Tz. 191

Stand: EL 84 – ET: 08/2015

Zur Beantwortung der Frage, ob Leistungen einer Stiftung bei den Destinatären Kap-Erträge iSd § 20 Abs 1 Nr 9 EStG sind, ist zunächst die Vorfrage zu beantworten, ob die Anwendung des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG nur da gerechtfertigt ist, wo die Erträge auf Seiten der Kö mit 15% (bis 2007: mit 25%) vorbelastet sind. Dies ist uE zu verneinen. Bei einer Kap-Ges führen unstreitig auch solche Erträge auf der Ebene des AE zu 60% (bis VZ 2008: zu hälftig) stpfl Erträgen, die auf der Ebene der Kap-Ges stfrei sind (zB Beteiligungserträge, nach DBA stfreie Eink, InvZul). Gleiches gilt für die Erfassung von Kap-Erträgen aus BgA nach § 20 Abs 1 Nr 10 Buchst a und b EStG. Es ist nicht ersichtlich, warum bei den Auskehrungen von Stiftungen solche Erträge auf der Ebene der Destinatäre nicht dem Halb-/TeilEink-Verfahren unterliegen sollen. Es kann uE keinen Unterschied machen, ob die Erträge, aus denen die Leistungen finanziert werden, auf der Ebene der Kö stfrei oder – weil nicht zu einer Einkunftsart iSd § 8 Abs 1 KStG iVm § 2 Abs 1 und 2 EStG gehörend – bereits dem Grunde nach nicht stbar sind.

Eine teleologische Reduktion des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG lässt sich auch nicht aus den Gesetzesmaterialien ableiten. § 20 Abs 1 Nr 9 EStG soll die "gesellschaftsrechtlich veranlasste Verteilung des erwirtschafteten Überschusses" (BR-Drs 638/01, 54 und BT-Drs 14/6882, 35) bzw die "Vermögensübertragungen an die "hinter diesen Gesellschaften stehenden" Personen" (BR-Drs 90/00, 161 ff und darauf verweisend BT-Drs 14/3074, 4) erfassen. Dass der Überschuss bei der Stiftung vorher einer Besteuerung unterlegen haben muss, ist nicht Voraussetzung. Dafür spricht schließlich auch die Ges-Begr zur Änderung des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG im JStG 2007 (vgl BT-Drs 16/2712, 49), nach der Bezüge/Leistungen – ohne Differenzierung nach einer vorherigen StPflicht – zu erfassen sind. Auch in der Lit (so ausdrücklich Schauhoff, in Schaumburg/Rödder, 2000, StRef 2001, 315 zu der vergleichbaren Vorschrift des § 22 Nr 1 S 2 EStG) wird darauf hingewiesen, dass Destinatäre von Familienstiftungen in Zukunft schlechter gestellt werden, da VG einer Familienstiftung vor Inkrafttreten des StSenkG die an sich nicht stbaren VG nach dem Halb-/Teil-Eink-Verfahren stpfl sind. So auch s Haas (DStR 2010, 1011).

 

Tz. 192

Stand: EL 84 – ET: 08/2015

Bei rechtsfähigen sowie bei nicht rechtsfähigen, nicht von der KSt befreiten Stiftungen des Privatrechts besteht ein Konkurrenzproblem zwischen § 20 Abs 1 Nr 9 EStG und § 22 Nr 1 EStG. Sie zählen einmal zu den inl Stiftungen iSd § 1 Abs 1 Nr 4 bzw 5 KStG (so die Formulierung in § 20 Abs 1 Nr 9 EStG), andererseits aber auch zu den unbeschr stpfl Kö, Pers-Vereinigungen o Vermögensmassen (so die Formulierung in § 22 Nr 1 S 2 Hs 2 Buchst a EStG). In § 22 Nr 1 S 1 EStG ist jedoch ausdrücklich die Nachrangigkeit der sonstigen Eink gegenüber dem Eink aus KapV angeordnet. Bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs 1 Nr 9 EStG idF des StSenkG war dagegen zweifelsfrei von sonstigen Eink iSd § 22 Nr 1 S 1 EStG auszugehen (s Urt des BFH v 14.07.2010, BStBl II 2014, 320).

Nach Verw-Auff (s Schr des BMF v 27.06.2006, BStBl I 2006, 417) fallen unter § 20 Abs 1 Nr 9 EStG alle wiederkehrenden oder einmaligen Leistungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge ausgekehrt werden. Danach erzielen der Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge entspr Eink aus KapV. Wegen der krit Auseinandersetzung mit der Verw-Auff s Wassermeyer (DStR 2006, 1733, 1734) und s Haas (DStR 2010, 1011).

Die Rspr der FG ist unterschiedlich.

Nach Auff des FG SchlH (s Urt des FG SchlH v 07.05.2009, EFG 2009, 1558) ist eine "wirtsch Vergleichbarkeit" iSv § 20 Abs 1 Nr 9 EStG gegeben, wenn der Leistungsempfänger in einem weiteren Sinn eine gesellschafterähnliche Position bei der Stiftung einnimmt. Das dem nachstehend erläuterten Urt des BFH v 03.11.2010 zu Grunde liegende Urt des FG Berlin-BB v 16.09.2009 (EFG 2010, 55) widerspricht dem oa Schr des BMF v 27.06.2006 in allen Punkten. Danach besteht eine "wirtsch Vergleichbarkeit" mit GA iSv § 20 Abs 1 Nr 1 EStG nicht, weil weder Zahlungen an Destinatäre mit GA iSd § 20 Abs 1 Nr 1 EStG noch Destinatäre mit AE oder Mitgliedern einer Kö vergleichbar sind. Auch in der stlichen Fachlit (s stellvertretend Kirchhain, ZSt 2004, 22 und BB 2006, 2387; s Freundl, DStR 2004, 1509, 1513; s Jansen/Gröning, StuW 2003, 140; s Kußmaul/Meyering, ZSteu 3/2004, 41, 43; s Wassermeyer, DStR 2006, 1733, 1734; s Orth, DStR 2001, 325, 333 und s Kellersmann/Schnitger, IStR 2005, 253, 258) wurden die unterschiedlichsten Auff vertreten.

Mit seinem Urt v 03.11.2010 (BStBl II 2011, 417; dazu auch s Jahn/Oppel, DB 2011, 1187) entschied der BFH die Streitfrage idS, dass es sich bei den Leistungen einer Stiftung an ihre Destinatäre um Eink aus KapV handelt, wenn die Leistungsempfänger unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Steuer Office Excellence enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge