Rz. 29

[Autor/Stand] Der Zeitpunkt des steuerlichen Wirksamwerdens der neuen Einheitswerte hing eng mit ihrer Höhe und ihren Auswirkungen auf die einheitswertabhängigen Steuern zusammen. Deshalb war es verständlich, dass der Gesetzgeber zunächst das Ergebnis der Neubewertung abwarten und sich erst dann mit der Anwendung der neuen Einheitswerte für die Besteuerung befassen wollte. Dementsprechend wurde durch Art. 3 Abs. 1 BewÄndG 1965 angeordnet, dass der Zeitpunkt, von dem an die Einheitswerte des Grundbesitzes auf den 1.1.1964 der Besteuerung zugrunde zu legen waren, durch ein besonderes Gesetz bestimmt werde. Durch diese Vorschrift wurde gleichzeitig angeordnet, dass auch die ab diesem Zeitpunkt anzuwendenden Besteuerungsmaßstäbe (d.h. alle auf die Höhe der einheitswertabhängigen Steuern einwirkenden Faktoren wie Steuersatz, Freibeträge, Steuermesszahlen usw.) durch ein besonderes Gesetz festgelegt würden. Die daraus hergeleiteten Einwendungen gegen die Wirksamkeit dieser Hauptfeststellung[2] wies der BFH mit Urteil v. 22.1.1971[3] zurück. Hiernach vollzog sich die Neubewertung zunächst "steuerneutral".

 

Rz. 30

[Autor/Stand] Der Zeitpunkt, von dessen Beginn an die nach den Wertverhältnissen vom 1.1.1964 allgemein festgestellten Einheitswerte des Grundbesitzes der Besteuerung zugrunde zu legen waren, wurde sodann durch Art. 1 Abs. 1 BewÄndG v. 27.7.1971[5] auf den 1.1.1974 festgelegt. Bis zu diesem Zeitpunkt blieben die nach den Wertverhältnissen auf den 1.1.1935 festgestellten Einheitswerte für die Besteuerung weiterhin maßgebend. Dies hatte zur Folge, dass auch für Stichtage über den 1.1.1963 hinaus bis zum 1.1.1973 ggf. Fortschreibungen und Nachfeststellungen auf der Grundlage des BewG 1934 vorgenommen werden mussten.

 

Rz. 31

[Autor/Stand] Ein weiterer Effekt dieser Hinausschiebung bestand darin, dass die neuen Einheitswerte des Grundbesitzes im Zeitpunkt ihrer erstmaligen steuerlichen Wirksamkeit infolge der anhaltend steigenden Preise am Grundstücksmarkt bereits überholt waren.

 

Rz. 32

[Autor/Stand] Der Gesetzgeber versuchte dies dadurch auszugleichen, dass er durch das VStRG 1974[8] den § 121a BewG in das Bewertungsgesetz einfügte. Nach dieser Vorschrift waren die nach den Wertverhältnissen auf den 1.1.1964 festgestellten Einheitswerte des Grundvermögens – dagegen nicht des land- und fortswirtschaftlichen Vermögens – für die Festsetzung der Vermögensteuer, der Erbschaftsteuer, der Gewerbesteuer, für die Ermittlung des Nutzungswerts der selbstgenutzten Wohnung im eigenen Einfamilienhaus und für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer – dagegen nicht für die Erhebung der Grundsteuer – um einen Zuschlag von 40 % zu erhöhen. In der Literatur[9] wurde zum Teil der – freilich wenig realistische – Standpunkt eingenommen, dass die Einheitswertbescheide nach den Verhältnissen zum 1.1.1964 – ausgenommen die Wertfeststellungen für unbebaute Grundstücke – sämtlich rechtswidrig seien, weil das gesamte Bewertungsgesetz und dementsprechend auch die danach festgestellten Werte dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes nicht entsprächen.

 

Rz. 33

[Autor/Stand] Der BFH vertrat dagegen in seiner grundlegenden Entscheidung v. 12.6.1974[11] die Auffassung, es verstoße nicht gegen den Gleichheitssatz, dass das BewG 1965 für bebaute Grundstücke die Bewertung teils nach dem Ertragswertverfahren und teils nach dem Sachwertverfahren unter Ausschluss einer individuellen Bewertung aufgrund von Kaufpreisen vorsehe. Er war des Weiteren der Meinung, es widerspreche nicht dem Gleichheitssatz, dass sich aufgrund des typisierten und pauschalierten Ertragswertverfahrens des BewG 1965 größere Ungleichmäßigkeiten im Wertniveau ergäben, als sie bei einer individuellen Wertermittlung aufzutreten pflegten. Allerdings wies der BFH in dieser Entscheidung auch darauf hin, dass sich die Frage nach der Verfassungskonformität dann stelle, wenn der Vollzug des Bewertungsgesetzes erweisen sollte, dass die in Teilen der Literatur behaupteten gravierenden Ungleichmäßigkeiten aufträten.

 

Rz. 34

[Autor/Stand] Das BVerfG nahm die gegen das BFH-Urteil v. 12.6.1974[13] erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an.[14] Es brachte in seinem Beschluss jedoch zum Ausdruck, dass es erforderlich sein dürfte, in angemessener Zeit eine weitere Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes durchzuführen und der Besteuerung zugrunde zu legen.

[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[2] Vgl. Fröhlich, DStR 1970, 621.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[5] BGBl. I 1971, 1157.
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[8] VStRG 1974 v. 17.4.1974, BGBl. I 1974, 949 = BStBl. I 1974, 233.
[9] Vgl. Pelka, StuW 1975, 206 (217).
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020
[Autor/Stand] Autor: Dötsch, Stand: 01.06.2020

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