Die Entscheidung des BFH hat nicht nur für italienische Erbfälle Bedeutung. In den europäischen Rechtsordnungen herrschen verschiedentlich der Antritts- und der Vonselbsterwerb vor, so dass in jedem Einzelfall ermittelt werden muss, wie sich der Erwerb von Todes wegen konkret vollzieht.

a) Spanien und Portugal

In

  • Spanien (Steinmetz/Huzel/García Alcázar in Süß, Erbrecht in Europa, S. 1315 Rz. 137; Hierneis in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Spanien Teil I Rz. 109) und
  • Portugal (Huzel/Wollmann in Süß, Erbrecht in Europa, S. 1044 Rz. 97, Art. 2056 CC Portugal, nach dem Gedanken der hereditas iacens bzw. herança jacente [port.]. Vgl. Jayme/Nordmeier in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Portugal Teil I Rz. 12)

bedarf die Erbschaft, wie in Italien, der Annahme durch den Erben. In beiden Fällen kommt der Annahmeerklärung Rückwirkung zu (Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Todes nach spanischem Recht gem. Art. 989 CC Spanien, vgl. Hierneis in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Spanien Teil I Rz. 109; in Portugal gilt dies gem. Art. 2050 CC Portugal, vgl. Huzel/Wollmann in Süß, Erbrecht in Europa, S. 1044 f., Rz. 98; Jayme/Nordmeier in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Portugal Teil I Rz. 12). Die deutsche Erbschaftsteuer entsteht auch hier im Zeitpunkt des Todes, § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, weil es sich jeweils um eine Rechtsbedingung handelt.

b) Weitere europäische Länder

In

  • Frankreich (Limbach in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Frankreich Teil I Rz. 466),
  • Griechenland (Art. 1710 I, 1846 ZGB Griechenland; am dt. BGB orientiert, Georgiades/Chasapis in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Griechenland Teil I Rz. 29),
  • Slowenien (gem. Art. 132 ErbG, Art. 29 SachGB Slowenien, vgl. Geč-Korošec/Paintner in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Slowenien Teil I Rz. 113, 115: Übergang erfolgt ipso iure, aber eine Annahme ist möglich gem. Art. 208 ErbG),
  • Polen (de Vries in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Polen Teil I Rz. 62) und
  • den Niederlanden (mittels formloser, auch konkludenter Annahme der Erbschaft, ohne weiteres Verfahren und lediglich weiterem Nachlassverfahren vor dem Notar, s. van Maas de Bie in Süß, Erbrecht in Europa, S. 930 Rz. 105)

erfolgt der Vonselbsterwerb im Zeitpunkt des Todes. Einen Schwebezustand in der dinglichen Zuordnung des Nachlasses vor Antritt der Erbschaft kennen diese Rechtsordnungen nicht. Hier entsteht die Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers.

Außerhalb der EU gilt dies auch für

  • die Schweiz (Art. 560 I ZGB Schweiz, vgl. Solomon in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, Länderberichte Schweiz Rz. 135),
  • Island (Schulze in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Island Teil I Rz. 112, 113) und
  • die Türkei (Rumpf in Ferid/Firsching/Hausmann, Internationales Erbrecht, 120. EL 2/2022, Türkei Teil I Rz. 247).

c) Österreich

Im österreichischen Verlassenschaftsverfahren bedarf es im ersten Schritt einer Erbantrittserklärung der potentiellen Erben und anschließend der gerichtlichen Einantwortung, d.h. "die Übergabe in den rechtlichen Besitz". Die gerichtliche Einantwortung hat daher konstitutive Bedeutung für den Erwerb der Erbschaft, vgl. § 797 ABGB (Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 976 Rz. 93).

Bis zur gerichtlichen Einantwortung ruht der Nachlass (sog. hereditas iacens) und stellt eine eigene Rechtsperson dar (§ 546 ABGB: "Mit dem Tod setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des Verstorbenen fort."), die Trägerin von Rechten und Verbindlichkeiten des Erblassers ist (Solomon in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, Länderbericht Österreich Rz. 127, 153). Mit Rechtskraft des gerichtlichen Einantwortungsbeschlusses tritt die Universalsukzession ein (Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 987 Rz. 157; Solomon in Burandt/Rojahn, Erbrecht, 3. Aufl. 2019, Länderbericht Österreich Rz. 181; Weber in Dutta/Weber, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2021, Art. 39 EuErbVO Rz. 30). Die gerichtliche Einantwortung wirkt jedoch nicht auf den Zeitpunkt des Todes zurück (Wachter, ErbR 2020, 18, 22; Haunschmidt in Süß, Erbrecht in Europa, S. 960 Rz. 93).

Da es jedoch, wie oben gezeigt, nicht auf die Rückwirkung ankommt, müsste auch hier die Erbschaftsteuer mit dem Tode des Erblassers entstehen. Die Erbantrittserklärung sowie die Einantwortung sind als gesetzliche Bedingungen keine Bedingung i.S.d. § 158 BGB, so dass kein aufschiebend bedingter Erwerb vorliegt.

Dagegen spricht jedoch, dass der bis zur Einantwortung ruhende Nachlass selbst rechtsfähig ist, § 546 ABGB. Dieser Nachlass gehört sich selbst. Die Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben findet erst mit der formellen Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses statt; mit dem Nachlass selbst als unmittelbarem Rechtsvorgänger, nicht dem Erblasser (vgl. Ferrari in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht 2, Rz. 12.114).

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