schaffung des Abs 6. Der § 50d Abs 3 EStG ist jedoch, vor allem durch einschlägige Urt des EuGH und daraus folgende Reaktionen des Ges-Gebers, seit längerem in ständigem Fluss (s Tz 57a). Weil der Wortlaut des Abs 6 S 2 Nr 2 global auf diese Vorschrift verweist, werden weitere, zukünftige Änderungen des § 50d Abs 3 EStG selbst oder bzgl dessen Auslegung dann auch auf Abs 6 durchschlagen.
Die entspr Anwendung des § 50j EStG zielt auf sog Cum/Cum-Geschäfte, dazu s Ges-Begr BT-Drs 20/8628, 196.
Alles Vorgesagte gilt indes nach S 2 lediglich "soweit", was bedeutet, dass die Erstattung ggf auch nur tw ausgeschlossen sein kann.
Tz. 72
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Nach S 2 Nr 3 ist eine Erstattung ausgeschlossen, wenn (sinngem) die KapSt, deren Erstattung beantragt wird, im Heimatstaat der Gläubigerin stlich angerechnet oder von der stlichen BMG abgezogen werden "kann" oder dort die "Möglichkeit" eines diesbzgl Anrechnungsvortrags besteht (negatives Tatbestandsmerkmal). Das soll eine doppelte stliche Begünstigung in D und im Heimatstaat ausschließen (sog double dip, s BT-Drs 20/8628, 197). Nach dem Wortlaut genügt für diesen (ggf tw) Ausschluss schon, dass Anrechnung, Abzug oder Vortrag nach dem Recht des Heimatstaats möglich sind. Dass dies nicht der Fall ist, hat die Gläubigerin schon nach Abs 6 S 3 "nachzuweisen"; indes bestimmt Abs 6 S 4 zusätzlich, dass "insbesondere nachzuweisen" ist, "inwieweit" die KapSt im Heimatstaat "nicht angerechnet, nicht abgezogen oder nicht vorgetragen worden ist". Der S 4 zielt also offensichtlich ausschl auf S 2 Nr 3, stellt aber für die nachzuweisenden Tatsachen anders als S 2 Nr 3 nicht auf die Möglichkeiten im Heimatstaat, sondern auf die tats Behandlung der antragstellenden Gläubigerin dort ab. Unklar ist auf den ersten Blick, ob S 4 den S 3 diesbzgl als Spezialregelung ersetzen soll (dann würde allein der Nachw iSd S 4 genügen und damit de facto auch S 2 Nr 3 modifiziert) oder weitere Anforderungen über S 3 hinaus begründen soll. Für Letzteres spricht jedoch eben gerade, dass S 2 Nr 3 nur auf die abstrakte Möglichkeit abstellt und dem Ges-Geber kaum unterstellt werden kann, dass er dies durch S 4 modifizieren wollte. Zu vermuten ist vielmehr, dass er dem BZSt damit die Möglichkeit einräumen wollte, in geeigneten Fällen die Anforderungen und den Prüfungsaufwand gering zu halten. Ein solcher Fall wird insbes – jedenfalls idR – sein, wenn die Gläubigerin (schon) nachweist, dass sie in ihrem Heimatstaat zur Gänze st-befreit ist. Denn dann dürften Anrechnung, Abzug oder Vortrag dort sowieso ausscheiden.
Ist die Gläubigerin indes im Heimatstaat ganz oder tw stpfl, wird der Nachw, dass keine Möglichkeit von Anrechnung, Abzug oder Vortrag im Heimatstaat gegeben ist (S 2 Nr 3 iVm S 3) und dass solches auch tats nicht erfolgte (S 4) je nach Fall in den Anforderungen sehr unterschiedlich zu beurteilen sein. Dabei werden an den Nachw negativer Tatsachen, welcher streng genommen nie mit vollkommener Sicherheit geführt werden kann, keine unmöglichen oder unzumutbaren Anforderungen gestellt werden dürfen. Weiter verkompliziert wird dies dadurch, dass es nicht selten so sein wird, dass zwar im Zeitpunkt der Antragstellung iSd S 4 (noch) keine Anrechnung usw im Heimatstaat erfolgt ist, dies aber durchaus uU auch nach der Erstattung iSd Abs 6 noch erfolgen könnte. Und generell wird noch näher zu klären sein, in welchem Verhältnis der S 4 (und auch S 3, s Tz 73) zum Amtsermittlungsgrundsatz und zur Möglichkeit der Amtshilfe durch den Heimatstaat stehen. Denn immerhin macht S 1 Nr 1 Buchst b deutlich, dass der Amtsermittlungsgrundsatz auch in Abs 6 gilt und dafür namentlich auch die Möglichkeiten zwischenstaatlicher Amtshilfe zumindest ein naheliegendes Mittel sind. Tendenziell und als Grundregel erscheint es hierzu zwar sachgerecht, dass di...