Ewald Dötsch, Alexandra Pung
Tz. 682
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Der Regelung des § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG wird mit beachtlichen Argumenten die Nichtvereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht vorgeworfen.
Die Verfassungswidrigkeit der Regelung wegen Verstoßes gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 GG, den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtsch Leistungsfähigkeit sowie gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit und der Angemessenheit bejahen Schneider/Schmitz (GmbHR 2013, 281, 287) und Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 529a–534). Vorgeworfen wird der Regelung insbes, dass sie die doppelte Verlustnutzung nur für den Fall des Bestehens einer Organschaft einschr, während außerhalb der Organschaft die grenzüberschreitende Doppelnutzung von Verlusten nicht beschr ist (s Löwenstein/Maier, IStR 2002, 188; s Frotscher, in F/D, § 14 KStG Rn 479; s Neumann, in Gosch, 4. Aufl, § 14 KStG Rn 476; s Brink, in Sch/F, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 973a ff und s Endres/Thies, RIW 2002, 275; dazu auch s Tz 691ff). Hinzu kommt, dass § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG nur doppelt berücksichtigte negative Eink betrifft, während er doppelt berücksichtigte positive Eink nicht anspricht, worin ein Verstoß gegen die Besteuerung nach der wirtsch Leistungsfähigkeit zu sehen ist.
Tz. 683
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Schließlich wird dem § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG sowohl in seiner Ursprungsfassung als auch in der Fassung des Ges zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des stlichen Reisekostenrechts vorgeworfen, sie entfalte eine Rückwirkung. § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG idFd UntStFG hatte eine zu tolerierende unechte Rückwirkung, weil er auch auf vor dem 20.12.2001 verwirklichte Sachverhalte anwendbar war (s Frotscher, in F/D, § 14 KStG Rn 485a).
Weitaus gravierender is1t die Situation hinsichtlich § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG idF des Ges zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des stlichen Reisekostenrechts. In der rückwirkenden Anwendung dieser die Unternehmen belastenden Regelung wird zu Recht eine verfassungswidrige echte Rückwirkung gesehen (s Frotscher, in F/D, § 14 KStG Rn 485d; weiter s von Freeden/Liekenbrock, DB 2013, 1690; s Brink, in Sch/F, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 968a und s Rödder/Liekenbrock, in R/H/N, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 446). Ähnlich s Kröner/Momen/Boller (IStR 2013, 405); dazu auch s Replik von Walter (IStR 2013, 535) mit Duplik von Kröner/Momen/Boller (IStR 2013, 535) zur Frage einer Berichtigungspflicht nach § 153 AO für bereits eingereichte St-Erklärungen. Eine Berichtigungspflicht verneinend s Brink (in Sch/F, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 968c).
Der BFH hat die Frage mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen (s Urt des BFH v 12.10.2016, BStBl II 2022, 123 Rn 48).
Nach dem Urt des FG Ddf v 30.03.2022 (EFG 2022, 1226, Rev-Az: I R 20/22) ist der Normtext verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Regelung für VZ vor 2013 jedenfalls dann keine Anwendung findet, wenn die OG Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inl hatte und deshalb gerade nicht von der Aufgabe des doppelten Inl-Bezugs (s Tz 678) betroffen ist. Ebenfalls hierzu s Gänsler (Ubg 2022, 494).
Tz. 684
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Europarechtliche Bedenken mit Hinw auf das Urt des EuGH v 06.09.2012 – C 18/11 (ISR 2012, 101) in der Rs Philips Elektronic UK Ltd äußert Gosch (IWB 2012, 694, 696). Krit ebenso s Schwenke (ISR 2013, 41, 44). Den § 14 Abs 1 S 1 Nr 5für unionsrechtswidrig halten auch Scheipers/Linn (IStR 2013, 139), Goebel/Ungemach (NWB 2013, 595), Schnitger (in Benecke/Schnitger, IStR 2013, 143, 151), Schaden/Polatzky (IStR 2013, 131, 137), Schneider/Schmitz (GmbHR 2013, 281, 287), von Freeden/Liekenbrock (DB 2013, 1690), Rödder/Liekenbrock (in R/H/N, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 447), Brink (in Sch/F, 2. Aufl, § 14 KStG Rn 973l ff), Kraue (DB 2019, 1097, 1100) und Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 535–537b).
Auch bejaht Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 536) wegen der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit einen Verstoß gegen Art 49 AEUV.
Tz. 685
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Frotscher (in F/D, § 14 KStG Rn 537c) verneint in den Fällen einer ausl BetrSt, in denen das DBA die Anrechnungsmethode vorsieht, wegen eines unzulässigen treaty override die Vereinbarkeit mit DBA-Recht. Dem ist uE nicht zuzustimmen. Sog treaty overrides, die der Verhinderung der doppelten Verlustnutzung dienen, sind uE, wie treaty overrides zur Verhinderung sog weißer Eink, verfassungsrechtlich zulässig (s § 8b KStG Tz 126). Weiter ist uE fraglich, ob tats ein sog treaty override vorliegt. Die Tatsache, dass D grds die ausl BetrSt-Eink unter Anrechnung der ausl St nach dem einschlägigen DBA besteuern darf, heißt uE noch nicht, dass die Verluste dann auch tats im Inl berücksichtigt werden müssen. Ansonsten wäre zB auch § 2a EStG mit DBA-Recht nicht vereinbar.
Weiter ist uE ein DBA, nach dem die negativen Eink im Inl zu berücksichtigen sind, auch nicht ggü § 14 Abs. 1 S 1 Nr 5 KStG vorrangig anzuwenden. Vielmehr kann uE § 14 Abs 1 S 1 Nr 5 KStG nur für die negativen Eink einschlägig sein, die nach DBA im Inl zu...