1. Dezentrale Besteuerung von Organisationseinheiten
Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Eine jPöR hat, wie jeder andere Unternehmer, nur ein Unternehmen im umsatzsteuerrechtlichen Sinn (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG), das unter Geltung von § 2 Abs. 3 UStG a.F. sämtliche Betriebe gewerblicher Art und die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe der Körperschaft umfasste und nunmehr ihre gesamte wirtschaftliche Tätigkeit. Eine jPöR erhält deshalb nur eine einzige Steuernummer für Umsatzsteuerzwecke und gibt nur eine Steuererklärung ab und nicht etwa mehrere für die einzelnen Betriebe, Tätigkeitsbereiche oder Organisationseinheiten.
Für die Betriebe gewerblicher Art und die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe von Bund und Ländern hatte die Finanzverwaltung dagegen schon seit langem ein Verfahren der gesonderten Umsatzsteuerfestsetzung zugelassen, wenn auch ohne gesetzliche Grundlage. Die Umsatzsteuer dieser Betriebe wird hiernach nicht zentral bei einem Finanzamt, sondern gesondert für den einzelnen Betrieb bei dem für ihn zuständigen Finanzamt festgesetzt. Für die von Städten und Gemeinden unterhaltenen Betriebe wurde dieses Verfahren nicht zugelassen.
Durch § 18 Abs. 4f und 4g UStG i.d.F. von Art. 12 des JStG 2020 wurde dem Verfahren der dezentralen Besteuerung von Organisationseinheiten des Bundes und der Länder erstmals eine gesetzliche Grundlage verliehen. Dabei wurden die bisherigen Begrifflichkeiten aus dem Körperschaftsteuerrecht vermieden, da der Umfang des umsatzsteuerlichen Unternehmens unter der Geltung des § 2b UStG deutlich weiter reicht als im bisherigen Recht.
Der Grundsatz der Unternehmenseinheit wird durch die dezentrale Besteuerung aber nicht durchbrochen. Deshalb können Wahlrechte, deren Rechtsfolgen das gesamte Unternehmen der Gebietskörperschaft erfassen, nur einheitlich ausgeübt werden. Außerdem gelten gesetzliche Betragsgrenzen für die jeweilige Organisationseinheit stets als überschritten:
- § 1a Abs. 3 Nr. 2: Erwerbsschwelle
- § 2b Abs. 2 Nr. 1: Umsatzgrenze für Wettbewerbsverzerrungen
- § 3a Abs. 5 S. 3: Geringfügigkeitsgrenze für TRFE-Dienstleistungen und innergemeinschaftliche Fernverkäufe
- § 18 Abs. 2 S. 2: Kalendermonat als Voranmeldungszeitraum
- § 18a Abs. 1 S. 2: Kalendermonat als Meldezeitraum für die Zusammenfassende Meldung
- § 19 Abs. 1: Kleinunternehmerregelung
- § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1: Umsatzgrenze für die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten
- § 24 Abs. 1 S. 1: Umsatzgrenze für die Durchschnittssatzbesteuerung land- und forstwirtschaftlicher Betriebe.
Der Bund bzw. das jeweilige Bundesland können aber auch gegenüber dem jeweils zuständigen Finanzamt mit Wirkung für die Zukunft erklären, von der dezentralen Besteuerung keinen Gebrauch machen und eine einheitliche Umsatzsteuererklärung abgeben zu wollen. Von einer solchen Erklärung können sie nur mit Wirkung für die Zukunft wieder zurücktreten (§ 18 Abs. 4f letzter Satz UStG).
Örtlich zuständig für die Umsatzsteuer-Veranlagung der Länder wäre jeweils ein Finanzamt der Landeshauptstadt, denn von dort aus betreiben die Länder ihr umsatzsteuerliches Unternehmen i.S.v. § 21 Abs. 1 AO. Entsprechend wäre für die Umsatzsteuer-Veranlagung des Bundes ein Finanzamt in Berlin örtlich zuständig. Daran ändert auch die dezentrale Besteuerung nach Organisationseinheiten nichts, da die Einheit des Unternehmens gewahrt bleibt. § 18 Abs. 4g UStG gewährt den Ländern die Möglichkeit, abweichende Zuständigkeiten zu bestimmen.
- Innerhalb eines Bundeslandes kann die oberste Landesfinanzbehörde die Zuständigkeit für die Besteuerung einer Organisationseinheit abweichend von der örtlichen Zuständigkeit nach § 21 Abs. 1 AO festlegen.
- Weiterhin können die Bundesländer vereinbaren, die Zuständigkeit für die Besteuerung von Organisationseinheiten des einen Landes auf eine Finanzbehörde eines anderen Bundeslandes zu übertragen.
- Ebenso kann die Senatsverwaltung für Finanzen Berlin mit den Behörden anderer Bundesländer vereinbaren, dass diese die Zuständigkeit für die Besteuerung von Organisationseinheiten des Bundes übernehmen.
Die Möglichkeit der dezentralen Besteuerung erscheint sinnvoll. Sie verhindert, dass sämtliche Aufgaben auf jeweils ein Finanzamt einstürzen, und ermöglicht, die Arbeiten auf mehrere Schultern zu verteilen. Sie gestattet außerdem, die Besteuerung der weit verteilten Bundesbehörden jeweils einem regionalen Finanzamt zu übertragen. Im Gegenzug wird dadurch aber die Abstimmung hinsichtlich der einheitlichen Ausübung von Wahlrechten etc. mühevoller. Außerdem können die Bundesländer, indem sie die Zuständigkeit auf eine Behörde eines anderen Bundeslandes übertragen, dem Eindruck entgegenwirken, dass sie über ihre eigene Besteuerung selbst entscheiden. Problematisch erscheint die Beschränkung der dezentralen Besteuerung auf Bund und Länder. So kann das nicht so große Bundesland Bremen davon Gebrauch machen, die Millionenstädte Köln und München aber nicht.