Dipl.-Finanzwirt (FH) Jürgen Feißt
Leitsatz
Eine Teilbetriebsaufgabe liegt bei der Veräußerung einer Radiologiepraxis nicht vor, wenn zuvor schon ausgeübte, nicht mit einer gewissen organisatorischen Selbstständigkeit ausgestattete Akupunkturbehandlungen durch den Arzt weiterbetrieben werden.
Sachverhalt
Der Facharzt für Röntgenologie und Strahlentherapie betrieb bis Ende März 1995 eine Radiologiepraxis. Zusätzlich bildete er sich seit Mitte 1989 in Akupunktur fort und erwarb einen entsprechenden Befähigungsnachweis. Mittels der Akupunktur wollte er eine zusätzliche Einnahmequelle erschließen, da die Einnahmen der Radiologiepraxis seit 1991 beständig zurückgingen und Probleme bestanden, kostendeckend zu arbeiten. Die aus der Akupunkturtätigkeit erzielten Einnahmen waren bis zur Einstellung der Röntgenarztpraxis nicht von untergeordneter Bedeutung.
Die Patientenkarteien wurden getrennt geführt. Auch wurde in den gemeinsam genutzten Praxisräumen eine Trennung der Patientenbereiche auf die 2 vorhandenen Stockwerke vorgenommen. Die Abrechnungen erfolgten für die Röntgenpraxis über die kassenärztliche Vereinigung bzw. über Privatabrechnungen bei Privatpatienten. Für die Akupunkturbehandlungen erfolgte die Abrechnung über Privatrechnungen bzw. direkt mit einigen Krankenkassen. Die Einnahmen liefen auf ein gemeinsames Konto. Für beide Praxen bestand nur ein Telefonanschluss. Das Erstellen der Abrechnungen wurde im Rahmen der einheitlichen Praxisorganisation mit erledigt. Es fehlte auch an einer klaren räumlichen Trennung. Ebenso existierte keine getrennte Gewinnermittlung für die Tätigkeit als Radiologe einerseits und als Arzt für Akupunktur andererseits.
Mit Praxisübergabe- und Grundstückskaufvertrag veräußerte der Kläger seine ausgeübte radiologische Facharztpraxis und das dazugehörige Grundstück zum 1. April 1995. Die Patientenkartei der Akupunkturpatienten ging nicht an den Praxisnachfolger über. Mitte 1996, eröffnete der Arzt eine Praxis, in der er Akupunktur und Schmerztherapie anbot. Den in 1995 erzielt Gewinn aus dem Praxisverkauf erklärte er als Veräußerungsgewinn.
Entscheidung
Ein steuerbegünstigter Veräußerungsgewinn kann entstehen, wenn ein freiberuflich Tätiger einen der selbstständigen Arbeit dienenden Anteil am Vermögen veräußert oder in einem entsprechenden selbstständigen Teilbereich seine Tätigkeit aufgibt. Eine derartige Teilpraxisveräußerung bzw. -aufgabe setzt in Anlehnung an den Begriff des Teilbetriebs i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG einen mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteten, organisatorisch in sich geschlossenen und für sich lebensfähigen Teil der Gesamtpraxis voraus. Im Hinblick auf die Eigenart der selbstständigen Arbeit kann, insbesondere bei Abstellen auf die persönliche Betätigung bei Teilen einer freiberuflichen Praxis, die erforderliche Selbstständigkeit nur dann angenommen werden, wenn bei fehlender räumlicher Trennung sich die freiberufliche Arbeit auf wesensmäßig verschiedene Tätigkeiten mit zugehörigen unterschiedlichen Kunden-(Patienten-)kreisen erstreckt.
In Anwendung der entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze liegt zwar eine wesensmäßige Verschiedenartigkeit der ausgeübten Radiologiepraxis einerseits und der Akupunkturtätigkeit andererseits vor. Indessen fehlt es nach dem Gesamtbild der Verhältnisse an einem notwendigen Grad der organisatorischen Verselbständigung beider Praxisteile. Für eine gewisse organisatorische Selbstständigkeit spricht zwar die Existenz eines gesonderten Warte- und Behandlungsraums im 1. OG, die getrennte Erfassung der Patienten in einer gesonderten Kartei, die getrennte Terminvereinbarung mit den Akupunkturpatienten, die allenfalls geringe Schnittmenge der Radiologie- und Akupunkturpatienten, die Nutzung eigenen Inventars im Rahmen der Akupunkturtätigkeit (Nadeln, Stühle im Warteraum, Liege im Behandlungsraum) sowie die Tatsache, dass der Praxisveräußerungsvertrag lediglich für die radiologische Tätigkeit ein wettbewerbsrechtliches Verbot enthielt.
Dies allein reicht aber für die Annahme eines Teilbetriebes nicht aus. Zu berücksichtigen ist vielmehr, dass sowohl die Radiologie- als auch die Akupunkturpatienten den gleichen Eingangsbereich und Empfang frequentierten. Gesondertes Personal für die Praxisteile existierte nicht. Zudem erfolgte die Rechnungsstellung wenn nicht ausschließlich so jedenfalls auch durch das Personal der Radiologiepraxis. Gegen einen notwendigen Grad der organisatorischen Verselbstständigung der beiden Praxisteile spricht auch die Tatsache, dass es nur einen einzigen Telefonanschluss gab. Von besonderer Bedeutung ist, dass die durch die Akupunktur bedingten Einnahmen zusammen mit den übrigen Praxiseinnahmen auf ein einheitliches Konto flossen und zur Deckung aller die Praxis betreffenden Ausgaben verwandt wurden, und dass eine gesonderte Gewinnermittlung der Radiologiepraxis bzw. der Akupunkturpraxis nicht existierte. In der Gesamtschau diente der Praxisteil Akupunktur der Erzielung von Einnahmen, die zur Deckung der Ausgaben der gesamten Praxis benötigt...