Leitsatz
Verpflichtet sich der Grundstückskäufer im Zusammenhang mit dem Grundstückskaufvertrag, dem Mieter eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gegen angemessenes Entgelt zu bestellen, liegt darin keine Gegenleistung für das Grundstück i.S. von § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG.
Normenkette
§ 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, § 13 Abs. 1 BewG, § 111 InsO, § 57a ZVG
Sachverhalt
Die Klägerin erwarb von der Veräußerin ein bebautes Grundstück. Das Grundstück mit aufstehender Bebauung war an eine mit der Veräußerin konzernverbundene Gesellschaft vermietet. Das Mietverhältnis wurde mit gesonderter Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Mieterin neu abgeschlossen.
Im Grundstückkaufvertrag bestellten die Verkäuferin und die Klägerin zugunsten der Mieterin eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit. Für die Nutzung des Dienstbarkeitsgegenstandes hatte die Dienstbarkeitsberechtigte dem jeweiligen Eigentümer statt der Miete ein entsprechend hohes Entgelt zu leisten. Die Dienstbarkeit sollte mit Kündigung des Mietverhältnisses erlöschen; ausgenommen davon war eine Kündigung nach § 57a ZVG oder § 111 InsO.
Der Beklagte setzte gegenüber der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Die Bemessungsgrundlage setzte sich aus dem Kaufpreis und der als Mieterdienstbarkeit bezeichneten sonstigen Leistung zusammen. Die Vorinstanz (FG des Saarlandes, Urteil vom 14.10.2015, 2 K 1271/13, Haufe-Index 8775589, EFG 2016, 51) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gegen die Einbeziehung der Dienstbarkeit statt.
Entscheidung
Die Revision des FA gegen das Urteil des FG hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Die dingliche Mieterdienstbarkeit sollte – so der Senat – lediglich den schuldrechtlichen Mietvertrag absichern, und zwar für den Fall der Kündigung durch den Erwerber nach Veräußerung im Insolvenzverfahren oder im Falle der Zwangsversteigerung. Die Mieterdienstbarkeit war eng mit dem Bestand des Mietvertrags verbunden und hatte keine weitere Bedeutung.
Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Nutzungsüberlassung und dem Entgelt für die Dienstbarkeit, das sich im Streitfall nach der jeweils vereinbarten Miete richtete, ein unangemessenes Verhältnis zulasten der Klägerin bestand, hat das FG nicht festgestellt. Im Ergebnis hat die Klägerin mit der Bestellung der Dienstbarkeit keine sonstige Leistung an die Veräußerin für den Erwerb des Grundstücks erbracht.
Hinweis
1. Es geht um die Einbeziehung des Werts einer von der Käuferin – der Klägerin – eingeräumten Nutzungsdienstbarkeit zugunsten der mit der Verkäuferin in Rechtsbeziehung stehenden Mieterin ("Mieterdienstbarkeit") in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer.
2. Im Gewerberaummietrecht besteht in der Regel ein Interesse des Mieters an langfristiger Standortsicherung. Demgegenüber gibt es verschiedene nicht abdingbare gesetzliche Kündigungsrechte, die auch den durch einen langfristigen Mietvertrag vermittelten Schutz des Mieters infrage stellen können. Praktisch relevant sind insbesondere die Kündigungsrechte eines Erwerbers bei einer Verwertung des Grundstücks zum einen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters gemäß § 111 InsO sowie zum anderen im Rahmen der Zwangsversteigerung gemäß § 57a ZVG.
Die Mieterdienstbarkeit dient dem Zweck, diese Kündigungsrechte dadurch "auszuhebeln", dass eine Kündigung des Erwerbers faktisch wirkungslos bleibt, weil der Mieter aufgrund des eingeräumten dinglichen Rechts trotz Kündigung weiterhin zur Nutzung der Mietsache berechtigt bleibt (vgl. Wortberg, ZfIR 2011, 591, 592).
3. Vor diesem wirtschaftlichen Hintergrund ist zur Beantwortung der Frage nach der Einbeziehung des Werts der Dienstbarkeit in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer zu differenzieren:
- Eine Gegenleistung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG liegt bei einer Verpflichtung des Grundstückskäufers zur Eingehung eines (weiteren) Vertrags mit einem Dritten vor, wenn eine Unausgewogenheit der wechselseitigen vertraglichen Verpflichtungen zuungunsten des Grundstückskäufers vorliegt.
- Demgegenüber ist eine Verpflichtung des Grundstückskäufers zum Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten keine Gegenleistung, wenn sich die Verpflichtungen der Vertragspartner in einem ausgewogenen Verhältnis gegenüberstehen.
4. Im Streitfall handelt es sich bei der Mieterdienstbarkeit nicht um eine weitere Belastung der Klägerin als Verkäuferin, sondern um eine wirtschaftlich angemessene Maßnahme zur Standortsicherung der Mieterin. Damit entsteht keine weitere Grunderwerbsteuer.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 6.12.2017 – II R 55/15