6.7.1 Rechtslage bis einschließlich Besteuerungszeitraum 2016
Tz. 108
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Das UStG in der bis einschl Besteuerungszeitraum (= Kj) 2016 geltenden Fassung stellte hinsichtlich der Voraussetzungen zur Annahme eines BgA auf die kstliche Definition ab: nach § 2 Abs 3 UStG in dieser Fassung des Gesetzes "sind die jur Pers d öff Rechts nur im Rahmen ihrer BgA (s § 1 Abs 1 Nr 6, § 4 KStG) und ihrer L + F-Betriebe gew oder beruflich tätig". Hierzu ebenso s UStAE zu § 2, Nr 2.11 (4), der für die ustliche Beurteilung des Vorliegens eines BgA auch auf die KStR – insbes R 4.1 KStR 2015 – verwies, einschl der Anwendung der dort genannten Umsatzgrenzen von (früher) 35 000 EUR (s Tz 32) und 130 000 EUR (s Tz 28). Daneben wurden in § 2 Abs 3 S 2 UStG, auch wenn die kstlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren, einige Tätigkeiten von jur Pers d öff Rechts – nur für USt-Zwecke – als gew oder beruflich definiert.
Für USt-Zwecke war bei der Prüfung, ob ein BgA vorlag, daneben jedoch stets noch die "Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem" (MwStSystRL; ABl der Europäischen Gemeinschaften 2006 Nr L 347, 1), die zum 01.01.2007 in Kraft getreten ist, zu beachten, die gegenüber den kstlichen Kriterien zur Annahme von BgA gravierende Unterschiede aufweist:
- Die UStPflicht knüpft nicht an das Vorliegen einer Einrichtung (s Tz 26ff) an, sondern nur an bestimmte Tätigkeiten oder erbrachte Leistungen (s Urt des BFH v 17.03.2010, BStBl II 2017, 828).
- Die Abgrenzung zwischen hoheitlicher Tätigkeit und einem BgA ist danach vorzunehmen, ob die jur Pers d öff Rechts die betreffende Tätigkeit nach Maßgabe einer öff-rechtlichen Sonderregelung erbringt, also iRe eigens für sie geltenden rechtlichen Regelung und nicht unter den gleichen rechtlichen Bestimmungen wie private Wirtschaftsteilnehmer. Gegenstand oder Zielsetzung der Tätigkeit sind dagegen unerheblich.
- Auch die Vermögensverwaltung gehört grds zu den "wirtsch Tätigkeiten" iSd MwStSystRL.
- Die Tätigkeiten oder Leistungen, die den jur Pers d öff Rechts iRd öff Gewalt obliegen, werden nur dann von der Besteuerung ausgenommen, wenn eine Behandlung als Nicht-Stpfl nicht zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde.
Ausführlich zu den unterschiedlichen Ansätzen zur Abgrenzung zwischen BgA und Hoheitsbetrieb im KSt- und im UStR s Seer/Klemke (BB 2010, 2015).
Diese EU-rechtlichen Grundlagen hat der BFH einer ganzen Reihe von Entsch zugrunde gelegt; eine Auflistung dieser Urt enthält das Schr des BMF v 27.07.2017 (BStBl I 2017, 1239).
Diese Rspr des BFH hatte zu einer großen Verunsicherung bei den jur Pers d öff Rechts und bei der Fin-Verw hinsichtlich der bei der Umsatzbesteuerung der jur Pers d öff Rechts anzuwendenden Grundsätze geführt (hierzu s auch Beschl der Innenministerkonferenz v 01.06.2012, ZKF 2012, 209). Aus diesen Gründen wurden die meisten der genannten Urt zunächst nicht im BStBl veröffentlicht und daher von der Fin-Verw nicht allg angewendet; eine gemeinschaftsrechtskonforme Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öff Hand wurde jedoch immer drängender.
6.7.2 Änderungen durch die Einführung des § 2b UStG
Ausgewählte Literaturhinweise:
Pithan, Umfassender Systemwechsel bei der Umsatzbesteuerung der öff Hand: § 2b UStG – Was nun? Was tun?, ZKF 2015, 271;
Baldauf, Neuregelung der Unternehmereigenschaft öff Träger-Kö durch das StÄndG 2015 – Einführung eines neuen § 2b UStG, DStZ 2016, 355;
Küffner/Rust, Reform der Umsatzbesteuerung der öff Hand, DStR 2016, 1633;
Sterzinger, Änderungen des UStG durch das StÄndG 2015, UR 2016, 1;
Trost/Menebröcker, Neuregelung der Besteuerung der öff Hand: Optionserklärung jur Pers d öff Rechts, DB 2016, 2622;
Widmann, Anwendung des neuen § 2b UStG gem. § 27 Abs 22 UStG, UR 2016, 13;
Sterzinger, Einzelfragen zur Optionserklärung nach § 27 Abs 22 UStG, DStR 2016, 294;
Küffner/Rust, Anm zum Schr des BMF v 16.12.2016, DStR 2017, 47;
Baldauf, Unternehmereigenschaft öff-rechtlicher Träger-Kö: Administrierung des unionswidrigen § 2 Abs 3 UStG aF bis zum 31.12.2020 – Bewertung des BMF-Schr vom 27.07.2017, BStBl I 2017, 1239, DStZ 2018, 567.
Tz. 108a
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Die angestrebte ges Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öff Hand erfolgte iRd StÄndG 2015 v 02.11.2015. Die Unternehmereigenschaft der öff Hand wurde im UStG durch die Einfügung des § 2b UStG eigenständig und losgelöst von der kstlichen Definition des BgA normiert. § 2 Abs 3 UStG, der insoweit an die kstliche Regelung anknüpfte (s Tz 108), wurde aufgehoben. Mit der Neuregelung sollen die unionsrechtlichen Vorgaben der MwStSystRL (s Tz 108) in nationales Recht umgesetzt werden.
Mit Schr v 16.12.2016 (BStBl I 2016, 1451) hat das BMF zur Anwendung des § 2b UStG Stellung genommen.
Tz. 108b
Stand: EL 108 – ET: 12/2022
Nach § 27 Abs 22 UStG ist § 2b UStG auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2016 ausgeführt werden; für vor dem 01.01.2017 ausgeführte Umsätze gilt weiterhin § 2 Abs 3 UStG aF. Da die ges Neuregelung der Umsatzbesteuerung der öff Hand ggf gravierende und im Vorhinein schwer abzuschätzende stliche Folgen nach sich zieht, wurde den Stpfl in § 27 Abs 22 S 3ff UStG ...