Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer: Freiberufliche Einkünfte der Inhaberin einer Kindertagesstätte
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte ist eine erzieherische Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG. Die weiteren Leistungen wie die Beaufsichtigung und Verköstigung der Kinder sind lediglich notwendige Hilfstätigkeiten; die Erziehung gibt der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge.
2. Der Inhaber einer Kindertagesstätte wird trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt und darüber hinaus eine persönliche Beziehung des Inhabers zu den einzelnen Kindern besteht. Werden in einer Kindertagesstätte 45 Kinder in zwei Gruppen durch insgesamt sechs angestellte Erzieherinnen betreut, kann das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit erfüllt sein.
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1 Sätze 2-3
Tatbestand
A.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin eine Kindertagesstätte auf freiberuflicher oder gewerblicher Basis betreibt.
I.
1. Die Klägerin ist Diplom-Sozialpädagogin. Im ... 2006 eröffnete sie in A die Kindertagesstätte "B", in der Kinder XX erzogen werden. Wegen der Einzelheiten des Konzepts der XX Erziehung wird auf den entsprechenden Auszug des Internetauftritts Bezug genommen (Rechtsbehelfsakten -RbA- Bl. 60 ff.). Seit ... 2014 gibt es einen weiteren Standort der Kindertagesstätte.
2. Die Kindertagesstätte verfügte im Streitzeitraum 2007 bis 2013 über insgesamt 45 Plätze, von denen regelmäßig 43 besetzt waren. Die Kinder wurden in zwei Gruppen betreut, einer Krippengruppe für die Ein- und Zweijährigen und einer Elementargruppe für die Drei- bis Sechsjährigen. In den beiden Gruppen waren jeweils drei angestellte Erzieherinnen tätig, von denen jeweils zwei ... hatten. Daneben beschäftigte die Klägerin eine Verwaltungsangestellte (mit zunächst 25 und später 10 Wochenstunden), eine hauswirtschaftliche Kraft (15 Wochenstunden) und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich (12 Wochenstunden). Regelmäßig waren darüber hinaus zwei Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes in dem Kindergarten tätig sowie Praktikanten (vgl. Übersicht, RbA Bl. 63).
3. Die Verwaltungsangestellte war mit dem gesamten laufenden Schrift- und Zahlungsverkehr befasst. u. a. erstellte sie die Warteliste, verwaltete alle Adressdaten, wickelte die Vertragsschlüsse ab, verwaltete die Betreuungsgutscheine, zog die Elternbeiträge ein, erstellte die Dienstpläne, sorgte für die Bezahlung der Gehälter und der Rechnungen, verwaltete die Arbeitsverträge, bereitete die Unterlagen für die Buchhaltung vor und erledigte Korrespondenz (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Aufstellung gemäß Anlage K 2, Finanzgerichtsakten -FGA- Anlagenband Bl. 39, Bezug genommen).
4. Die Krippengruppe verfügte über zwei Gruppenräume mit einem eigenen Eingang und die Elementargruppe über drei Räume. Das Büro der Klägerin befand sich zunächst vier Jahre lang im Elementarbereich und anschließend im Krippenbereich.
5. Die Krippengruppe wurde erst im Jahr 2008 eingerichtet. Bis einschließlich 2007 war die Klägerin neben den Erzieherinnen ganztägig in der Gruppe tätig und im Jahr 2008 noch überwiegend in jeweils einer Gruppe. Seit 2009 war ihre Tätigkeit wie folgt strukturiert:
a) Die Klägerin war grundsätzlich täglich von ca. 7.30 Uhr bis 8.00Uhr im Büro tätig. Anschließend nahm sie täglich abwechselnd in einer der beiden Gruppen an der sog. Bringzeit bis 9.00 Uhr teil, in der sie mit den Eltern und Erzieherinnen sprach und sich mit den Kindern beschäftigte. Ab 9.00 Uhr nahm sie regelmäßig am Morgenkreis der jeweils anderen Gruppe teil und tauschte sich während des um 9.25 Uhr beginnenden Frühstücks mit den Erzieherinnen aus. Zwei- bis dreimal pro Woche begleitete sie für jeweils ca. eine halbe Stunde den Vorschulunterricht und etwa vier- bis fünfmal monatlich zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr den Spätdienst. Auch während der Freispielphase der Kinder auf dem Hof zwischen 11.00 Uhr und 12.00Uhr war die Klägerin regelmäßig anwesend. In Krankheits- und Urlaubsfällen vertrat sie die Erzieherinnen, wenn die hierfür eigentlich vorgesehene Aushilfskraft gleichzeitig verhindert war. Zusätzlich unterstützte die Klägerin die Erzieherinnen punktuell bei Bedarf.
b) Neue Mitarbeiter arbeitete die Klägerin grundsätzlich eine Woche lang ein. Einmal im Monat nahm sie an den während der Mittags- und Schlafenszeit der Kinder stattfindenden Teambesprechungen der Erzieherinnen teil. Ferner organisierte sie die drei jährlichen pädagogischen Fortbildungen für die Erzieherinnen.
c) Die Klägerin führte mit den Eltern, die ihre Kinder im Kindergarten angemeldet hatten, Aufnahmegespräche und nach zwei Monaten Feedbackgespräche. Sie begleitete neue Kinder und ihre Eltern während der Eingewöhnungszeit. Darüber hinaus führte sie ...