Lars Leibner, Ewald Dötsch
Tz. 61
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
Unter dem in § 8d Abs 2 S 2 Nr 2 KStG enthaltenen Tatbestandsmerkmal der "Zuführung zu einer anderen Zweckbestimmung" ist uE in erster Linie ein Branchenwechsel zu verstehen. Ein solcher Wechsel der Branche ist nach der Ges-Begr (s BR-Drs 544/16, 9) schädlich und führt zum Untergang des fortführungsgebundenen Verlustvortrags. Auch hierin kommt der Grundgedanke des § 8d KStG zum Ausdruck, wonach die fortzuführenden Verluste nur mit späteren Gewinnen aus demselben und nicht mit Gewinnen aus einem anderen neuen Geschäftsbetrieb verrechnet werden dürfen.
Ein Branchenwechsel liegt bei einer wes Änderung der wirtsch Betätigung bzw des tats Gegenstands des Unternehmens vor. Dabei ist die allg Verkehrsanschauung zu berücksichtigen (s Rn 31 des BMF-Schr v 18.03.2021). Die Änderung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands stellt zwar regelmäßig ein Indiz für einen Branchenwechsel dar. Dies gilt aber nur dann, wenn es sich nicht lediglich um eine redaktionelle Anpassung des satzungsmäßigen Unternehmensgegenstands handelt (glA s Arbeitskreis Steuern und Revision im BWA eV, DStR 2017, 2457, 2461; und s Dörr/Reisich/Plum, NWB 2017, 573, 575). Diesem Ansatz folgt auch die FinVerw (s Rn 31 S 4 des BMF-Schr v 18.03.2021). Da es letztlich aber nicht auf eine nur formale Satzungsänderung ankommen kann, geht die Ges-Begr (s BR-Drs 544/16, 9) zutr davon aus, dass darüber hinaus auch die Änderung der tats wirtsch Zweckbestimmung des Geschäftsbetriebs den Wegfall des fortführungsgebundenen Verlustvortrags zur Folge hat. GlA s Beschl des FG SnA v 15.11.2022 (s EFG 2023, 793 mit Urt-Anm Falk; s auch Rüsch, GmbHR 2023, 659, 662), wonach mit dem Wort "Betätigung" in § 8d Abs 1 S 3 KStG nur die tats Tätigkeit der Verlust-Kö gemeint sein kann, mit der die Verluste erwirtschaftet wurden. Folglich können die Angaben zum Unternehmenszweck im Gesellschaftsvertrag und im HReg sowie die Angaben in den Gewerbeanmeldungen allenfalls indizielle Bedeutung haben.
Für die Prüfung eines schädlichen Branchenwechsels sind nach der Ges-Begr (s BR-Drs 544/16, 9) die bereits bei der Definition des Geschäftsbetriebs in § 8d Abs 1 S 4 KStG verwendeten qualitativen Merkmale heranzuziehen:
- angebotene Produkte/Dienstleistungen,
- Kunden- und Lieferantenkreis,
- bediente Märkte,
- Arbeitnehmerschaft (nicht Anzahl der Arbeitnehmer, sondern deren Qualifikationsprofil).
Problematisch erscheint hierbei, dass ein Wechsel der Branche idR ein langsamer und "schleichender" Vorgang ist. In den seltensten Fällen wird ein Unternehmer innerhalb von Wochen oder Monaten sein bisheriges Geschäftsfeld beenden und seine wirtsch Tätigkeit vollständig neu ausrichten. Die Frage, wann sich ein Branchenwechsel vollzogen hat, ist schwer zu bestimmen und streitanfällig (glA s Frey/Thürmer, GmbHR 2016, 1083, 1086).
Bei der Prüfung darf uE auch nicht nur auf ein Kriterium abgestellt werden, sondern es hat vielmehr eine Gesamtschau zu erfolgen, in dem diese Kriterien zu würdigen und zu gewichten sind. GlA s die im Vorfeld des Ges-Gebungsverfahrens zu § 8d KStG eingesetzte Bund-/Länder-AG (dazu s FR 2017, 113, 125) und s Engelen/Bärsch (DK 2017, 22, 23), nach deren Auff für das Vorliegen eines Geschäftsbetriebs auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen ist, wobei die in § 8d Abs 1 S 3 und 4 KStG angeführten Kriterien nicht sämtlich vorliegen bzw gleich stark ausgeprägt sein müssen. Die FinVerw dürfte ebenfalls auf das Gesamtbild der Verhältnisse abstellen (so zumindest für den Begriff des Geschäftsbetriebs, s Rn 17 S 5 des BMF-Schr v 18.03.2021; s Tz 34). Je mehr Kriterien sich inhaltlich verändern oder im Vergleich zur vorherigen Betätigung abweichen, umso eher wird von einem Branchenwechsel auszugehen sein. Auch der Arbeitskreis Steuern und Revision im BWA eV (s DStR 2017, 2457, 2459) und Kessler/Egelhof/Probst (s DStR 2017, 1289, 1294) halten eine Gesamtbetrachtung für geboten, da nur eine kumulative Änderung der qualitativen Merkmale zu einer Änderung der wirtsch Identität führt.
Tz. 62
Stand: EL 115 – ET: 09/2024
UE ist Frey/Thürmer (s GmbHR 2016, 1083, 1086) darin zuzustimmen, dass für die Auslegung des Begriffs "Branchenwechsel" auf die bisherigen Erfahrungen mit § 8 Abs 4 KStG aF und § 12 Abs 3 UmwStG aF zurückgegriffen werden sollte.
Auch bei der früheren Mantelkaufregelung in § 8 Abs 4 KStG aF bestand ein Fortführungserfordernis; dies wurde allerdings nicht anhand von qualitativen, sondern von quantitativen Merkmalen geprüft (Bestandsveränderungen im Hinblick auf Umsatz, Auftragsvolumen, Aktivvermögen, Anzahl der Arbeitnehmer; s Schr des BMF v 16.04.1999, BStBl I 1999, 455 Rn 17). Danach war ein Abschmelzen des Geschäftsbetriebs innerhalb von fünf Jahren um mehr als die Hälfte seines Umfangs schädlich.
§ 8d Abs 2 KStG geht allerdings von einer rein tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise aus; es ist also eine qualitative und keine quantitative Betrachtung vorzunehmen. Beispielsweise soll für das Kriterium der Arbeitnehmerschaft nicht auf die Zahl de...