Andreas Benecke, Dr. Wendelin Staats
Tz. 700
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
§ 12 Abs 4 KStG ergänzt den allg Entstrickungstatbestand des § 12 Abs 1 KStG und soll eine Aufdeckung stiller Reserven infolge eines Rechtsträgerwechsels, welcher sich aus der Anwendung der Sitztheorie auf doppelt ansässige Kö britischer Rechtsform ergeben könnte, verhindern. Hierzu wird einer
- unbeschr stpfl Kö mit Sitz im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland nach dem Brexit
- das BV ununterbrochen zugerechnet, das ihr bereits vor dem Brexit zuzurechnen war.
7.1 Persönlicher Anwendungsbereich
Tz. 701
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Der pers Anwendungsbereich des § 12 Abs 4 KStG ist auf Kö mit Sitz iSd § 11 AO im Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland beschr. Dh es betrifft nur Kö britischer Rechtsform (insbes Limited) und keine Pers-Vereinigungen und Vermögensmassen britischer Rechtsform oder doppelt ansässige Kö schweizerischer Rechtsform. Diese müssen im Inl unbeschr stpfl sein, dh sie müssen ihren Ort der Geschäftsleitung iSd § 10 AO im Inland haben (s auch Kudert/Kahlenberg, FR 2019, 250, 253).
Aufgr des Sachzusammenhangs muss die unbeschr Stpfl im Inl bereits im Zeitpunkt des Brexits vorgelegen haben. Dh auf eine im Zeitpunkt des Brexit beschr stpfl Limited ist § 12 Abs 4 KStG nicht anwendbar, wenn die unbeschr StPflicht erst nach dem Brexit begründet würde.
7.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Tz. 702
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Der sachliche Anwendungsbereich der Regelung ist auf die Zurechnung des im Austrittszeitpunkt nach § 39 AO zuzurechnenden BV begrenzt. Andere Fragen, die sich aufgr der Sitztheorie und der damit verbundenen Behandlung der Kö britischer Rechtsform als Personenhandelsgesellschaft oder als Einzelkaufmann, falls die Kö britischer Rechtsform ein Handelsgewerbe betreibt, stellen könnten, werden vom Ges-Geber nicht adressiert. So bleibt zB unklar, ob bzw welche stlichen Folgen sich aus der gesellschaftsrechtlich bedingten "Zwangsumwandlung" auf Kö britischer Rechtsform ergeben können, die als Organträger fungieren. Hier könnte ua die für die finanzielle Eingliederung erforderliche Stimmenrechtsmehrheit problematisiert werden, da es insoweit nicht auf die "Zurechnung" der Beteiligung, sondern die Mehrheit der Stimmrechte ankommt.
7.3 Bedeutung der Norm
Tz. 703
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Diese Regelung hat uE nur deklaratorischen Charakter, denn nach dem derzeitigen Stand der Rspr des BFH kommt es auch für den Zuzug ausl Rechtsformen einzig auf den sog Typenvergleich an (s zB Schnittker/Benecke, FR 2010, 565, 574 mwNachw, zur Rspr des BFH und ihren Folgen auf den Zuzug von Kap-Ges aus Gründungstheoriestaaten; Geyer/Ullmann, DStR 2019, 305, 311; Holle/Weiss, IWB 2019, 250, 251f). Im Ergebnis scheint dies auch der Ges-Geber so zu sehen (s BT-Drs 19/7959, 35). Dieser Einordnung der Limited nach dem Typenvergleich als KSt-Subjekt und Subjekt der Einkunftserzielung folgt auch die Zurechnung der WG nach § 39 AO. Andernfalls würde die Rspr zum Typenvergleich ins Gegenteil verkehrt werden, wenn die gesellschaftsrechtliche Sitztheorie zwar für die Beurteilung als KSt-Subjekt unbeachtet bleibt, sie aber für Zwecke der Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums – insbes im Fall der sog Einmann-Limited (dies bezweifelnd s Link, IWB 2019, 38, 41; dies offenlassend s Holle/Weiss, IWB 2019, 250, 252) – von Bedeutung sein soll. Denn die Rspr des BFH zum Typenvergleich knüpft nicht an die Grundsätze des dt IPR an, sondern es kommt allein auf eine eigenständige stliche Wertung an (Holle/Weiss, IWB 2019, 250, 252).
Tz. 704
Stand: EL 105 – ET: 03/2022
Bei Kap-Ges britischer Rechtsform (insb Limited) führt der Typenvergleich dazu, dass ein KSt-Subjekt iSv § 1 Abs 1 Nr 1 KStG (nicht § 1 Abs 1 Nr 5 KStG) vorliegt. Davon scheint neuerdings auch der BFH auszugehen (s BFH v 08.09.2010, 186, zu einer AG schweizerischer Rechtsform mit inl Geschäftsleitung; anders – noch die inl Rechtsfähigkeit des KSt-Subjekts nach dt IPR betonend – s BFH v 23.06.1992, 972, zu einer AG liechtensteinischer Rechtsform mit inl Geschäftsleitung). Hierfür spricht nicht zuletzt auch die Änderung des § 1 Abs 1 Nr 1 KStG durch das SEStEG v 07.12.2006, wodurch die bislang abschließende Aufzählung der Rechtsformen durch Einfügung des Wortes "insbesondere" um sämtliche Kap-Ges inl oder ausl Rechtsformen geöffnet wurde (s zB Klein, H/H/R, § 1 KStG Rn 35). Bei der Einordnung ausl Rechtsformen in die Aufzählung des § 1 Abs 1 Nr 1 bis 5 KStG reicht es damit im Ergebnis nicht mehr aus, "nur" eine Einordnung als Kö oder Pers-Ges vorzunehmen, sondern – wie bei der Beurteilung der Umwandlungsfähigkeit (s Schr des BMF v 11.11.2011, BStBl I 20 122, 1314, Rn 01.27) – hat eine genaue Zuordnung in den Katalog des § 1 KStG anhand der jeweiligen rechtlichen Merkmale des KSt-Subjekts ausl Recht...