Leitsatz

Eine ESt-Erklärung ist auch dann "nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" abgegeben, wenn ein – auch einseitig – privat gedruckter oder fotokopierter Vordruck verwendet wird, der dem amtlichen Muster entspricht.

 

Normenkette

§ 110, § 150 Abs. 1 Satz 1 AO, § 25 Abs. 3, § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG

 

Sachverhalt

Am 4.1.1999 ging beim FA die ESt-Erklärung des Klägers für das Streitjahr 1996 ein. Die ESt-Erklärung war sowohl unter Verwendung eines Ausdrucks der Seite 1 des Mantelbogens als auch mit Hilfe von Kopien der Seiten 2 bis 4 des Mantelbogens, der Anlage N und der Anlage Kinder erstellt worden. Die einzelnen Seiten waren einseitig bedruckt.

Der Arbeitgeber des Klägers hatte die ESt-Erklärung zusammen mit weiteren ESt-Erklärungen anderer Arbeitnehmer am 30.12.1998 um 14.39 Uhr als Paket bei einer Filiale der Post in X aufgegeben.

Das FA lehnte den Antrag des Klägers auf Veranlagung zur ESt ab, da der Antrag nicht rechtzeitig innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG eingegangen sei. Der Kläger legte hiergegen erfolglos Einspruch ein.

Das FG gab der Klage unter Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt. Die ESt-Erklärung sei auch formgerecht eingereicht worden.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Vorentscheidung in vollem Umfang. Die ESt-Erklärung des Klägers sei wirksam. Sie sei "nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" abgegeben worden. Der vom Kläger verwendete Ausdruck der Seite 1 des Mantelbogens und die Kopien stimmten mit den amtlichen Vordrucken inhaltlich überein. Die Auswertung der angegebenen Daten und die Eingabe in die in der Steuerverwaltung eingeführte elektronische Datenverarbeitung könne damit ohne zeit- und personalaufwändige Abänderungen durchgeführt werden.

 

Hinweis

1. Die Vorschrift des § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG verlangt, dass der Antrag auf Veranlagung "durch Abgabe einer ESt-Erklärung" zu stellen ist. Dieses Formerfordernis hat den Zweck, den Antrag auf Veranlagung eindeutig zum Ausdruck zu bringen, um sonst erforderliche Überlegungen dahingehend, was noch als Antrag zu werten ist und was nicht, (möglichst) überflüssig zu machen.

2. Gleichwohl: Das EStG enthält keine Definition des Begriffs der ESt-Erklärung. Im Schrifttum wird hierzu einhellig die Meinung vertreten, der durch Abgabe einer ESt-Erklärung zu stellende Veranlagungsantrag müsse den für die ESt-Erklärung maßgeblichen Formvorschriften des § 150 AO und des § 25 Abs. 3 EStG genügen; ansonsten sei der Antrag nicht wirksam gestellt.

Auch nach der Rechtsprechung des BFH verknüpft § 46 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 EStG die Wirksamkeit des Antrags auf Veranlagung mit den Anforderungen an eine formal wirksame ESt-Erklärung. Liegt eine ordnungsgemäße ESt-Erklärung vor, ist die Finanzbehörde verpflichtet, die ESt-Veranlagung durchzuführen. Fehlt es daran, so ist der Antrag nicht wirksam gestellt.

3. Nach § 150 Abs. 1 Satz 1 AO sind Steuererklärungen "nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck" abzugeben. Das bedeutet, dass die Erklärung insbesondere auch auf einem privat gedruckten oder fotokopierten Vordruck abgegeben werden kann, wenn er dem amtlichen Muster entspricht. Auch eine solche Maßnahme stellt sicher, dass der Antrag alle Angaben enthält, die die Finanzverwaltung im Regelfall als entscheidungserheblich ansieht.

4. Allerdings verlangt die Finanzverwaltung bei der Verwendung nichtamtlicher Vordrucke zusätzlich, dass sie beidseitig bedruckt sind. Soweit die Seiten des vierseitigen Hauptvordrucks der Steuererklärung auf zwei getrennten Blättern gedruckt werden, fordert die Finanzverwaltung, dass sie dem amtlichen Vordruck entsprechend miteinander zu verbinden sind (Schreiben des BdF in BStBl I 1999, 1049).

Diese Auffassung findet nicht die Billigung des BFH. Er hält es insbesondere für unschädlich, wenn der eingereichte Ausdruck bzw. die Kopien – anders als die amtlichen Vordrucke – nur einseitig bedruckt sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.5.2006, VI R 15/02

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