Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Leitsatz
Stellt ein Grundstücksbesitzer Grundstücksteile zur dauernden Errichtung von Strommasten gegen Entgelt einem anderen Unternehmer zur Verfügung und wird eine persönliche Grunddienstbarkeit im Grundbuch eingetragen, so handelt es sich um steuerbare, aber steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 12 Buchst. a und c UStG. Zahlungen, die die bei der Aufstellung der Masten und beim Bau der Leitungen verursachten Schäden abgelten, sind echter, nicht steuerbarer Schadensersatz.
Sachverhalt
Der leistende Unternehmer gestattete durch Vertrag seinem Vertragspartner, auf einem ihm gehörenden Grundstück eine Bahnstromfernleitung zu errichten und dafür Strommasten aufzustellen. In diesem Zusammenhang verpflichtete er sich, die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu beantragen und zu bewilligen. Der Leistungsempfänger zahlte für die von den Masten in Anspruch genommene Fläche sowie für die Überspannung des Grundstücks und die Bewilligung der Dienstbarkeit abgrenzbare Teilentgelte. Außerdem ersetzte er dem Grundstückseigentümer die beim Bau der Leitung entstandenen Flur- und Aufwuchsschäden. Der Grundstückseigentümer erfasste die Zahlungen insgesamt als nicht steuerbaren Schadensersatz. Im Rahmen einer Außenprüfung ging das zuständige Finanzamt unter Berufung auf das Schreiben des BMF v. 4.5.1987 (BStBl 1987 I S. 397) von einem steuerbaren Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG aus und setzte Umsatzsteuer fest.
Entscheidung
Das Finanzgericht hat der gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer gerichteten Klage stattgegeben, die im Verfahren von den Beteiligten Parteien vorgetragenen Argumente aber in wesentlichen Teilen als unzutreffend angesehen.
Der Teilbetrag der Zahlung, der den beim Bau der Leitung entstandenen Schaden ausgleichen soll ist zweifelsfrei echter Schadensersatz, der in Ermangelung eines Leistungsaustausches nicht steuerbar ist. Da insoweit kein steuerbarer Umsatz nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegt, kann eine Festsetzung von Umsatzsteuer nicht erfolgen.
Die Überlassung des Grundstücks zur Errichtung der Strommasten sowie die Genehmigung der Überspannung mit der Stromleitung sind, da eine entsprechende Dienstbarkeit eingetragen wurde, zwar als im Rahmen eines Leistungsaustausches erbrachte sonstige Leistungen anzusehen, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar sind, sie sind aber nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG (Vermietung und Verpachtung von Grundstücken) bzw. nach § 4 Nr. 12 Buchst. c UStG (Bestellung von dinglichen Nutzungsrechten an Grundstücken) steuerfrei. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Vertrag betrifft bei wirtschaftlicher Betrachtung die dauerhafte Überlassung von Grundstücksteilen gegen Entgelt, wobei diese Nutzung durch die Eintragung einer Dienstbarkeit gesichert ist. Der Begriff der Vermietung ist dabei nichtnach nationalemRecht auszulegen, sondern ein eigenständiger Begriff des Gemeinschaftsrechts, der jede entgeltliche Gebrauchsüberlassung eines Grundstücks erfasst.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde Revision zugelassen.
Hinweis
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung orientiert sich das Finanzgericht Brandenburg an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Gerade in jüngster Zeit hat der EuGH wieder bestätigt, dass die Steuerbefreiungen nach Art. 13 der 6. EG-RLeigenständigeBegriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen und daher eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern (Rs. C-275/01 Sinclair Collis Ltd v. 12.6.2003 und Rs. C-315/00 Rudolf Maierhofer v. 16.1.2003). Unter Bezugnahme auf die Aussagen des EuGH unterstreicht das Finanzgericht die gemeinschaftsrechtliche Entwicklung, eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts nicht nach den unterschiedlichen nationalen Interpretationen des Zivilrechts auszulegen.
Die Entscheidung deckt sich darüber hinaus auch mit der Auffassung der Finanzverwaltung in anderen Fällen, da die OFD Nürnberg (Verfügung v. 11.8.2003, S 7168 - 104/St 43) bei der Überlassung von Grundstücks- oder Gebäudeflächen zur Aufstellung von Funkfeststationen (UMTS) stets von steuerfreien Grundstücksvermietungen nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG auszugehen.
Soweit die Finanzverwaltung in vergleichbaren Fällen eine steuerpflichtige Leistung der Besteuerung unterwerfen will, sollte der Unternehmer unter Hinweis auf das beim BFH anhängige Verfahren (Revisionsaktenzeichen steht noch nicht fest) das Ruhen des Verfahrens beantragen.
Allerdings ist zu beachten, dass der leistende Unternehmer bei Steuerfreiheit des Umsatzes auch von einem Vorsteuerabzug bezüglich der mit dieser Ausgangsleistung zusammenhängenden Eingangsleistungen nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgeschlossen ist bzw. Gemeinkosten eventuell nach § 15 Abs. 4 UStG aufteilen muss. Soweit der Leistungsempfänger bereit ist, die Umsatzsteuer zusätzlich zu entrichten, kann nach § 9 Abs. 1 und Abs. 2 UStG auf die Steuerfreiheit des Umsatzes verzichtet werden (Option zur Umsatzsteuer), wenn der Leistungsempfänger Unternehmer ist und den ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuerbetrag als Vorsteue...