Lars Leibner, Ewald Dötsch
Tz. 250
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Durch das WachstumsBG v 22.12.2009 (BStBl I 2009, 3950) wurde der damalige § 8c Abs 1 KStG mit erstmaliger Geltung für nach dem 31.12.2009 erfolgte schädliche Beteiligungserwerbe um drei weitere S 6–8 (sog Stille-Reserven-Klausel) erweitert. Durch das JStG 2010 v 08.12.2010 (BStBl I 2010, 1768) schließlich wurden in § 8c Abs 1 KStG idFd WachstumsBG der S 6 geändert und ein neuer S 8 eingefügt. Durch die rückwirkend geltende Neufassung des § 8c Abs 1 KStG durch das UStAVermG ist die Stille-Reserven-Klausel nunmehr in § 8c Abs 1 S 5–8 KStG geregelt.
Nach § 8c Abs 1 S 5 KStG gilt der in § 8c Abs 1 S 1 KStG geregelte vollständige Verlustuntergang nur, soweit die nicht genutzten Verluste die im Inl stpfl stillen Reserven des BV der Verlust-Kö übersteigen. § 8c Abs 1 S 6 KStG definiert die stillen Reserven für Zwecke der Anwendung des § 8c Abs 1 S 5 KStG. Der S 7 des § 8c Abs 1 KStG betrifft Fälle, in denen das EK der Kö negativ ist und bei denen die Anwendung des S 6 zu unzutr Ergebnissen führen würde. § 8c Abs 1 S 8 KStG regelt, dass eine Erhöhung der stillen Reserven der Verlust-Kö durch einen mit stlicher Rückwirkung vollzogenen Umw-Vorgang nicht zu berücksichtigen ist.
Tz. 251
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Die Grundidee der Neuregelung geht auf den durch das MoRaKG v 12.08.2008 (BGBl I 2008, 1672) eingefügten, aber wegen der versagten Genehmigung durch die EU-KOM nicht in Kraft getretenen § 8c Abs 2 KStG zurück. Es ist die Überlegung, dass die Verlust-Kö auch bei der Veräußerung der WG mit stillen Reserven ihre Verluste in entspr Höhe nutzen könnte (bei Außerachtlassung der Mindestgewinnbesteuerung). Wegen einer Auseinandersetzung mit den denkbaren Motiven der Neuregelung s Bien/Wagner (BB 2009, 2627, 2630).
Wie der nicht in Kraft getretene § 8c Abs 2 KStG regelt auch § 8c Abs 1 S 5 bis 8 KStG, dass es iHd im BV der Verlust-Kö enthaltenen stillen Reserven nicht zum Untergang des Verlustabzugs kommt, ohne allerdings auch die Aufdeckung dieser stillen Reserven und Verrechnung mit dem nicht genutzten Verlust vorzuschreiben. Dadurch stehen die stillen Reserven bei einem (unmittelbaren oder mittelbaren) Folgeerwerb der Beteiligung an der Verlust-Kö erneut zur Verfügung (s Sistermann/Brinkmann; DStR 2009, 2633, 2635).
Die S 5–8 des § 8c Abs 1 KStG sehen keine "Deckelung" der zur Verlustrettung zur Verfügung stehenden stillen Reserven in Anlehnung an die Mindestgewinnbesteuerung vor, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass beim Abzug des "geretteten" Verlusts die Grundsätze der Mindestgewinnbesteuerung zu beachten sind.
Nach Auff des FG Köln (s rkr Urt des FG Köln v 17.05.2018, EFG 2020, 732 mit Urt-Anm Hollatz und s Hennigfeld, DB 2020, 1148) sei die Stille-Reserven-Klausel ges-gebungstechnisch missglückt und genüge dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot nur eingeschr. Um einem im Hinblick auf das Gebot der Folgerichtigkeit der Besteuerung ungewollten Normüberhang entgegenzuwirken, sei eine großzügige Auslegung geboten.
Tz. 251a
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Die Stille-Reserven-Klausel ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Aus dem Wortlaut des § 8c Abs 1 S 5 bis 8 KStG ergibt sich kein Antragserfordernis. Unabhängig davon hat die Verlust-Kö aber die Feststellungslast für die Höhe der stillen Reserven (s Suchanek in H/H/R, § 8c KStG Rn 16).
Insbes in Fällen, in denen zunächst ein Antrag auf Anwendung des § 8d KStG gestellt wurde, aber dessen materiellen Voraussetzungen nicht vorliegen, bedarf es zur Anwendung der Stille-Reserven-Klausel nach § 8c Abs 1 S 5 bis 8 KStG keiner Rücknahme des Antrags. Denn § 8d Abs 1 S 1 KStG schließt die Anwendung des § 8c KStG nur dann aus, wenn die Voraussetzungen des § 8d KStG vorliegen. Vor diesem Hintergrund gehen Binnewies/Mehlhaf (s DStR 2022, 1244, 1245) zutr davon aus, dass die Stille-Reserven-Klausel nach § 8c Abs 1 S 5 bis 8 KStG trotz eines Antrags nach § 8d KStG anzuwenden ist, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 8d KStG (s § 8d KStG Tz 14ff) nicht erfüllt sind.
Tz. 252
Stand: EL 116 – ET: 12/2024
Rn 49 des BMF-Schr v 28.11.2017 regelt – uE zutr – das Verhältnis der Stille-Reserven-Klausel zur Konzernklausel (§ 8c Abs 1 S 4 KStG). Danach ist die Konzernklausel vorrangig zu prüfen; bei Vorliegen von deren Voraussetzungen liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb nicht vor, und zwar auch kein sog Zählerwerb (s Tz 51 und s Tz 225). Die Stille-Reserven-Klausel setzt einen schädlichen Beteiligungserwerb von mehr als 50 % voraus, der ohne ihre Anwendung zum vollständigen Verlustuntergang führen würde. Während die Konzernklausel entweder ganz oder gar nicht wirkt, hat die Stille-Reserven-Klausel eine quantitative Wirkung, dh der Verlust bleibt in dem Umfang der stillen Reserven erhalten.