Keine Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos bei rechtsfähigen privaten Stiftungen
Hintergrund: Gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 179 Abs. 1 AO
Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahrs auf einem besonderen Konto (steuerliches Einlagekonto) auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto ist ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahrs fortzuschreiben (§ 27 Abs. 1 Satz 2 KStG). Der sich danach ergebende Bestand des steuerlichen Einlagekontos ist nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG gesondert festzustellen. Dieser Bescheid über die gesonderte Feststellung ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 KStG).
Sachverhalt: Familienstiftung
Die Klägerin, eine rechtsfähige private Stiftung des bürgerlichen Rechts, wurde im Jahr 2010 durch den Stifter X gegründet und mit einem Anfangsvermögen ausgestattet. Stiftungszweck ist die Förderung der eigenen Familie des X (Familienstiftung).
Mit der Körperschaftsteuererklärung für das Streitjahr 2013 reichte die Klägerin eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG zum 31.12.2013 ein. Darin gab sie den Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs und dessen Endbestand zum 31.12.2013 an.
Das FA lehnte die Feststellung eines Bestands des steuerlichen Einlagekontos ab, da die Rechtsform der Stiftung nicht vom Wortlaut des § 27 Abs. 7 KStG erfasst werde. Zudem fehle ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis zwischen Stiftung und Stifter. Die Stiftung gewähre keine Mitgliedschaftsrechte, die einer kapitalmäßigen Beteiligung am Vermögen der Stiftung gleichstünden. Ein Einspruch blieb erfolglos.
FG gab der Klage teilweise statt
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt und verpflichtete das FA, den Bestand des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31.12.2013 mit 0 EUR gesondert festzustellen. Zwar seien in § 27 Abs. 7 KStG ausdrücklich nur Körperschaften und Personenvereinigungen, nicht aber sonstige Vermögensmassen erwähnt. Trotzdem erfülle die Klägerin als anderes unbeschränkt steuerpflichtiges Körperschaftsteuersubjekt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG die Voraussetzungen des § 27 Abs. 7 KStG, da sie Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gewähren könne. Allerdings sei der Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum 31.12.2013 lediglich mit 0 EUR festzustellen. Ob die Zuführungen des Stifters zum Stiftungskapital mit Nennkapital vergleichbar seien, könne hierfür dahingestellt bleiben. Da die Zuführungen nur die Vorjahre beträfen, habe es im Streitjahr jedenfalls keine Änderungen des steuerlichen Einlagekontos gegeben.
Entscheidung: BFH hält die Revision des FA für begründet
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben. Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass eine ausreichende Rechtsgrundlage für die gesonderte Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos der Klägerin zum 31.12.2013 besteht. Der BFH begründet seine Auffassung u.a. wie folgt:
- Die Regelung des § 27 Abs. 1 KStG ist insoweit nicht ausreichend belastbar. Denn die Klägerin ist keine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG, sondern eine rechtsfähige private Stiftung des bürgerlichen Rechts im Sinne der §§ 80 ff. BGB, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG als sonstige juristische Person des privaten Rechts der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt.
- Darüber hinaus wird die Klägerin auch nicht vom Wortlaut des § 27 Abs. 7 KStG erfasst. Diese Vorschrift sieht eine sinngemäße Anwendung von § 27 Abs. 1 bis 6 KStG nur für andere unbeschränkt steuerpflichtige "Körperschaften und Personenvereinigungen" vor. Rechtsfähige private Stiftungen des bürgerlichen Rechts sind aber weder Körperschaften noch Personenvereinigungen, sondern gehören zu den Vermögensmassen, die der Gesetzgeber grundsätzlich von Körperschaften und Personenvereinigungen abgrenzt (z.B. in § 1 Abs. 1 KStG und in § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Die Einordnung als Vermögensmasse ergibt sich daraus, dass bei solchen Stiftungen weder eine Beteiligung der Begünstigten (Destinatäre) am Vermögen möglich ist noch Mitgliedschaftsrechte bestehen.
- Dessen ungeachtet gehen nicht nur die Vorinstanz, sondern auch andere FG und die mittlerweile herrschende Meinung in der Literatur davon aus, dass § 27 Abs. 7 KStG auch rechtsfähige private Stiftungen des bürgerlichen Rechts erfasst. Dies wird überwiegend damit begründet, dass diese Stiftungen an ihre Destinatäre Leistungen erbringen könnten, die nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG steuerpflichtig seien. Da diese Vorschrift auch auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG Bezug nehme, müssten Stiftungen ein steuerliches Einlagekonto führen. Die Nichterwähnung der Vermögensmassen in § 27 Abs. 7 KStG sei ein Versehen des Gesetzgebers.
- Der BFH folgt dem nicht. Entscheidend ist, dass die Ausdehnung des persönlichen Anwendungsbereichs der gesonderten Feststellung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 KStG auf rechtsfähige private Stiftungen des bürgerlichen Rechts dem klaren Wortlaut des § 27 Abs. 7 KStG widerspricht. Allein der Umstand, dass Leistungen der Klägerin zu Einkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG führen können, reicht nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 7 KStG gerade nicht aus, um ein gesondertes Feststellungsverfahren durchzuführen.
- Für rechtsfähige private Stiftungen des bürgerlichen Rechts fehlt nach der im Streitjahr maßgebenden Rechtslage eine den Anforderungen des § 179 Abs. 1 AO genügende Rechtsgrundlage zur gesonderten Feststellung des Bestands des steuerlichen Einlagekontos.
BFH, Urteil v. 17.5.2023, I R 42/19; veröffentlicht am 10.12.023
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