1. Unspektakulär: Streichung von § 2b Abs. 4 Nr. 1 und 2 UStG
§ 2b Abs. 4 Nr. 1 und 2 UStG wurden durch das sog. "Jahressteuergesetz 2019" mit Wirkung ab 18.12.2019 gestrichen, da sie keinen Anwendungsbereich mehr hatten.
Nach § 2b Abs. 4 Nr. 1 UStG war die Tätigkeit der Notare im Landesdienst und der Ratsschreiber im Land Baden-Württemberg unternehmerisch, soweit Leistungen ausgeführt wurden, für die nach der Bundesnotarordnung die Notare zuständig sind. Diese Vorschrift war jedoch zumindest hinsichtlich der Notare im Landesdienst von Anfang an obsolet, da diese bereits seit dem 1.1.2006 mit ihrer gesamten Beurkundungstätigkeit als Unternehmer zu beurteilen waren. Im Übrigen wurden die historisch bedingten Besonderheiten des Notariatswesens in Baden-Württemberg, die sich zudem noch in den württembergischen und badischen Landesteilen wesentlich unterschieden, ab 1.1.2018 abgeschafft und eine Organisation wie im übrigen Bundesgebiet eingeführt.
Ziff. 2., die Abgabe von Brillen durch die Selbstabgabestellen der Krankenkassen, hatte wohl schon lange keinen Anwendungsbereich mehr, da sicherlich sämtliche Selbstabgabestellen längst ihre Tätigkeit eingestellt hatten. Denn der I. Senat des BGH hatte bereits 1981 eine Krankenkasse verurteilt, es zu unterlassen, Brillen in Selbstabgabestellen abzugeben, und ihr lediglich eine Aufbrauchfrist bis zum 30.6.1983 eingeräumt.
Gestrichen werden könnte grundsätzlich auch § 2b Abs. 4 Ziff. 4 UStG. Sie beruht auf Anhang I Ziff. 7 zu Art. 13 MwStSystRL und ist daher durch den dynamischen Verweis in § 2b Abs. 4 Nr. 5 UStG mit umfasst.
2. Beistandsleistungen: Die gravierendste Änderung findet nicht im Gesetz statt
Die Finanzverwaltung vertrat unter der Geltung des § 2 Abs. 3 UStG die Auffassung, dass die Erfüllung hoheitlicher Tätigkeiten durch eine jPöR für eine andere jPöR gegen Entgelt (sog. Beistandsleistung) einen Betrieb gewerblicher Art nicht begründet. Entscheidend für die steuerliche Beurteilung sei der Charakter der jeweiligen Tätigkeit. Es sei darauf abzustellen, ob die Tätigkeit, würde sie von der jPöR selbst ausgeübt, als hoheitliche Tätigkeit oder zumindest als hoheitliche Teilaufgabe oder hoheitliches Hilfsgeschäft zu behandeln wäre. Der hoheitliche Charakter der Tätigkeit bleibe auch bei der übernehmenden jPöR erhalten. Dem hat der BFH bekanntlich im Urteil vom 10.11.2011 eine klare Absage erteilt für den Fall, dass die Leistung entweder auf zivilrechtlicher Grundlage oder zwar auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, aber im Wettbewerb zu Privaten erbracht wird.
Der Gesetzgeber hat nun versucht, mit § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG die Nichtsteuerbarkeit von Beistandsleistungen, sofern sie auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbracht werden, durch gesetzliche Regelung herbeizuführen. Er bestimmte, dass bei Leistungen zwischen jPöR größere Wettbewerbsverzerrungen nicht vorliegen sollen, wenn die Zusammenarbeit durch gemeinsame spezifische öffentliche Interessen bestimmt werde, und definierte vier Voraussetzungen, bei deren kumulativem Vorliegen dies der Fall sein solle. Würde die Beistandsleistung dagegen auf privatrechtlicher Grundlage ausgeführt, wäre sie umsatzsteuerbar.
Von Anfang an wurden Zweifel an der Unionsrechtskonformität von § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG vorgetragen. Bedenken hat auch die EU-Kommission in einem sog. Pilotverfahren, der Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren, geäußert. Das BMF hat daraufhin die europarechtlichen Anforderungen an die Auslegung der Regelung mit der EU-Kommission diskutiert und – entgegen dem eindeutigen Gesetzeswortlaut – klargestellt (sic!), dass es sich bei § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG nur um ein widerlegbares Regelbeispiel handeln soll. Sind dessen Voraussetzungen gegeben, besteht zwar die Vermutung, dass keine größeren Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten privater Dritter bestehen. Für sich genommen kann die Norm aber eine Wettbewerbsverzerrung nicht ausschließen. Im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung ist daher stets, auch wenn die Voraussetzungen des Regelbeispiels gegeben sind, eine zusätzliche Wettbewerbsprüfung i.S.v. § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG unter Berücksichtigung der Ausführungen im BMF-Schr. v. 16.12.2016, Rz. 22 ff., vorzunehmen.
Das Ergebnis dieser Prüfung kennt der Rechtsanwender allerdings bereits, wenn er in die Prüfung nach Abs. 3 Nr. 2 einsteigt. Denn wäre nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG die Wettbewerbsrelevanz der Tätigkeit verneint worden, würde diese als nichtunternehmerisch angesehen werden, was jede weitere Prüfung überflüssig gemacht hätte. Die Prüfung nach § 2b Abs. 3 Nr. 2 UStG kommt überhaupt nur zur Anwendung, wenn im ersten Prüfungsschritt nach § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG die Möglichkeit größerer Wettbewerbsverzerrungen ...