Oder: Warten auf die Steuerpflicht
[Ohne Titel]
StB Wendelin Liebgott
Eine halbe Ewigkeit ist es her: der ältere Sohn des Verfassers begann zu laufen, und der Gesetzgeber hat die Besteuerung der öffentlichen Hand neu geregelt. Seitdem ist viel Wasser die Saar hinunter geflossen. Der Sohn nimmt eine weiterführende Schule in den Blick, aber § 2b UStG wird immer noch nicht flächendeckend angewandt. Die letzte Verschiebung des Inkrafttretens liegt ein Jahr zurück, in einem Jahr soll es dann wirklich losgehen. Anlass genug, zurückzuschauen, wie es zur Neuregelung gekommen ist und was Gesetzgeber und Finanzverwaltung seitdem unternommen haben.
I. Die Vorgeschichte
1. Wie der BFH § 2 Abs. 3 UStG unionsrechtskonform auslegte
Dass juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPöR) Unternehmer i.S.d. UStG sein können, war nicht umstritten. Weniger klar war aber der Umfang ihrer unternehmerischen Sphäre. § 2 Abs. 3 UStG verwies auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG und bestimmte, dass sie nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art (BgA) und ihren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben gewerblich oder beruflich tätig seien. Nicht der Umsatzsteuer unterlagen dagegen der vielfältige Bereich der Vermögensverwaltung sowie Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse vorgenommen wurden.
Nachdem der EuGH sich bereits in der Rechtssache "Isle of Wight Council" zur Bereitstellung von Parkraum in Ausübung hoheitlicher Gewalt geäußert hatte, nutzte der BFH das Verfahren V R 70/05, um mit Beschluss vom 20.12.2007 dem EuGH die Frage nach der Unternehmereigenschaft einer Industrie- und Handelskammer bei der Untervermietung angemieteter Büroräume vorzulegen. Zum Rechtsstreit war es gekommen, weil die für die IHK zuständige Finanzbehörde eine Steuerbarkeit der Untervermietung, und damit auch die Möglichkeit einer Option zur Steuerpflicht gem. § 9 Abs. 2 UStG, bejahte. Die für den – in einem anderen Bundesland ansässigen – Vermieter zuständige Behörde vertrat dagegen die Ansicht, die Untervermietung falle unter die nicht steuerbare Vermögensverwaltung, so dass für den Vermieter eine Option zur Steuerpflicht ausgeschieden wäre.
Der EuGH entschied, dass es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedürfe, damit ein Mitgliedstaat eine ihrer Art nach steuerfreie Tätigkeit (hier: nach § 4 Nr. 12 UStG), wenn sie durch eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ausgeübt wird, als nicht steuerbare Tätigkeit im Rahmen der Ausübung öffentlicher Gewalt behandeln könne. Eine solche Regelung kannte das deutsche Recht nicht. Er entschied weiter, dass eine Wettbewerbsverzerrung, die sich aus einer solchen Behandlung als Nichtsteuerpflichtiger ergibt, nicht nur dann schädlich ist, wenn sie zu Lasten privater Wirtschaftsteilnehmer wirkt, sondern dass sich auch eine jPöR auf eine Wettbewerbsverzerrung zu ihren Lasten berufen kann. Das war keineswegs selbstverständlich, wie die Revisionsbegründung der Finanzverwaltung im Verfahren V R 70/05 zeigt.
Mit seiner Nachfolgeentscheidung vom 20.8.2009 sowie einem weiteren Urteil vom selben Tag begann der BFH dann, § 2 Abs. 3 UStG im Sinne der MwStSystRL (bzw. vorher der 6. EG-RL) auszulegen. Für den Begriff "Betrieb gewerblicher Art" knüpfte er losgelöst vom Gesetzeswortlaut nicht mehr an das KStG an, sondern definierte ihn eigenständig im Lichte des Art. 13 MwStSystRL (vorher Art. 4 Abs. 5 der 6. EG-Richtlinie).
Er entschied, dass nach der Rechtsprechung des EuGH und des BFH eine jPöR – wie die IHK – unternehmerisch (wirtschaftlich) tätig ist, wenn sie auf privatrechtlicher Grundlage und nicht im Rahmen der eigens für sie geltenden öffentlich-rechtlichen Regelungen handelt, und dass es einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz selbst oder in einer aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung erlassenen Rechtsverordnung bedarf, wenn der Mitgliedstaat eine steuerbefreite Tätigkeit als Tätigkeit behandeln möchte, die den Einrichtungen des öffentlichen Rechts im Rahmen der öffentlichen Gewalt obliegt.
Im Urteil vom 17.3.2010 sah er eine Gemeinde als Unternehmerin i.S.d. UStG an, die sich als Gegenleistung für die Übereignung eines mit Werbeaufdrucken versehenen Fahrzeugs (Werbemobil) verpflichtet, dieses für die Dauer von fünf Jahren in der Öffentlichkeit zu bewegen, und zwar auch dann, wenn die dem Körperschaftsteuerrecht entlehnte Umsatzgrenze von 30.678 EUR nicht erreicht wird. Auch eine tätigkeitsbezogene Anwendung der Kleinunternehmer-Regelung hat der BFH verworfen.
Im Urteil vom 15.4.2010 entschied der BFH, dass dem Begriff der "Vermögensverwaltung" umsatzsteuerrechtlich für die Unternehmerstellung einer jPöR durch einen "Betrieb gewerblicher Art" keine Bedeutung zukomme. Die Gestattung des Aufstellens von Automaten gegen Entgelt durch privatrechtlichen Vertrag stelle eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung dar. Die Überlassung von Personal und Sachmitteln auf öffentlich-rechtlicher Rechtsgrundlage gegen Entg...