1 Ausweis und Abgrenzung
1.1 Mindestgliederung, eigene Anteile
Für den einzelbilanziellen Ausweis des Eigenkapitals sieht IAS 1.54 keine Mindestuntergliederung vor. Ausreichend (und in angelsächsischen IFRS-Abschlüssen häufig auch praktiziert) ist ein einziger Posten: gezeichnetes Kapital und Rücklagen (capital and reserves). Lediglich im Konzernabschluss muss ggf. ein zweiter Posten – nicht beherrschende Anteile (früher: Minderheitenanteile) – hinzutreten. In der deutschen IFRS-Praxis ist aber eine weitere Aufgliederung üblich, die zumindest unterscheidet:
- gezeichnetes Kapital,
- Kapitalrücklagen,
- angesammelte bzw. akkumulierte Ergebnisse (Gewinnrücklagen, Ergebnisvortrag, Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag).
Tipp
Die Beibehaltung des detaillierteren HGB-Gliederungsschemas ist grundsätzlich möglich und wird in deutschen IFRS-Abschlüssen häufig praktiziert.
Nur noch geringe Abweichungen bestehen seit dem BilMoG bei eigenen Anteilen:
Eigene Anteile sind gemäß § 272 Abs. 1a HGB handelsrechtlich in Höhe des Nennbetrags offen vom gezeichneten Kapital abzusetzen, zum darüber hinausgehenden Teil der Anschaffungskosten mit frei verfügbaren Rücklagen zu verrechnen. IAS 32.33 sieht ebenfalls eine Kürzung des Eigenkapitals vor. Drei Varianten sind möglich:
- Berücksichtigung der gesamten Anschaffungskosten der eigenen Anteile als einziger Abzugsposten im Eigenkapital,
- Abzug des Nominalbetrags der eigenen Anteile vom gezeichneten Kapital und der überschießenden Anschaffungskosten von den Kapitalrücklagen,
- Verteilung der Anschaffungskosten auf jede Kategorie des Eigenkapitals, d. h. zusätzlich zum Nominalkapital und den Kapitalrücklagen z. B. auch auf Gewinnrücklagen.
Als spezifische Rücklagen kennen die IFRS
- Rücklagen für Währungsdifferenzen (im Konzern),
- Neubewertungsrücklagen,
- Rücklagen für andere nicht GuV-wirksame Einkommensteile, z. B. aus der erfolgsneutralen Stichtagsbewertung von bestimmten Finanzinstrumenten.
Ein besonderer Ausweis dieser speziellen Rücklagen in der Bilanz ist nicht notwendig, eine Zusammenfassung mit Gewinnrücklagen ist möglich. Eine Erläuterung im Anhang reicht i. V. m. der Eigenkapitalveränderungsrechnung bzw. Gesamtergebnisrechnung aus.
1.2 Abgrenzung zum Fremdkapital
Sowohl die HGB-Bilanzierung als auch die IFRS-Bilanzierung erfolgen nicht nach rechtlich-formellen Verhältnissen, sondern aufgrund wirtschaftlicher Betrachtungsweise (substance over form). In bestimmten Fällen, etwa bei der Bilanzierung von Eigentumsvorbehaltsware, führt diese Betrachtungsweise zu zwingenden und deshalb für HGB und IFRS übereinstimmenden Lösungen. In anderen Fällen, etwa beim Leasing (aus Sicht des Leasinggebers), stimmen die Lösungen bei Unterschieden im Detail immerhin noch im Kern überein. In wieder anderen Fällen, hier bei der Abgrenzung zwischen Eigenkapital und Fremdkapital, kommt es zu konträren Interpretationen:
- Während das IDW (HFA 1/1994) für die handelsrechtliche Abgrenzung zwischen Fremd- und Eigenkapital unter ausdrücklicher Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise auf die Haftungsqualität des überlassenen Kapitals abstellt,
- entscheidet nach IAS 32.15 ff. die (ggf. auch nur bedingte) rechtliche Rückzahlungsverpflichtung über den wirtschaftlichen Gehalt und die Qualifizierung des überlassenen Kapitals.
Beispiel
Die World Wide AG hat Genussrechte begeben, deren Vergütung sich ausschließlich am Gewinn und Liquidationserlös bemisst. Soweit nicht durch Verluste aufgezehrt, sind die Genussrechte nach zehn Jahren zurückzuzahlen. Im Insolvenzfall werden sie nur nachrangig, nach Befriedigung aller anderen Gläubiger, bedient.
Das Tochterunternehmen Off-shore-Ltd. hat nach ausländischem Recht Vorzugsaktien ausgegeben. Ein Teil der Vorzugsaktien ist obligatorisch nach zehn Jahren von der Ltd. zurückzukaufen (Rückkaufspflicht). Für einen anderen Teil der Vorzugsaktien besteht ein Rückkaufsrecht. Die Vorzugsdividende für die zweite Tranche beträgt in den Jahren 11 ff. den vierfachen Prozentsatz der Jahre 01 bis 10.
Im HGB-(Konzern-)Abschluss der World Wide AG sind die Genussrechte und Vorzugsaktien als Eigenkapital zu behandeln, da sie zwar nur temporär, aber doch längerfristig Haftungsqualität aufgrund der Verlustteilnahme und Nachrangigkeit haben.
Im IFRS-Abschluss kommt es entscheidend auf die Rückzahlungsverpflichtung an. Für die Genussrechte und den ersten Teil der Vorzugsaktien ist die Rückzahlungsverpflichtung schon vertraglich gegeben. Sie sind nach IAS 32 ohne weiteres als Fremdkapital auszuweisen.
Für den zweiten Teil der Vorzugsaktien besteht nur ein Rückkaufsrecht. Die Ltd. ist zum Rückkauf nicht verpflichtet. Ab dem Jahr 11 nimmt die Vorzugsdividende zwar eine Größenordnung an, die die Ltd. aus wirtschaftlichen Gründen zum Rückkauf des Finanzinstruments zwingen wird. Der faktische Rückzahlungszwang reicht aber nach h. M. nicht aus, auch die zweite Tranche als Fremdkapital auszuweisen.
Eine zwischen Bilanzstichtag und Bilanzaufstellung beschlossene Dividende ist noch als Eigenkapital auszuweisen (so die Klarstellung in IAS 10.12 f.).
Bei sog. zusammengesetzten Finanzinstrumenten, etwa Wandelanle...