Dr. Hubertus Gschwendtner
Leitsatz
1. Einlagen, die zum Ausgleich eines negativen Kapitalkontos geleistet und im Wirtschaftsjahr der Einlage nicht durch ausgleichsfähige Verluste verbraucht werden, führen regelmäßig zum Ansatz eines Korrekturpostens mit der weiteren Folge, dass – abweichend vom Wortlaut des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG – Verluste späterer Wirtschaftsjahre bis zum Verbrauch dieses Postens auch dann als ausgleichsfähig zu qualifizieren sind, wenn hierdurch (erneut) ein negatives Kapitalkonto entsteht oder sich erhöht.
2. Die Klage eines Kommanditisten gegen einen Bescheid zur Feststellung des verrechenbaren Verlusts (§ 15a Abs. 4 EStG) ist auch dann zulässig, wenn die Einspruchsentscheidung an die Kommanditgesellschaft gerichtet und der Kommanditist nicht zum Einspruchsverfahren hinzugezogen worden ist.
Normenkette
§ 360 Abs. 3 AO , § 44 FGO , § 15a Abs. 1, 2, 4 EStG
Sachverhalt
Die Klägerin war Kommanditistin einer KG. Zum Ausgleich ihres Kapitalkontos leistete sie im Jahr 1995 auf Druck ihrer Hausbank eine zusätzliche Einlage. Ihr Kapitalkonto wurde dadurch wieder positiv.
Im Jahr 1996 erlitt die KG erneut Verluste – mit der Folge eines negativen Kapitalkontos für die Klägerin. Dazu vertrat das FA die Ansicht, es könne nur ein Verlustausgleich in Höhe des positiven Kapitalkontos zum 31.12.1995 berücksichtigt werden; die weitergehende Einlage im Jahr 1995 sei nicht zu berücksichtigen. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos (EFG 2001, 1195).
Entscheidung
Der BFH hob das Urteil des FG auf und gab der Klage statt. Die Einlagen seien beim negativen Kapitalkonto über einen Korrekturposten außerhalb des Kapitalkontenvergleichs zu berücksichtigen. Das Ergebnis des Kapitalkontenvergleichs müsse nach dem Zweck des § 15a EStG für den Fall der "vorgezogenen Einlage" korrigiert werden, um eine Gleichbehandlung mit Einlagen während des Verlustjahres und mit dem "erweiterten Verlustausgleich" nach § 15a Abs. 1 Satz 2 EStG zu gewährleisten. Der Ansatz eines Korrekturpostens sei keine unzulässige Rechtsfortbildung, weil § 15a EStG auch in anderen Fällen lückenfüllend zu ergänzen sei.
Die Entscheidung führt anschließend einige Beispiele zur Bildung und Fortentwicklung des Korrekturpostens an.
Hinweis
Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Einlagen in das Gesellschaftsvermögen nicht geeignet sind, in den Vorjahren entstandene verrechenbare Verluste in ausgleichsfähige Verluste umzuwandeln; diese "nachträglichen Einlagen" werden erst berücksichtigt, wenn die Beteiligung veräußert oder die Gesellschaft liquidiert wird (grundlegend: BFH, Urteil vom 14.12.1995, IV R 106/94, BStBl II 1996, 226; ebenso u.a. BFH, Urteil vom 28.3.2000, VIII R 28/98, BStBl II 2000, 347).
Nach dem hier vorliegenden Urteil bleibt es zwar bei dem Umwandlungsverbot für die Vergangenheit; eine Änderung der Rechtsprechung tritt aber insoweit ein, als der Steuerpflichtige nicht mehr bis zur Beendigung seiner Mitgliedschaft warten muss, dass seine Einlage ausgleichsfähig wird. Denn jede nachträgliche Einlage ist gleichzeitig auch eine "vorgezogene Einlage" und für diese gilt nunmehr, dass sie künftige – also auch schon während des Bestehens der Mitgliedschaft entstandene – Verluste ausgleichsfähig macht. Die vorgezogene Einlage wird damit der "zeitkongruenten Einlage" (Einlage und Verlust im selben Wirtschaftsjahr) gleichgestellt, die wegen der mit ihr verbundenen Erhöhung des Kapitalkontos des Einlagejahres schon bisher den Verlust des Jahres seiner Entstehung ganz oder teilweise ausgeglichen hat.
Die Probleme dieser Lösung zeigen sich bei ihrer praktischen Umsetzung. Wird die zeitkongruente Einlage problemlos über den gesetzlich vorgeschriebenen, stichtagsbezogenen Kapitalkontenvergleich des Verlustjahres berücksichtigt (§ 15a Abs. 1 Satz 1 EStG), ist dies bei einem zeitraumübergreifenden Kapitalkontenvergleich nur möglich, wenn man dem – durch frühere Verluste und Entnahmen entstandenen – negativen Kapitalkonto einen Korrekturposten zur Seite stellt. Das bedeutet nicht nur eine Korrektur des Gesetzes insoweit, als die Einlage nicht mehr mit dem negativen Kapitalkonto verrechnet, sondern für künftige Verluste vorgetragen wird; es tritt jetzt neben die bei erweiterter Außenhaftung (BFH, Urteil vom 10.6.1999, IV B 126/89, BFH/NV 1999, 1461; EStR 138d Abs. 3 Satz 8) und bei Entnahmen (BFH, Urteil vom 20.3.2003, IV R 42/00, BFH-PR 2003, 402) zu bildenden Nebenrechnungen zum Kapitalkonto noch eine weitere Nebenrechnung und es müssen weitere Rechtssätze entwickelt werden, die diese, die Kapitalkontenentwicklung ergänzende Rechenreihe mit den übrigen Rechtsfolgen des § 15a EStG abstimmen.
Das war im Streitfall einfach, weil die Einlage bereits durch die Verluste des folgenden Wirtschaftsjahres aufgezehrt wurde. Bei vielen Gesellschaftern und bei einer vieljährigen Vorhaltedauer wird der mit dem Korrekturposten verbundene Aufwand jedoch erheblich sein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 14.10.2003, VIII R 32/01