Leitsatz
1. Wiederkehrende Bezüge, die ein Steuerpflichtiger aufgrund eines Vermächtnisses von einer gemeinnützigen, vom Erblasser mit Vermögen ausgestatteten Stiftung erhält, sind dem Grunde nach gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG steuerbar. Der Höhe nach ist die Besteuerung allerdings auf den Ertragsanteil begrenzt.
2. Will das FG im Falle einer Abänderungsklage die Steuerberechnung gem. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen, muss es über die Klage in einem Umfang entscheiden, dass dem FA nur noch die Berechnung des Steuerbetrags überlassen bleibt.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 Satz 1, Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a, Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO
Sachverhalt
Der frühere Ehemann (E) der Klägerin gründete eine gemeinnützige Stiftung und stellte dieser bereits zu Lebzeiten erhebliche Beträge zur Verfügung. E hatte der Stiftung zur Auflage gemacht, nach seinem Tode die Klägerin monatlich mit einem bestimmten Betrag zu unterstützen. Die genauen Modalitäten und die Höhe der Leistungen wurden im Laufe der Zeit mehrfach geändert. Nach dem Tod des E hatte die Klägerin Erbschaftsteuer für ihre von der Stiftung zu erwartenden Bezüge (Kapitalwert circa 1,3 Mio. DM) entrichtest.
Das FA besteuerte die jährlichen Bezüge der Klägerin in vollem Umfang als Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG. Das FG gab ihrer Klage insoweit statt, als es die Auffassung vertrat, die Bezüge seien nur in Höhe des – im Urteil nicht bezifferten – Ertragsanteils steuerbar (FG Köln, Urteil vom 27.9.2012, 6 K 2039/09, Haufe-Index 3529965, EFG 2013, 627).
Entscheidung
Die Revisionen sowohl des FA als auch der Klägerin führten zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache. Der BFH bestätigte zwar die Auffassung des FG, die von der Klägerin bezogenen Zahlungen der Stiftung seien gem. § 22 Nr. 1 EStG steuerbar und der Ansatz der Höhe nach sei auf den Ertragsanteil begrenzt. Da sich das FG jedoch nicht zur Höhe dieses Ertragsanteils geäußert hatte, war der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt.
Hinweis
Nach § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 2 Buchst. a EStG sind Bezüge, die eine Stiftung außerhalb des steuerbegünstigten Zwecks zuwendet, dem Empfänger zuzurechnen, und zwar auch dann, wenn sie freiwillig oder aufgrund einer freiwillig begründeten Rechtspflicht gewährt werden.
Die folgenden drei Erkenntnisse eines der ersten Urteile des BFH zu dieser Vorschrift sind bemerkenswert:
1. Es ist unschädlich, wenn sich die Höhe des zuzuwendenden Betrags nach dem Vermögen der Stiftung richtet, sofern sich die Abhängigkeit von einem bestimmten Prozentsatz des Vermögens der Stiftung dahin gehend verstehen lässt, dass ein solcher Prozentsatz des Vermögens einen "Sollertrag" dieses Vermögens darstellen soll.
2. Im Gegensatz zur Situation bei Schadenersatzrenten wegen schädigungsbedingten Mehraufwandes oder zum Ausgleich von wegfallenden Unterhaltsleistungen besteht für eine teleologische Reduktion des Tatbestands des § 22 Nr. 1 EStG bei Destinatärsleistungen, die eine natürliche Person von einer Stiftung bezieht, kein Grund. Dies folgt bereits aus der differenzierenden Regelung des § 22 Nr. 1 Satz 2 Halbsatz 1 sowie Halbsatz 2 Buchst. a EStG, der eindeutig zu entnehmen ist, dass der Gesetzgeber derartige Bezüge einkommensteuerrechtlich erfassen wollte.
Eine teleologische Reduktion würde in diesen Fällen auch zu unsachgerechten Ergebnissen führen, weil die Erträge, aus denen die Bezüge gespeist werden, im Fall einer gemeinnützigen Körperschaft gar keiner Ertragsteuerbelastung unterlegen haben und im Fall einer steuerpflichtigen Körperschaft lediglich der körperschaftsteuerlichen Tarifbelastung unterworfen worden sind, die nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nur einen Teil der gesamten Ertragsteuerbelastung darstellen soll.
3. Eine Übermaßbesteuerung sowie eine Kumulation mit der Erbschaftsteuer wird dadurch vermieden, dass in Fällen wie dem vorliegenden lediglich der Ertragsanteil der Zahlungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG der Einkommensbesteuerung unterliegt.
Die Beschränkung der Besteuerung auf den Ertragsanteil dient zwar der Sonderung des steuerbaren Zinsanteils von der nicht steuerbaren Kapitalrückzahlung in Fällen der Vermögensumschichtung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sind jedoch wesentliche Gemeinsamkeiten zwischen der Kapitalüberlassung und anschließenden verrenteten Rückzahlung und der Konstellation des Streitfalls erkennbar, in dem der zugewandte Kapitalwert der Zahlungsansprüche erbschaftsteuerpflichtig ist.
Dem Steuerpflichtigen wird durch einen Erwerb von Todes wegen – also außerhalb der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre – ein bestimmter Anspruch gegen die Stiftung eingeräumt, der sich jedenfalls näherungsweise als Kapitalbetrag ausdrücken und bewerten lässt. Wenn dieser Kapitalbetrag, der dem Steuerpflichtigen erbschaftsteuerrechtlich als eigener Erwerb zugerechnet wurde, nun verrentet an ihn ausgezahlt wird, befindet er sic...