Für den Fall, dass das eAU-Verfahren nicht gilt, sieht § 5 Abs. 1 Satz 2 EFZG vor, dass der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen hat, wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage dauert; das Gesetz ordnet die Vorlage dann für den darauffolgenden (auf die 3 Kalendertage folgenden) Arbeitstag an. Der Arbeitgeber ist aber auch berechtigt, die Vorlage der Bescheinigung früher zu verlangen.[1]

Die Nachweispflicht besteht ebenso wie die Anzeigepflicht bei jeder krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG hat.

 
Achtung

Fortbestand der Nachweispflicht

Die folgenden Ausführungen gehen vom Fortbestand der Nachweispflicht durch Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus, also für privat krankenversicherte Arbeitnehmer, geringfügig Beschäftigte in Privathaushalten, Zeiten von Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen, sowie für gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer, soweit die Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt festgestellt wurde, der nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (Privatärzte oder Ärzte im Ausland).

Wie die Anzeigepflicht gehört die Pflicht zum Nachweis der Arbeitsunfähigkeit zu den arbeitsvertraglichen Nebenpflichten des Arbeitnehmers. Verletzt der Arbeitnehmer die Nachweispflicht und entsteht dem Arbeitgeber daraus ein Schaden, so hat der Arbeitnehmer diesen Schaden (bei Verschulden) zu ersetzen. Im Übrigen kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer abmahnen und bei wiederholten Verstößen kündigen.

Auch unter Fortgeltung des Nachweises einer Arbeitsunfähigkeit in Papierform über den 1.1.2023 hinaus ist es nicht ausgeschlossen, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit auf andere Weise nachweisen kann. Stellt sich etwa heraus, dass die vorzulegende papierene AU-Bescheinigung offensichtlich falsch oder formal fehlerhaft war, so kann der Arbeitnehmer auch andere, im Arbeitsgerichtsprozess zugelassene Beweismittel bemühen. Insbesondere kann er versuchen, seine Arbeitsunfähigkeit durch Zeugen zu belegen.

 
Achtung

Anwendungsbereich beachten

Da der Arbeitnehmer – unbeschadet sozialversicherungsrechtlicher Vorgaben – die freie Wahl hat, welchen Arzt er aufsuchen will, kann dies dazu führen, dass auch der gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer wieder aus dem Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1a EFZG herausfällt, z. B. weil der Arzt nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt (z. B. Privatarzt oder Arzt im Ausland).[2]

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Telefonische Krankschreibung

In Art. 2 Ziff. 4 des Gesetzes zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln (Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz – ALBVVG) vom 19.7.2023[3] besteht die Möglichkeit der Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit nach einer telefonischen Anamnese (Änderung des § 92 Abs. 4a SGB V). Die Regelungskompetenz hat der Gemeinsame Bundesausschuss am 7.12.2023 durch Änderung der AU-Richtlinie wahrgenommen.[4] Die Regelung soll dauerhaft gelten, ist jedoch auf Patienten beschränkt, die den Arztpraxen bekannt sind und für die Dauer von bis zu 5 Tagen. Eine telefonisch erfolgte Krankschreibung kann nicht verlängert werden. Für das Ausstellen einer Folgebescheinigung muss die Praxis aufgesucht werden. Umgekehrt kann eine nach Untersuchung in der Praxis erfolgte Krankschreibung telefonisch verlängert werden.

Krankschreibung in Videosprechstunden

Ärzte können seit dem 7.10.2020 die Arbeitsunfähigkeit auch mittelbar persönlich, d. h. im Rahmen von Videosprechstunden feststellen.

Voraussetzung ist nach § 4 Abs. 5 der AU-Richtlinie zunächst, dass die Erkrankung eine Feststellung einer Arbeitsunfähigkeit im Rahmen einer Videosprechstunde nicht ausschließt. Eine AU-Bescheinigung darf nicht nur auf der Basis eines Telefonats, einer Chat-Befragung oder eines Online-Fragebogens erteilt werden.

Sodann sind 2 Gruppen von Versicherten zu unterscheiden: Die erste Gruppe betrifft diejenigen Versicherten, die dem Arzt mangels früherer Behandlung nicht unmittelbar persönlich bekannt sind. Eine Erst-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung soll für solche Arbeitnehmer nicht über einen Zeitraum von 3 Kalendertagen hinausgehend ausgestellt werden. Die zweite Gruppe betrifft diejenigen Versicherten, die dem Arzt aufgrund früherer Behandlung unmittelbar persönlich bekannt sind. Eine Erst-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann für diese Arbeitnehmer für einen Zeitraum von bis zu 7 Kalendertagen ausgestellt werden.

Nach Ablauf dieses Zeitraums muss der Patient zum Zwecke der Erteilung einer Folgebescheinigung die Praxis aufsuchen, wenn er weiterhin arbeitsunfähig erkrankt sein sollte.

§ 4 Abs. 5 Satz 6 der AU-Richtlinie ermöglicht die Erteilung einer Folgebescheinigung nach einer Videosprechstunde für den Fall, dass bei dem Patienten zuvor aufgrund unmittelbar persönlicher Untersuchung durch den Vertragsarz...

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