Leitsatz
Für ein bei der Ausgabe einer verbrieften festverzinslichen Schuldverschreibung mit bestimmter Laufzeit vereinbartes Disagio ist in der Steuerbilanz ein Rechnungsabgrenzungsposten zu aktivieren.
Normenkette
§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 250 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3, § 253 Abs. 1 Satz 2 HGB
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten über die steuerliche Behandlung von Emissionsdisagien bei der Ausgabe festverzinslicher Inhaberschuldverschreibungen.
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, eine AG, emittierte festverzinsliche Inhaberschuldverschreibungen, wobei sie diese teils mit einem Abgeld (Disagio), teils mit einem Aufgeld (Agio) begab. In ihren Bilanzen stellte die AG die Disagien in einen aktiven Posten der Rechnungsabgrenzung und die Agien in einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten ein. Auf Einspruch begehrte die Klägerin im Weg der Bilanzberichtigung die Auflösung der für die Emissionsdisagien angesetzten aktiven Rechnungsabgrenzungsposten. Das FA folgte dem nicht. Die hiergegen gerichtete Klage hatte nur teilweisen Erfolg; das FG verbuchte hier unmittelbaren Aufwand, hielt im Gleichklang aber auch die passiven Abgrenzungen der Agien für nicht gerechtfertigt, was im Ergebnis zur betraglichen Saldierung führte (EFG 2005, 1179).
Entscheidung
Beide Beteiligten legten Revision ein.
Der BFH teilte die Sichtweise des FG nicht. Er sah das Disagio als "Effektivzinsvereinbarung" an, der Mindererlös sei deswegen auf die Laufzeit der begebenen Schuldverschreibung bis zu deren Fälligkeit als "bestimmte Zeit" i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG aktiv abzugrenzen.
Da das FA in diesem Punkt und Umfang recht bekam, war die Klage vollen Umfangs abzuweisen, ohne dass es auf die Revision der Klägerin im betraglichen Ergebnis noch gesondert ankam; die Bildung des ursprünglich auch von der Klägerin angesetzten passiven Abgrenzungspostens war bereits auch in dem Antrag des FA rechnerisch enthalten.
Hinweis
1. Die steuerrechtliche Behandlung von Options- und Wandelanleihen steht fachliterarisch zurzeit hoch im Kurs. Wird einerseits diskutiert, ob solche unter das Halbeinkünfteverfahren fallen (§ 3 Nr. 40 EStG, § 8b Abs. 2 KStG, vgl. BFH, Urteil vom 27.10.2005, IX R 15/05, BFH-PR 2006, 62), so geht es andererseits um steuerbilanzielle Fragen, dies zuletzt (BFH, Urteil vom 30.11.2005, I R 3/04, BFH-PR 2006, 104) im Zusammenhang mit offen oder verdeckt geleisteten Agien (Aufgeldern) bei Aktien Options-Anleihen und dabei der Qualifizierung des auf die Optionskomponente entfallenden Anteil am Emissionserlös als Einlage, oder die Frage nach der steuerbilanziellen Verbuchung offen oder verdeckt geleisteter Disagien (Abgeldern) im Zusammenhang mit der Begebung festverzinslicher Schuldverschreibungen. Ein Emissionsagio oder -disagio entsteht, wenn die vom Emittenten zu entrichtenden Zahlungen (der Zins) größer (kleiner) als der Marktzins ist. Dementsprechend beeinflusst dies den Emissionserlös.
2. Im neuerlichen Urteilsfall ging es im Kern um ein Emissionsdisagio. Dabei gilt es wie folgt auseinanderzuhalten:
a) Grundlagen:
Zum einen ist zu unterscheiden zwischen der eigentlichen Schuldverschreibung und dem selbstständig handelbaren Optionsrecht (auf den späteren Bezug junger Aktien zum vereinbarten Optionspreis). Beide Komponenten sind voneinander zu trennen; beiden liegen verschiedene Leistungsverhältnisse zugrunde.
Das Optionsgestaltungsrecht hat natürlich einen eigenen Wert, der in die Rendite des Wertpapiers "eingerechnet" ist und der in Gestalt besagter Auf- oder Abgelder in Erscheinung tritt. Im ersten Fall liegt der Emissionserlös, wie erwähnt, über dem Nominalwert der Anleihe, im zweiten Fall sind die Darlehenskonditionen nicht marktgerecht, also unterverzinslich.
b) Vor diesem rechtstatsächlichen Hintergrund ist zum anderen zwischen der Zivilrechts- und sodann der Steuerrechtsebene zu unterscheiden:
Zivilrechtsebene: Dass zwei voneinander zu unterscheidende Leistungsverhältnisse zugrunde liegen, wirkt sich zivilrechtlich insoweit aus, als zum einen das Wertpapier (als Inhaberschuldverschreibung) und dass zum anderen getrennt hiervon noch das Optionsrecht veräußert wird. Bei der eigentlichen Wertpapierveräußerung handelt es sich um einen sachenrechtlichen Vorgang; ein Darlehensverhältnis liegt so gesehen nur in wirtschaftlicher Hinsicht vor, in zivilrechtlicher Hinsicht nicht. Das Disagio ist ebenfalls Bestandteil des Kaufpreises und entfällt auf die Optionseinräumung.
Steuerbilanzebene: Bei Vereinbarung eines (verdeckten) Optionsabgelds (Disagios) kommt es steuerbilanziell darauf an, ob der Mindererlös aus der Begebung der Schuldverschreibung unmittelbar und erfolgswirksam als Aufwand verbucht werden kann oder ob er aus Gründen der zeitbezogenen erfolgsmäßigen Verteilung als aktiver Rechnungsabgrenzungsposten zu erfassen ist (§ 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG).
c) Letzteres wird vom BFH angenommen:
- Auch die Einbuchung einer Verbindlichkeit stellt danach bereits eine "Ausgabe" i.S.v. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG dar.
- Aus der im Steuerrecht maßgeblichen ...