Leitsatz

1. Wechselt ein Kindergeldberechtigter seinen Arbeitgeber, geht infolgedessen die sachliche Zuständigkeit für die Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes von der Familienkasse auf einen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber über und zahlt neben diesem auch die Familienkasse das von ihr festgesetzte Kindergeld aus, ist die Familienkasse zur Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des von ihr gezahlten Kindergeldes befugt.

2. In diesen Fällen beginnt die Zahlungsverjährung nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung wirksam geworden ist.

 

Normenkette

§ 31 Satz 3, § 70 Abs. 2 Satz 1 EStG, § 72, § 73 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 1996, § 174 Abs. 2 AO, § 37 Abs. 2 Satz 2, § 155 Abs. 4, § 169 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, § 228 Satz 2, § 229 Abs. 1, 370 AO

 

Sachverhalt

Der zunächst bei einem privaten Arbeitgeber beschäftigte Kläger bezog für seine Kinder laufend Kindergeld, das von der Familienkasse ausgezahlt wurde.

Zum 1.10.1996 wechselte der Kläger in den öffentlichen Dienst und begründete ein Arbeitsverhältnis mit der Stadt B (Stadt). Dadurch ging die Zuständigkeit zur Festsetzung und Auszahlung des Kindergeldes auf die Stadt über (§ 72 EStG a.F.).

Ab dem 1.1.1999 wurde die Familienkasse aufgrund einer Gesetzesänderung (erneut) für die Auszahlung des Kindergeldes zuständig. Dies teilte sie dem Kläger mit und bat um Überprüfung der Bankverbindung. Nachdem der Kläger hierauf nicht reagiert hatte, zahlte die Familienkasse ab Januar 1999 Kindergeld an den Kläger aus, der daneben (weiterhin) von der Stadt Kindergeld erhielt.

Im April 2009 teilte der Kläger der Familienkasse den doppelten Bezug des Kindergeldes mit. Daraufhin hob diese mit Bescheid vom 27.7.2009 die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 1999 bis April 2009 auf und forderte das von ihr für diesen Zeitraum gezahlte Kindergeld vom Kläger zurück.

Das FG gab der Klage im Wesentlichen statt (FG Nürnberg vom 28.10.2011, 7 K 408/10, Haufe-Index 2942873, EFG 2012, 1073).

 

Entscheidung

Die Revision der Familienkasse hatte Erfolg.

Der BFH entschied, entgegen der Auffassung des FG sei die Familienkasse befugt gewesen, die zugunsten des Klägers ergangene Kindergeldfestsetzung (rückwirkend) aufzuheben. Rechtsgrundlage hierfür sei § 174 Abs. 2 AO.

Soweit das FG ferner meine, für die Zeiträume vor dem 1.1.2004 sei Zahlungsverjährung eingetreten, gehe dies fehl. Denn die gem. § 228 Satz 2 AO fünf Jahre betragende Verjährungsfrist beginne gem. § 229 Abs. 1 Satz 2 AO bei einer den Zahlungsanspruch begründenden Aufhebung der Festsetzung nicht vor dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Aufhebung – hier durch Bescheid vom 27.7.2009 – wirksam geworden sei.

Die Sache ging an das FG zurück, weil die bislang getroffenen Feststellungen keine abschließende Beurteilung erlaubten, ob der Kläger eine gem. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zur Verlängerung der Festsetzungsfrist auf zehn Jahre führende Steuerhinterziehung (§ 370 AO) begangen hat, was nach Auffassung des BFH im Streitfall naheliegt.

 

Hinweis

Nach § 174 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein fehlerhafter Steuerbescheid aufzuheben oder zu ändern, wenn ein bestimmter Sachverhalt in unvereinbarer Weise in mehreren Steuerbescheiden zugunsten eines Steuerpflichtigen berücksichtigt worden ist, obwohl er nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen.

§ 174 Abs. 2 AO gilt gem. § 155 Abs. 4 AO sinngemäß für Kindergeldfestsetzungen, da das Kindergeld nach § 31 Satz 3 EStG "als Steuervergütung" gezahlt wird.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.12.2013 – XI R 42/11

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