Lars Leibner, Ewald Dötsch
Tz. 79
Stand: EL 104 – ET: 12/2021
Nach § 8d Abs 2 S 1 Hs 2 KStG geht bei Eintritt eines der in Abs 2 genannten schädlichen Ereignisse ein nach Abs 1 festgestellter fortführungsgebundener Verlustvortrag unter, wobei aber § 8c Abs 1 S 5–8 KStG (sog Stille-Reserven-Klausel, dazu s § 8c KStG Tz 250ff) entpr gilt. Das bedeutet, dass der vom Untergang bedrohte fortführungsgebundene Verlustvortrag insoweit erhalten bleibt, als die Verlust-Kö zum Schluss des dem Eintritt des schädlichen Ereignisses vorangegangenen VZ (31.12., 24:00 Uhr) über stille Reserven verfügt.
Der Verlusterhalt iHd stillen Reserven iSd § 8d Abs 2 S 1 Hs 2 KStG gilt sowohl für die Einstellung des Geschäftsbetriebs nach § 8d Abs 2 S 1 KStG als auch für sämtliche andere, der Einstellung gleichgestellten schädlichen Ereignisse nach § 8d Abs 2 S 2 KStG ("Gleiches gilt, wenn"); glA s Moser/Witt (DStZ 2017, 235, 236).
Beispiel 1 (in Anlehnung an Bsp 29 in Rn 70 des BMF-Schr v 18.03.2021):
Für die Verlust-Kö wurde zum 31.12.01 ein fortführungsgebundener Verlustvortrag iSd § 8d KStG iHv 400 000 EUR gesondert festgestellt. Die stillen Reserven betragen zum 31.12.01 280 000 EUR. Die Verlust-Kö beteiligt sich zum 01.04.02 an einer MU-Schaft.
Lösung:
Die Beteiligung an einer MU-Schaft im Jahr 02 stellt ein schädliches Ereignis nach § 8d Abs 2 S 2 Nr 4 KStG dar. Dadurch steht der zuletzt auf den 31.12.01 festgestellte fortführungsgebundene Verlustvortrag iHv 400 000 EUR grds nicht mehr für eine künftige Verrechnung mit Gewinnen zur Verfügung. Da zum 31.12.01 stille Reserven iHv 280 000 EUR bestehen, werden Verluste in dieser Höhe von einer Kürzung nach § 8d Abs 2 KStG verschont.
Sofern im VZ 02 keine weitere Verrechnung mit einem positiven GdE stattfindet, ist zum 31.12.02 ein verbleibender Verlustvortrag iSd § 10d EStG iHv 280 000 EUR gesondert festzustellen; dieser ist nach Verw-Auff nicht mehr fortführungsgebunden (s Tz 84). Der übrige nicht genutzte fortführungsgebundene Verlustvortrag iHv 120 000 EUR geht gem § 8d Abs 2 S 2 Nr 4 KStG unter.
Ermittlung der stillen Reserven:
Für die Ermittlung der stillen Reserven zur Erhaltung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG gelten die in Rn 49ff des BMF-Schr zu § 8c KStG v 28.11.2017 (BStBl I 2017, 1645) dargestellten Grundsätze entspr (s Rn 70 S 2 des BMF-Schr v 18.03.2021); dazu s § 8c KStG Tz 257ff. Die Ableitung des gW wird idR auf einer Unternehmensbewertung basieren, da die schädlichen Ereignisse iSd § 8d Abs 2 KStG in aller Regel nicht im Zusammenhang mit einer Anteilsveräußerung stehen werden. Zu den Auswirkungen der unterschiedlichen Bewertungsverfahren (Ertragswertverfahren oder vereinfachtes Ertragswertverfahren) auf die Höhe der stillen Reserven s Thees/Zajons (BB 2017, 1259) und s Dube/Schilling (DB 2019, 212, 214 sowie DB 2019, 1223 mit einem Vergleich der unterschiedlichen Bewertungsverfahren).
Sofern eine Verlust-Kö zunächst zwei Geschäftsbetriebe unterhalten und einen hiervon rechtzeitig vor Beginn des Beobachtungszeitraums A eingestellt hat, kommt eine Anwendung des § 8d KStG in Betracht (s Tz41). In diesen Fällen ist fraglich, auf welchen Geschäftsbetrieb etwaige stille Reserven entfallen. Stille Reserven dürften uE idR nur auf den weiter unterhaltenen und nicht auf den eingestellten Geschäftsbetrieb entfallen. Insoweit ist es zu begrüßen, dass auch nach Auff der Fin-Verw eine widerlegbare Vermutung dafür spricht, dass etwaige vorhandene stille Reserven in voller Höhe auf den nach § 8d KStG maßgeblichen fortgeführten Geschäftsbetrieb entfallen (s Rn 52 des BMF-Schr v 18.03.2021).
Verwendung der stillen Reserven:
UE sind die stillen Reserven vorrangig zur Rettung des fortführungsgebundenen Verlustvortrags zu verwenden, wenn daneben noch ein "normaler" Verlustvortrag besteht (glA s Förster/von Cölln, DStR 2017, 8, 16; und s Neyer, BB 2017, 415, 420). GlA s Rn 71 des BMF-Schr v 18.03.2021, wonach die gesamten stillen Reserven für die Anwendung des § 8d Abs 2 S 1 KStG zu berücksichtigen sind, wenn bei Eintritt eines schädlichen Ereignisses nach § 8d Abs 2 KStG sowohl ein fortführungsgebundener Verlustvortrag als auch ein Verlustvortrag nach § 10d EStG besteht.
Beispiel 2 (in Anlehnung an die Var des Bsp 29 in Rn 71 des BMF-Schr v 18.03.2021):
Wie Bsp 1, allerdings wurde neben dem fortführungsgebundenen Verlustvortrag iHv 400 000 EUR zum 31.12.01 auch noch ein übriger Verlustvortrag nach § 10d EStG iHv 300 000 EUR gesondert festgestellt. Der "Gesamtverlustvortrag" beträgt somit 700 000 EUR. Im VZ 02 wurde weder ein Gewinn noch ein Verlust erzielt.
Lösung:
Die stillen Reserven iHv 280 000 EUR sind nicht nach dem Verhältnis des fortführungsgebundenen Verlustvortrags zum gesamten Verlustvortrag aufzuteilen, sondern vollständig dem fortführungsgebundenen Verlustvortrag zuzuordnen. Zum 31.12.02 ist ein verbleibender Verlustvortrag iHv 580 000 EUR (= 300 000 EUR Verlustvortrag zzgl 280 000 EUR) gesondert festzustellen (nach Verw-Auff kein fortführungsgebundener Verlustvortrag, s Tz 84).
Die vorrang...