Dipl.-Finanzwirt Werner Becker
Leitsatz
Eltern, denen ein unentgeltliches, lebenslängliches dinglich gesichertes Wohnrecht eingeräumt ist, sind als wirtschaftliche Eigentümer des der minderjährigen Tochter gehörenden Hause anzusehen, wenn sie auf Grund der Dauer des bestellten Wohnrechts und der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Gebäudes wirtschaftlich in der Lage sind die zivilrechtliche Eigentümerin von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut auszuschließen.
Sachverhalt
Mit notariellem Vertrag vom 9.3.1999 kaufte eine durch ihre 41-jährige Mutter (Steuerpflichtige) vertretene Minderjährige ein im Zeitpunkt des Erwerbs 100 Jahre altes Hausgrundstück. Die Eltern der Minderjährigen verpflichteten sich im notariellen Vertrag, die Anschaffungskosten und laufenden Aufwendungen des Hausgrundstücks zu tragen. Im Gegenzug wurde den Eltern mit Zustimmung einer gerichtlich bestellten Pflegerin ein lebenslängliches und unentgeltliches Nießbrauchsrecht eingeräumt; außerdem wurde zu Gunsten der Eltern eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (Wohnrecht) im Grundbuch eingetragen. Den Antrag der Steuerpflichtigen auf Gewährung der hälftigen Eigenheimzulage nebst Kinderzulage lehnte das Finanzamt ab.
Entscheidung
Das FG hat entschieden, dass der Steuerpflichtigen eine Eigenheimzulage als wirtschaftlicher Eigentümerin zusteht. Das wirtschaftliche Eigentum wird zwar grundsätzlich nicht durch die Vereinbarung einer grundbuchmäßig gesicherten Rechtsposition begründet, weil der zweite wesentliche Teilbereich der Eigentumsrechte, nämlich die Befugnis, über den Gegenstand des Eigentums zu verfügen, beim Eigentümer verbleibt. Andererseits ist die vom zivilrechtlichen Eigentum abweichende Zurechnung von Wirtschaftsgütern nicht allein deshalb ausgeschlossen, weil der Eigentümer die rechtliche Verfügungsbefugnis behält. Hieraus ergibt sich, dass einerseits allein die dem Eigentümer verbleibende rechtliche Verfügungsmöglichkeit die Annahme hiervon abweichenden wirtschaftlichen Eigentums nicht ausschließt und andererseits die steuerrechtliche Zuordnung eines Wirtschaftsguts nicht dessen freie bürgerlich-rechtliche Übertragung erfordert, sondern nur den wirtschaftlichen Ausschluss des Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache. Daraus folgt, dass das beim zivilrechtlichen Eigentümer verbleibende Verfügungsrecht, insbesondere das Recht zur Belastung und Veräußerung, wirtschaftliches Eigentum eines anderen nicht ausschließt, weil der wirtschaftliche Ausschluss des Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache entscheidend ist.
Die Steuerpflichtige hatte zum Zeitpunkt des Kaufs noch eine mittlere Lebenserwartung von mehr als 40 Jahren. Das dingliche Wohnrecht wurde auf Lebenszeit bestellt. Andererseits war das Gebäude bei Anschaffung bereits über 100 Jahre alt. Daraus folgt nach § 7 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG eine AfA von 2,5 %, was auf eine Abschreibungsdauer und damit eine voraussichtliche Nutzungsdauer von 40 Jahren schließen lässt. Hieraus folgt, dass die Steuerpflichtige wirtschaftliche Eigentümerin ist, da sie mittels der grundbuchmäßig gesicherten Rechtsposition in der Lage ist, die Tochter für die gewöhnliche, voraussichtliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Hausgrundstück auszuschließen.
Hinweis
Auf die Beschwerde des Finanzamts hin hat der BFH die Revision unter dem Az. III R 38/04 zugelassen (neues Az. nach Abgabe an den 9. Senat: IX R 64/04). Grund hierfür war sicherlich, dass nach dem BFH-Urteil vom 24.6.2004, III R 42/02, BFH/NV 2005 S. 164, wirtschaftliches Eigentum nicht deshalb gegeben ist, weil sich die Lebenserwartung des Berechtigten im Zeitpunkt der Bestellung des Wohnungsrechts ungefähr mit der voraussichtlichen Nutzungsdauer des Gebäudes deckt und der Berechtigte deshalb den zivilrechtlichen Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung ausschließen kann. Mit der Bestellung des Wohnungsrechts auf die Lebenszeit des Nutzungsberechtigten liegt keine Bestellung für die gewöhnliche Nutzungsdauer des Gebäudes vor. Bei einem Wohnungsrecht auf Lebenszeit ist die Nutzung auf unbestimmte Zeit vereinbart; die tatsächliche Nutzungsdauer und der wirtschaftliche Verbrauch fallen hier allenfalls zufällig zusammen.
Link zur Entscheidung
FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.02.2004, 4 K 1059/01