Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Bei der Anwendung eines DBA ist besonders sorgfältig auf den Wortlaut, und zwar nicht nur des Textes, sondern auch auf den der Protokollnotizen und des Notenwechsels, zu achten.
An sich machen, vor allem die älteren DBA, die Freistellung nur davon abhängig, dass der andere Staat nach dem DBA das Besteuerungsrecht hat, aber nicht davon, dass er die Einkünfte auch tatsächlich besteuert (Beseitigung der "virtuellen" Doppelbesteuerung). Allerdings ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche, vor allem neuere, DBA die Freistellung davon abhängig machen, dass der andere Staat die Einkünfte "tatsächlich" besteuert oder sie eine "Subject-to-tax-Klausel" enthalten. Auch hat Deutschland in vielen Fällen unilateral die Freistellung von einer Besteuerung im Quellenstaat abhängig gemacht. Darüber hinaus nimmt die Finanzverwaltung allgemein eine ungeschriebene Subject-to-tax-Klausel in allen DBA an ("Subject-to-tax-Klausel"). Ist dies der Fall, wird nicht mehr die virtuelle (mögliche) Doppelbesteuerung vermieden, sondern nur die tatsächliche. Dadurch soll vermieden werden, dass die virtuelle Doppelbesteuerung zu sog. "weißen", unbesteuerten Einkünften führt, weil der Ansässigkeitsstaat die Einkünfte von der Steuer freistellen muss, obwohl der Quellenstaat diese Einkünfte nicht besteuert.
Schließlich kann die Bundesrepublik nach vielen DBA durch Notifikation gegenüber dem anderen Staat für einzelne oder alle Einkünfte von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode übergehen. In nationales Recht umgesetzt wird ein solcher Übergang zur Anrechnungsmethode durch Rechtsverordnung nach § 2 Abs. 3 Nr. 1 AO. Von dieser Möglichkeit hat die Bundesrepublik erstmals für das DBA Türkei Gebrauch gemacht, wonach für Einkünfte, die durch nichtsteuerliche Abkommen in der Türkei von der Besteuerung freigestellt werden, die Anrechnungsmethode anzuwenden ist. Eine weitere Notifizierung betrifft Art. 13 Abs. 3 DBA-Singapur, wonach die Bundesrepublik bei Veräußerung einer Beteiligung von mehr als 50 % zur Anrechnungsmethode übergegangen ist.
Besteht mit einem bestimmten Staat kein DBA, kann durch Steuerplanung ein Abkommensschutz erreicht werden, indem die Geschäftsbeziehung über einen dritten Staat geleitet wird, der mit den beiden anderen Staaten ein DBA abgeschlossen hat ("Treaty Shopping"). Dabei ist aber zu beachten, dass die DBA selbst hiergegen durch Missbrauchvermeidungsklauseln Vorsorge getroffen haben können: Innerstaatlich werden solche Versuche durch § 50d Abs. 3 EStG bekämpft.