Leitsatz
1. Stellt sich nach Annahme der Zollanmeldung für eingeführte Arzneimittel heraus, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 S. 1 AMG nicht vorliegen, kann die Zollanmeldung nicht von Amts wegen für ungültig erklärt, jedoch unter den Voraussetzungen des Art. 8 ZK die Annahme der Zollanmeldung zurückgenommen werden.
2. Ob ein Apotheker gem. § 73 Abs. 3 S. 2 AMG berechtigt ist, Arzneimittel zu beziehen, die unter den Voraussetzungen des S. 1 der Vorschrift eingeführt worden sind, entscheidet nicht das HZA, sondern die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde. Hat das HZA Zweifel an der Bezugsberechtigung, kann es die Annahme der Zollanmeldung nicht zurücknehmen; es kann jedoch vor Überlassung der Waren die Sendung vorübergehend anhalten, um der Arzneimittelüberwachungsbehörde Gelegenheit zu geben, die Frage der Bezugsberechtigung binnen angemessener Frist zu entscheiden.
Normenkette
Art. 4 Nr. 5, Art. 8, Art. 73, Art. 75 ZK, Art. 250 ZKDVO, § 73 Abs. 3, § 74 AMG
Sachverhalt
Ein Apotheker hatte für seine Apotheke Waren in den USA bestellt. Er meldete die Sendung zur Abfertigung zum freien Verkehr an. Das HZA nahm die Anmeldung an.
Die am folgenden Tag durchgeführte Beschau führte jedoch zu der Feststellung, dass es sich bei den Waren überwiegend um Arzneimittel i.S.d. Arzneimittelgesetzes (AMG) handle, ohne dass ersichtlich sei, dass die Einfuhrvoraussetzungen nach diesem Gesetz vorlägen. Das HZA erklärte deshalb die Zollanmeldung für ungültig und stellte die Waren sicher.
Entscheidung
Der BFH hat das Urteil des FG (Hessisches FG, Urteil vom 17.09.2007, 7 K 3132/05) aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen, damit geprüft wird, ob der Einfuhr der Arzneimittel VuB entgegenstehen und ob ggf. die Voraussetzungen des Art. 8 ZK gegeben sind, ob dem Kläger also bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass die Einfuhrvoraussetzungen des § 73 Abs. 3 S. 1 AMG für die angemeldeten Arzneimittel nicht vorliegen.
Hinweis
1. Die Ungültigerklärung einer Zollanmeldung ist eine zollrechtliche Entscheidung i.S.d. Art. 4 Nr. 5 ZK, die vom Zollanmelder mit Einspruch und Klage angefochten werden kann; denn mit der Ungültigerklärung wird dem Begehren des Zollanmelders, die Waren in ein bestimmtes Zollverfahren zu überführen, nicht entsprochen und die Ware gem. Art. 50 ZK als weiterhin in vorübergehender Verwahrung befindlich behandelt.
2. Eine bereits angenommene Zollanmeldung kann aber gem. Art. 66 ZK nur auf Antrag des Anmelders für ungültig erklärt werden, von Amts wegen hingegen nur in den in Art. 250 ZKDVO geregelten Fällen. Sonst bleibt nur die Rücknahme der Annahme der Zollanmeldung gem. Art. 8 ZK, die aber – wichtiger Unterschied! – ein subjektives Element voraussetzt, nämlich dass dem Anmelder bekannt war oder vernünftigerweise hätte bekannt sein müssen, dass die Einfuhrvoraussetzungen (hier des § 73 Abs. 3 S. 1 AMG) nicht vorliegen (also Vertrauensschutz nicht entgegensteht).
3. Die Einfuhr zahlreicher Waren unterliegt außerhalb des ZK geregelten (nationalen oder gemeinschaftsrechtlichen) Verboten und Beschränkungen (VuB). Nach § 73 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AMG dürfen Arzneimittel, die zum Verkehr im Geltungsbereich dieses Gesetzes nicht zugelassen oder registriert oder insoweit freigestellt sind, nur mit einer Einfuhrerlaubnis gem. § 72 AMG aus Drittländern in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden. Abweichend von jener Vorschrift dürfen jedoch dem Verbringungsverbot unterliegende Fertigarzneimittel nach § 73 Abs. 3 S. 1 AMG in den Geltungsbereich des Gesetzes verbracht werden, wenn sie in dem Staat in Verkehr gebracht werden dürfen, aus dem sie in den Geltungsbereich des AMG verbracht werden, und von Apotheken bestellt sind. Der BGH verlangt in diesem Zusammenhang, dass die Mittel im Ausland als Arzneimittel in Verkehr gebracht werden dürfen (Urteil vom 11.07.2002, I ZR 34/01 [KG], NJW 2002, 3469).
4. Die Zollbehörden sind keine Arzneimittelüberwachungsbehörden. Sie haben deshalb im Fall einer auf § 73 Abs. 3 AMG gestützten Einfuhr von Arzneimitteln nicht zu entscheiden, ob die Voraussetzungen der Vorschrift (Apothekenbestellung anderswo zugelassener Arzneimittel) eingehalten sind, sondern, falls es Hinweise auf einen diesbezüglichen VuB-Verstoß gibt, die zuständige Arzneimittelüberwachungsbehörde einzuschalten. Ohne deren Beteiligung kann die Zolldienststelle keine auf § 73 Abs. 3 S. 2 AMG gestützten zollrechtlichen Konsequenzen ziehen, also weder eine Zollanmeldung ablehnen noch eine bereits angenommene Zollanmeldung für ungültig erklären.
5. Auch wenn eine Zollanmeldung angenommen worden ist (Art. 63 ZK), muss gem. Art. 73 Abs. 1 S. 1 ZK vor Überlassung der Waren das Vorliegen etwaiger VuB geprüft werden. Das HZA ist ggf. berechtigt, die Überlassung angemeldeter Arzneimittel vorübergehend zu verweigern, wenn es meint, dass die Voraussetzungen des § 73 Abs. 3 S. 2 AMG nicht erfüllt sind. Es hat gem. § 74 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG die Befugnis, Arzneimittelsendungen zur Überwachung anzuhalten. Di...