Leitsatz
Die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte ist eine erzieherische Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die weiteren Leistungen wie die Beaufsichtigung und Verköstigung der Kinder sind lediglich notwendige Hilfstätigkeiten; die Erziehung gibt der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge. Der Inhaber einer Kindertagesstätte wird trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig, wenn er durch regelmäßige Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt und eine persönliche Beziehung zu den einzelnen Kindern besteht.
Sachverhalt
Die Klägerin behandelte die von ihr mit dem Betrieb der Kindertagesstätte erzielten Einkünfte in ihren Einkommensteuererklärungen für 2007 bis 2011 als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Gegen den von dem Finanzamt erlassenen Gewerbesteuermessbescheid hat die Klägerin Einspruch und Klage eingelegt. Sie trägt vor, dass in der Kindertagesstätte das pädagogische Konzept umgesetzt werde, das sie in ihrer Diplomarbeit entwickelt habe. Dieses Konzept gebe dem Kindergarten das Gepräge. Sie werde dort nicht nur leitend, sondern auch eigenverantwortlich tätig. Anders als in den vom Finanzamt zitierten Urteilen zugrunde liegenden Sachverhalten habe sie die pädagogische Leitung keiner anderen Person übertragen, sondern übe sie selbst aus, und sie sei täglich vor Ort.
Entscheidung
Nach Auffassung des Finanzgerichts sind die Voraussetzungen für eine freiberufliche Tätigkeit der Klägerin im Streitfall erfüllt. In einer Kita wie der von der Klägerin betriebenen werden die sozialen, sprachlichen und motorischen Fähigkeiten der Kinder umfassend gefördert und entwickelt. Der Umstand, dass die Kinder in der Kindertagesstätte daneben auch verpflegt und betreut wurden, steht der Annahme einer insgesamt erzieherischen und damit freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegen. Die Klägerin war auch leitend tätig. Unter einer leitenden Tätigkeit eines Freiberuflers, der sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, ist die Festlegung der Grundzüge für die Organisation des Tätigkeitsbereichs und für die Durchführung der Tätigkeiten, die Entscheidung grundsätzlicher Fragen und die Überwachung des Arbeitsablaufs nach den festgelegten Grundsätzen zu verstehen. Nach der Überzeugung des Finanzgerichts nutzte die Klägerin ihre durchgehende Anwesenheit vor Ort eine persönliche Beziehung zu jedem Kind aufzubauen und selbst auf die Erziehung jedes Kindes einzuwirken.
Hinweis
Das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts zeigt, dass in einer Kindertagesstätte, in der 45 Kinder in 2 Gruppen durch insgesamt 6 angestellte Erzieherinnen betreut werden, in der Person der Leiterin das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein kann.
Link zur Entscheidung
FG Hamburg, Urteil vom 20.01.2015, 3 K 157/14