Leitsatz
1. Wird der Fiskus gesetzlicher Erbe, so erledigt sich ein noch offener Einkommensteueranspruch – auch aus einer Zusammenveranlagung – vollen Umfangs durch die Vereinigung von Forderung und Schuld (Konfusion). Es kommt nicht darauf an, ob die Erbschaft bei dem Bundesland des letzten Wohnsitzes oder beim Bund eingetreten ist (§ 1922 i.V.m. § 1936 BGB). Der Fiskalerbe muss sich hinsichtlich des gesamten aus der Einkommensteuerveranlagung herrührenden Anspruchs als Gläubiger behandeln lassen.
2. Die Konfusion steht der Inanspruchnahme des anderen zusammen veranlagten Ehegatten, der den Vollstreckungszugriff im Umfang des Werts unentgeltlicher Zuwendungen des anderen Ehegatten nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO dulden muss, nicht entgegen. Soweit das Bestehen der Einkommensteuerschuld Voraussetzung für die Realisierung des gesetzlichen Zugriffsrechts nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO ist, geht die Regelung inzident von deren Fortbestehen aus.
Normenkette
Art. 106 Abs. 3 GG, § 2, § 90 BSHG, § 362, § 387, § 528, § 768 Abs. 1, § 1922, § 1936 Abs. 1, § 1976, § 1991 Abs. 2, § 2143, § 2175, § 2377 BGB, § 47, § 118, § 218, § 226 Abs. 1, § 249 Abs. 1, § 252, § 254, § 268, § 278 Abs. 1 AO, § 118, § 126 Abs. 2 FGO, § 193 KO, § 82 VerglO
Sachverhalt
Eheleute waren bestandskräftig zur ESt zusammen veranlagt worden. Die Einkommensteuerschuld war jedoch mit der Maßgabe aufgeteilt worden, dass die Vollstreckung gegen die Ehefrau auf null DM beschränkt sei. Bevor die ESt bei dem Ehemann beigetreten werden konnte, verstarb dieser. Der Fiskus wurde sein Erbe.
Da die Ehefrau unentgeltliche Zuwendungen von ihm erhalten hatte, nahm das FA diese in einem insoweit auf § 278 Abs. 2 AO gestützten Abrechnungsbescheid (in beschränkter Höhe) in Anspruch.
Entscheidung
Der BFH hat den Erlass eines Abrechnungsbescheids für zulässig gehalten, obwohl die Rechtsfolgen des § 278 Abs. 2 AO nicht aufgrund einer Entscheidung, sondern kraft Gesetzes eintreten, hierüber einen Bescheid zu erlassen also nicht ausdrücklich vorgesehen, wohl aber zweckmäßig sei. Die durch Erbanfall beim Fiskus eingetretene Konfusion von Steueranspruch und Steuerschuld hindere nicht, den Steueranspruch gem. vorgenannter Vorschrift gegen die Ehefrau als Empfängerin einer unentgeltlichen Zuwendung des verstorbenen Ehemanns geltend zu machen.
Hinweis
1. Die nach Aufteilung auf einen Ehegatten entfallende Einkommensteuerschuld vereinigt sich im Fall der Gesamtrechtsnachfolge des Fiskus als Erbe desselben vollständig mit der Steuerforderung und erledigt sich damit durch sog. Konfusion. Denn das steuererhebende Land ist zwar nicht alleiniger Gläubiger der ESt. Vielmehr bestimmt Art. 106 Abs. 3 GG, dass Bund und Land jeweils mit ihrem Anteil Gläubiger dieser Steuer sind. Jedoch gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet (§ 226 Abs. 4 AO).
Gegenseitigkeit gem. § 226 Abs. 1 AO, § 387 BGB ist also grundsätzlich aufgrund der Gläubigerstellung des jeweiligen Fiskus" im Fall seiner Ertragshoheit gegeben, daneben aber auch im Fall seiner bloßen Verwaltungshoheit. Es kann kurzum auf der Grundlage der Verwaltungshoheit aufgerechnet werden, selbst wenn die Gegenseitigkeit nach Maßgabe der Ertragshoheit nicht besteht. Diese Fiktion einer umfassenden Gläubigerstellung gilt auch im Vollstreckungsverfahren. Sie greift auch bei der Entscheidung der Frage ein, ob die Steuerschuld eines Ehegatten gegen den anderen trotz Aufteilung gem. § 278 Abs. 2 AO durchgesetzt werden kann.
2. Wird das Land Erbe eines Einkommensteuerpflichtigen, tritt hinsichtlich der gesamten Steuerforderung eine Vereinigung von Forderung und Anspruch ein. Es fragt sich daher, ob nach Ergehen eines Aufteilungsbescheids der einem Ehegatten zugerechnete Teil der Einkommensteuerschuld noch gegen den anderen unter den Voraussetzungen vorgenannter Vorschrift geltend gemacht werden kann. Nach dieser kann ein Steuerschuldner, dem von einer mit ihm zusammen veranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet wurden, über den sich nach Abs. 1 ergebenden Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts dieser Zuwendung für die Steuer in Anspruch genommen werden.
3. Der BFH hat vorgenannte Frage in dieser Entscheidung bejaht. Wäre es anders, das Fort-Bestehen der Einkommensteuerschuld als Voraussetzung für die Realisierung des Zugriffsrechts nach § 278 Abs. 2 Satz 1 AO also nicht fingiert, würde dies nicht dem Zweck des § 278 Abs. 2 Satz 1 AO entsprechen, dem Steuergläubiger im Gegenzug zur Vollstreckungsbegrenzung durch Aufteilungsbescheid gerade den Zugriff auf die Vermögenswerte zu bewahren, die dem Vermögen des Erblassers durch unentgeltliche Übertragung auf den zusammen veranlagten anderen Ehegatten entzogen worden sind.
4. Beachten Sie, dass im Zivilrecht das Erlöschen der Hauptforderung im Fall der Konfusion ebenfalls nicht gesetzlich vorgeschrieben oder logisch zwingend ...